Portrait von Ingrid Remmers
Ingrid Remmers
DIE LINKE
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Ingrid Remmers zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Thomas P. •

Frage an Ingrid Remmers von Thomas P. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Remmers,

wie ich hier Ihrer vorherigen Antwort entnehme haben Sie sich schon mit dem Thema "Bedingungsloses Grundeinkommen" beschäftigt. Es freut mich sehr, dass Sie sich für das Thema interessieren. Ihre Antwort hat mich zur Reflexion bewegt und ich möchte Ihnen auf diesem Wege eine Antwort entlocken, auf eine Frage, welche zwar im Zusammenhang mit dem bedingungslosen Grundeinkommen gestellt werden muss, die jedoch unser politisches Selbstverständnis betrifft. Sie sagen, es gebe noch keine empirischen Ergebnisse bezogen auf die Realisierbarkeit eines "Bedingungslosen Grundeinkommens". Nun, ich stelle fest, dies ist eine Antwort eines Menschen, welcher sich in seinem politischen Handeln an der wissenschaftlichen Evidenz orientiert. Als politisch denkender Mitbürger möchte ich jedoch Zweifel anmelden, daran, dass die wissenschaftliche Evidenz oder Machbarkeit aus politischer Perspektive die erstere sein sollte. Im Geiste der Aufklärung und in der Tradition der französischen Revolution und vor allem der Werte von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit möchte ich Sie auf einen bedeutenden, historisch bedingten Unterschied aufmerksam machen,welcher zwischen einem Bürger und einem Citoyen besteht. Während sich das heutige Selbstverständnis des Bürgers in Deutschland aus der wilhelminischen Zeit herleiten lässt, soweit ich mich erinnere ist ja die Petition ebenfalls in dieser Zeit entstanden, als eine Bitte des Untertanen an den Souverän, ist das Selbstverständnis des Citoyens ein gänzlich anderes.
Aus diesem Zusammenhang möchte ich nun aber meine Frage stellen: ist die Frage nach der wissenschaftlichen Realisierbarkeit eine notwendige politische Voraussetzung?
Soweit ich weiss, hat damals Otto von Bismarck vor der Einführung unseren heutigen Sozialsystems keine Praxisstudien betrieben. Es war eine politische Notwendigkeit.

Für Ihre Antwort bedanke ich mich im Voraus
Thomas

Portrait von Ingrid Remmers
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Pain,

vielen Dank für diese schnelle Reaktion auf meine Antwort zum bedingungslosen Grundeinkommen. Es ist für mich schon wichtig, dass meine politischen Forderungen durch wissenschaftliche Studien gedeckt werden. Dabei ist mir klar, dass die Wissenschaft auch fehlbar ist und es zu fast allen Themen widersprüchliche Studien gibt. Zum Thema Grundeinkommen gibt es zahlreiche Untersuchungen, die die Möglichkeit der Umsetzung eines solchen Konzeptes sehr unterschiedlich beurteilen. Auch seriöse Untersuchungen, die dem Grundeinkommen positiv gegenüberstehen (vgl. Hamburgisches Weltwirtschaftsinstitut, 26.März 2007), kommen zu dem Schluss, dass eine Realisierung nicht von heute auf morgen mögliche wäre.

„Das Grundeinkommen ist finanzierbar“, so Prof. Dr. Thomas Straubhaar, Direktor des HWWI. „Wegen der unvermeidbar hohen Risiken eines so fundamentalen Systemwechsels, sollte das Konzept jedoch in mehreren Schritten eingeführt werden“, empfiehlt er. (Pressemitteilung des HWWI vom 26.3.2007)

Wie ich schon in meiner ersten Antwort ausgeführt habe, stehe ich dem Grundeinkommen grundsätzlich positiv gegenüber und hoffe, dass es eines Tages die entwürdigende und bürokratische Bedürftigkeitsprüfungen für alle Arten von Transferleistungen ersetzen kann. Trotzdem sind die Rahmenbedingungen (Niveau der gegenwärtigen Staatsverschuldung, die Höhe des Grundeinkommens und die langfristigen Auswirkungen in der globalisierten Weltwirtschaft) sehr schwer einzuschätzen und in der gegenwärtigen Situation nur schwer vermittelbar. Deswegen konzentriere ich mich momentan auf den politischen Kampf gegen Hartz-IV und den Niedriglohnsektor, so dass in absehbarer Zeit auch Erfolge erzielt werden können. Zur weiteren Diskussion der Konzepte zum bedingungslosen Grundeinkommen wenden Sie sich bitte an meine Genossin Katja Kipping, die dieses Thema intensiv bearbeitet.

Mit freundlichen Grüßen,

Ingrid Remmers