Frage an Ingrid Arndt-Brauer von Tobias H. bezüglich Familie
Sehr geehrte Frau Arndt-Brauer,
immer mehr Bewohner von Pflegeheimen sind nicht in der Lage die Kosten aus eigenen Mitteln zu finanzieren. In solchen Fällen übernimmt das Sozialamt die ungedeckten Heimpflegekosten. Die Sozialämter versuchen diese Ausgaben von den Kindern über den Elternunterhalt wiederzuholen. Viele Berechnungen der Sozialämter sind falsch und führen zu überhöhten Unterhaltsforderungen. Der Unterhaltspflichtige ist gezwungen sich durch einen Fachanwalt beraten zu lassen, bzw. die Angelegenheit vor dem Familiengericht zu klären. Die Rechtslage zum Elternunterhalt ist sehr unklar. Die Einnahmen durch den Elternunterhalt decken gerade den Verwaltungsaufwand. Im Internet gibt es zu diesem Thema verschiedene Foren. Zurzeit befindet sich eine Petition beim Deutschen Bundestag.
Wie ist Ihre Meinung zu diesem Thema?
Sehr geehrter Herr Heveling,
vielen Dank für Ihre Frage. Anhand meiner persönlichen Erfahrungen, kann ich die von Ihnen geschilderten Probleme mit den Sozialämtern nicht bestätigen. Mitunter kann es sich um - sehr bedauernswerte - Einzelfälle handeln. Da mir keine konkreten Informationen vorliegen, ist es mir nicht möglich pauschal eine Bewertung bzw. Einschätzungen der momentanen Rechtspraxis zu geben. Verwandte in gerader Linie sind gemäß § 1601 BGB http://www.123recht.net/dictionary.asp?wort=BGB *grundsätzlich* verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren. Lediglich, wenn die Unterhaltsgewährung eine *„unbillige Härte“ darstellen würde, sollen Verwandte in gerader Linie nicht unterhaltsverpflichtet sein.
Die Vielzahl jeweils unterschiedlich gelagerter Einzelfälle "die das Leben schreibt", kann der Gesetzgeber mit keinem noch so differenzierten Rechtsrahmen erfassen. In der Praxis kommt daher der Rechtssprechung eine große Bedeutung zu. Der Bundesgerichtshof als oberstes deutsches Zivilgericht hat seit knapp zwei Jahren in einer Reihe von Urteilen die Erstattungspflicht der Kinder begrenzt. Hintergedanke: Diese Angehörigen, die häufig über fünfzig oder sogar schon selbst im Rentenalter sind, sollen nicht gezwungen sein, sich massiv einzuschränken. Außerdem wissen die Bundesrichter, dass diese Generation teilweise noch selbst für ihre Kinder sorgen und auch für ihre eigene Altersvorsorge sparen muss. Viele Menschen möchten gerne wissen, ob sie für pflegebedürftige Eltern eventuell zahlen müssen. Nach den letzten Urteilen des BGH müssen sie folgendermaßen rechnen.
Die grobe Faustregel lautet: Ein erwachsenes Kind muss für seine pflegebedürftige Mutter zahlen, wenn sein Einkommen 1250 € überschreitet. Einen Überschuss muss es allerdings nicht ganz abgeben, sondern in der Regel nur die Hälfte davon. Die Einkommensgrenze liegt höher, wenn der Ehepartner, etwa die Frau, keine eigenen Einkünfte hat. Hier schuldet der Mann der Frau Unterhalt. Für die Eltern muss er daher nur dann zahlen, wenn sein Einkommen über 2200 Euro liegt. Die Grenze kann sich allerdings noch erhöhen: Wenn der Mann sehr gut verdient und seine Frau einen hohen Unterhaltsanspruch hat. Denn für ein Ehepaar gilt der Halbteilungsgrundsatz: Bei einem hohen Verdienst des Mannes hat die Ehefrau Anspruch auf etwa die Hälfte. Sind noch unterhaltsberechtigte Kinder in der Familie, liegen die Grenzen so hoch, dass normalerweise nichts gezahlt werden muss.
Wer damit über die kritische Einkommensgrenze kommt, kann noch Abzüge geltend machen, zum Beispiel die Fahrtkosten für die regelmäßigen Besuche bei der Mutter im Heim, Kreditkosten für die Abzahlung des Hauses, Kosten für eine notwendige Kinderbetreuung oder eine aufwendige Zahnbehandlung usw.. Auch die Kosten für die Altersvorsorge können abgezogen werden bis zu einer Höhe von 25 Prozent des Bruttolohns (das sind bei abhängig Beschäftigten 20 Prozent, die ohnehin abgeführt werden müssen und 5 Prozent für eine zusätzliche Altersversorgung). Berufstätige können außerdem noch 5 Prozent für berufsbedingte Aufwendungen abrechnen.
Außerdem fragen die Sozialämter noch nach dem Vermögen. Das tun sie häufig aber nur, wenn nach der bisherigen Rechnung nichts gezahlt werden muss. Wie viel vom Vermögen abgegeben werden muss, ist noch nicht höchstrichterlich geklärt. Es gibt aber Empfehlungen: Das selbstbewohnte Familienheim ist immer geschützt, und darüber hinaus Beträge bis zu 75.000 Euro. Der Bundesgerichtshof ist in seinen letzten Entscheidungen dabei geblieben, dass grundsätzlich nur die leiblichen Kinder für die Eltern zahlen müssen. Aber das Gehalt des Ehepartners fließt unter Umständen mit in die Berechnung ein. Wenn etwa der Ehemann sehr gut verdient, dürfen die Gerichte darauf abstellen, dass die Ehefrau einen Taschengeldanspruch gegen ihn hat. Das heißt, die Ehefrau hat in diesem Fall dann doch eigenes Geld und kann für ihre Eltern zahlen.
Eine *konkrete Aussage im Einzelfall* über die Höher der Unterhaltspflicht lässt sich *grundsätzlich* nur bei hinreichender Kenntnis *aller Umstände* treffen. Hier gilt es Vorsorge zu treffen und sich kompetenten Rechtsrat ein zu holen.
Mit freundlichen Grüßen
gez. Ingrid Arndt-Brauer