Frage an Ingrid Fischbach von Günther P. bezüglich Familie
Sehr geehrte Frau Fischbach,
im Zusammenhang mit den kontroversen Meinungen zur Verschärfung des Jugendstrafrechts interessiert mich Ihre Position.
Wieviele jugendliche Intensivstraftäter leben im Wahlkreis 142?
Was sind Ihrer Meinung nach die Ursachen, dass die bereits vorhandenen Möglichkeiten nicht zu einer erfolgreichen Resozialisierung dieser Jugendlichen führten?
Welche zusätzlichen Maßnahmen halten Sie für erforderlich?
Mit freundlichem Gruß
Sehr geehrter Herr Paul,
vielen Dank für Ihre email vom 10. Januar in der Sie sich mit dem Thema „Jugendkriminalität“ beschäftigen. Nicht erst durch die Wahlkämpfe in Niedersachsen und Hessen hat dieses Thema große Bedeutung erlangt, ich erachte eine Diskussion in diesem Bereich seit langem als notwendig.
Zu Ihrer Frage nach den jugendlichen Intensivstraftätern im Wahlkreis 142 kann ich Ihnen leider keine Auskunft geben, da die Statistiken der Polizei nach deren Zuständigkeitsbereichen aufgeteilt sind und nicht nach Wahlkreisen. Laut Auskunft der Polizeibehörde Bochum vom 15. Januar 2008 sind in Ihrem Zuständigkeitsbereich, dieser umfasst die Städte Witten, Herne und Bochum, insgesamt 39 Personen als Intensivstraftäter geführt. Von diesen 39 Personen sind 15 Jugendliche und 14 Heranwachsende.
Kinder- und Jugendkriminalität hat nicht nur eine, sondern vielfältige Ursachen. Der Verlust von Werteorientierungen, fehlende Zukunftsperspektiven und mangelnde soziale Kompetenzen können ebenso eine Rolle spielen wie eine schlechte Ausbildung, das Wohnumfeld oder die Überforderung der Eltern bei der Erziehung ihrer Kinder. Auch Gewalt in den Medien und entsprechende Einflusswirkungen, Integrationsprobleme, eigene Gewalterfahrungen junger Menschen ebenso wie mangelnde Sprachkompetenzen können Auslöser von kriminellen Verhaltensweisen sein.
Die schwierige Sozialisation von Tätern darf allerdings nicht als Entschuldigung für Ihre Taten herangezogen werden. Nicht die Gesellschaft ist für das Verbrechen und seine Folgen verantwortlich, sondern der Täter.
Die wichtigsten Beiträge für eine nachhaltige Gewaltprävention leistet eine auf Wertevermittlung ausgerichtete Erziehung in der Familie. Schule und Freizeiteinrichtungen können die Erziehungsarbeit der Eltern unterstützen. Wo Defizite festgestellt werden, bedarf es gezielter Förderungen über die unterschiedlichen Entwicklungsphasen junger Menschen hinweg. Der erfolgreichen Verhinderung von Gewaltkriminalität durch eine systematische und umfassende Präventionsarbeit kommt eine maßgebliche Bedeutung zu.
Erfolgreiche Präventionsarbeit setzt voraus, dass Probleme erkannt und benannt werden. Wir müssen wissen, wo besondere Präventionsanstrengungen erforderlich sind. Die Benennung der Täter und besonders problematischer Milieus einschließlich der Herkunft darf deshalb nicht länger tabuisiert werden. Hierzu gehört auch, dass die Polizeistatistiken, die heute nur zwischen Deutschen und Ausländern unterscheiden, angepasst werden müssen, um gezielte Lösungen zu finden.
Wir müssen jugendlichen Tätern klare Grenzen setzen und durch rasche und konsequente Reaktionen dem staatlichen Gewaltmonopol Geltung verschaffen.
Die Strafe muss auf dem Fuße folgen. Nur eine rasche und konsequente Reaktion auf die Straftat beeindruckt jugendliche Täter. Urteile sollen wenn möglich binnen weniger Wochen ergehen, um Wirkung zu erzielen.
Strafe muss spürbar sein. Eine Justiz, die auch schwere Gewaltdelikte lediglich mit „Teilnahme an Trainingskursen“, „Verwarnungen“ „Arbeitsleistungen“ oder auch reinen Bewährungsstrafen ohne Zusatzreaktion wie Arbeitsstunden oder Arrest ahndet, wird von vielen jugendlichen Tätern nicht ernst genommen.
Jugendliche Straftäter müssen frühzeitig, nicht erst nach einer langen kriminellen „Karriere“, etwa in Erziehungscamps oder Erziehungsinternaten mit therapeutischem Gesamtkonzept ein Leben mit fester Struktur und Respekt vor anderen lernen. Hiermit meine ich ausdrücklich NICHT die sogenannten Boot Camps, wie man sie aus den USA kennt.
Für delinquente Kinder, die noch nicht strafmündig sind, bei denen aber die kriminelle Karriere bereits vorgezeichnet ist, kommt als letztes Mittel ebenfalls eine Unterbringung in einem geschlossenen Erziehungsheim in Betracht, vor allem auch um sie aus dem gewaltgeprägten Umfeld herauszulösen.
Ständiges Fehlen im Schulunterricht muss durch konsequentes Anzeigen bei Eltern und Behörden sanktioniert werden. Eltern müssen ggf. durch Bußgelder dazu angehalten werden, ihrem Erziehungsauftrag, für die Bildung ihrer Kinder zu sorgen, gerecht zu werden.
Der Staat kann nur dann von den Bürgern Zivilcourage und Einsatz fordern, wenn er selbst entschlossen genug mit jungen Straftätern umgeht. Gesetzesverschärfungen im Jugendstrafrecht sind hierfür auch notwendig, vor allem aber die konsequente Anwendung bereits bestehender Gesetze.
Mit freundlichen Grüßen
Ingrid Fischbach, MdB