Frage an Ingrid Arndt-Brauer von Werner S. bezüglich Öffentliche Finanzen, Steuern und Abgaben
Sehr geehrte Frau Arndt-Brauer,
der Bundesrat hat am 9.10.2020 mehrheitlich (mit den Stimmen der SPD Finanzministerinnen von Hamburg und Thüringen) beschlossen, den Bundestag aufzufordern, das Gesetz zur Verlustverrechnungsbegrenzung von Termingeschäften (§20 Abs.6 Satz 5 EStG) ersatzlos zu streichen.
http://dipbt.bundestag.de/dip21/brd/2020/0503-20B.pdf (Begründung S. 21 u. 22)
Was sagen Sie zu den Argumenten des Bundesrates?
Ich sehe außerdem mindestens 1 starkes Indiz dafür, dass durch dieses Gesetz Steuereinnahmen verloren gehen: Termingeschäfte werden zu einem beträchtlichen Teil an ausländischen Börsen durchgeführt (z.B. in USA). Die Kontrahenten sind daher zumeist Nichtdeutsche. Gewinne von erfolgreichen deutschen Anlegern (weniger erfolgreiche geben ihre Aktivitäten nach kurzer Zeit wieder auf) führen also zu einem Kapitalzufluss nach Deutschland und zu Kapitalertragssteuerzahlungen. Ein Staat, der das nicht zulässt, beraubt sich selbst einer Einnahmequelle und das in Corona-Zeiten mit ausufernden Staatsschulden.
Das Ausweichen auf eine neu zu gründende Kapitalgesellschaft ist keine Alternative. Der wissenschaftliche Dienst hat in einem Gutachten
festgestellt, dass §20 Abs. 6 Satz 5 zu einer verfassungsrechtlich bedenklichen Ungleichbehandlung von privaten und gewerblichen Anlegern führt und schlägt als Lösung vor, dass auch die gewerblichen Anleger einer Verlustverrechnungsbeschränkung unterworfen werden. Damit würden sich der Aufwand und die Kosten für die Gründung einer Kapitalgesellschaft als sinnlos erweisen.
Zeigt die SPD Augenmaß und folgt der Forderung des Bundesrates, oder müssen erst Schäden bei Privatanlegern, große Aufwände bei Finanzämtern, Umsatzrückgänge und nachfolgend Jobverluste bei Banken und Brokern auftreten, sowie jahrelange Prozesse bis vor das BVerfG geführt werden?
Mit freundlichen Grüßen
W. S.
Sehr geehrter Herr Schiele,
vielen Dank für Ihre Frage, bitte sehen Sie mir die längere Antwortdauer nach.
Die von Ihnen angesprochene Regelung ist zielorientiert. Private Anleger nutzen Termingeschäfte in aller Regel und anders als Unternehmen nicht zur Absicherung von Fremdwährungsrisiken, Marktrisiken oder zur Sicherung von Zins- und Preisniveaus. Stattdessen werden diese Geschäfte überwiegend zum "Zocken" genutzt. Die steuerliche Berücksichtigung von Verlusten führt aber zu einer geringeren Bemessungsgrundlage und damit schlussendlich zu einer geringeren Steuer. Warum diese Form des Handelns steuerlich begünstigt und damit von der Allgemeinheit getragen werden soll, erschließt sich mir nicht. Die Regeln zur Begrenzung der Verlustverrechnung halte ich daher nach wie vor für sinnvoll.
Mit freundlichen Grüßen
Ingrid Arndt-Brauer