Frage an Ingrid Arndt-Brauer von Heike R. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Arndt-Brauer,
Sie und Ihr Parteivize Thorsten Schäfer-Gümbel fordern eine höhere Besteuerung der Besserverdienen-Leistungsträger ( die schon jetzt das meiste am Lohnsteueraufkommen zahlen, oder? ).
Quelle: https://de.nachrichten.yahoo.com/spd-will-entlastung-geringverdienern-h%c3%b6here-spitzensteuer-finanzieren-091904641.html
1. Ab welchem Jahreseinkommen rechnen Sie und Ihr Parteivize Thorsten Schäfer-Gümbel jemanden zum noch höher zu besteuernde Leistunsgträger/Besserverdiener?
2. Trifft dieser Vorschlag auch die Parlamentarier, Freischaffenden, Selbständigen?
3. Zum Schutz des Euro wurden verbindliche Stabilitätskriterien in der EU geschaffen. Ich habe gehört, dass jetzt die massiven Defizitsünder Portugal und Spanien, nach EU Beschluss, keine Strafe zahlen müssen? Jeder scheint für alles eine Begründung zu finden, ist es aber dennoch nicht Verletzung geltenden Rechts/bindender Verträge???
Wo bleibt da der "Aufschrei" von Ihnen und Ihrem Parteizive Thorsten Schäfer-Gümbel ??? Wie wollen Sie dem Bürger eigentlich noch die EU erklären und schmackhaft machen, wenn zunehmend gegen Recht verstoßen wird und Ausnahmen vom Recht gemacht werden? Können Sie mir bitte einige Beispiele nennen, wo, abweichend von geltenden EU Recht, auch für Deutschland "Ausnahmen" und Zugeständnisse gemacht wurden?
4. Verstehen Sie nur ansatzweise meine wachsende Verachtung für die, mir persönlich so vorkommenden, selbstgefälligen politischen Eliten?
Mit freundlichem Gruß
Heike Rogall
Bauer
Sehr geehrte Frau Rogall,
Ihre Fragen beantworte ich wie folgt:
Zu 1 und 2:
Einschätzungen wann jemand besserverdienend ist, enthalten immer auch eine subjektive Komponente. Eine grobe Orientierung bieten die aktuellen Grenzen für die "Reichenbesteuerung" (Spitzensteuersatz 45% ab 125.000 Euro/Jahr bei Ledigen). Hierbei handelt es sich m. E. unstrittig um Besserverdienende. Was die Forderung nach einer höheren Besteuerung betrifft, wird die SPD in den nächsten Wochen und Monaten eine solche im Rahmen Ihres Steuerkonzeptes für die Bundestagswahl 2017 erörtern. Gegenwärtig steht nicht einmal definitiv fest, ob es überhaupt zu einer Steuererhöhung für "Besserverdienende" kommen wird. Sollte eine solche erfolgen, wird auch die Grenze festgelegt, ab der die Erhöhung dann gelten wird.
Ich persönlich würde eine Mehrbelastung "Besserverdienender" im Grundsatz befürworten. Ihr Argument, dass die Reichen ohnehin die Hauptlast bei der Steuer tragen, verfängt dabei nicht. In den vergangenen Jahren/Jahrzehnten sind die Steuersätze für Einkommen/Lohn und auch Unternehmen in Deutschland und anderen Industrieländern (OECD-global) wettbewerbsbedingt gesunken, die Einkommen/Vermögen der Gutverdienenden/Reichen aber haben überproportional zugenommen. Demzufolge ist auch deren Anteil am Steueraufkommen gestiegen. Der Anteil am Steueraufkommen ist nur eine relative Größe, die Einkommens-/Vermögensentwicklung begüterter Bürger spricht eine klare Sprache, nämlich dass dort eine steuerliche Mehrbelastung verkraftbar sein wird.
Es gibt gegenwärtig Stimmen in meiner Partei bestimmte Gruppen (z. B. Facharbeiter) steuerlich zu entlasten - z.B. ob der Spitzensteuersatz später als bisher greifen soll. Steuerentlastungen sind populär kosten aber mitunter viel Geld, da sie alle Steuerpflichtigen begünstigen - auch die, die es nicht nötig haben (unvermeidbare Mitnahmeeffekte). Eine gezielte Förderung finanzschwächerer Haushalte durch Steuersenkungen ist daher nicht möglich, dieses geht eher durch Entlastungen bei (Sozial-)Beiträgen/Gebühren. Angesichts des weiterhin bestehenden Investitionsstaus (Schule/Bildung, Straßen etc.) halte ich es für notwendig darüber nachzudenken, Steuerausfälle durch etwaige Entlastungen, an anderer Stelle durch Erhöhungen -zumindest teilweise - gegen zu finanzieren. Ob die möglichen Steuererhöhungen dann Politiker, Selbständige etc. treffen werden, hängt von der konkreten Ausgestaltung ab, ist aber gut möglich.
Zu 3:
Auch Deutschland war mal Defizitsünder und hat keine Strafen gezahlt. Der EU-Rat (EU-Finanzminister) ist am 8. August 2016 übereingekommen, gegen Portugal und Spanien, die versäumt haben, wirksame Maßnahmen zur Korrektur ihrer übermäßigen Defizite zu treffen, keine Geldbußen zu verhängen. Er hat aber das Defizitverfahren gegen beide Länder verschärft, indem er neue Fristen für die Korrektur festgelegt und sie aufgefordert hat, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.
Am 12. Juli 2016 hatte der Rat festgestellt, dass beide Länder keine wirksamen Maßnahmen getroffen haben, um ihr staatliches Defizit unter 3 % des BIP - den EU-Referenzwert - zu senken. Mit den Beschlüssen des Rates wurden Sanktionen im Rahmen des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit auf Grundlage des Artikels 126 Absatz 8 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ausgelöst. Dabei können Geldbußen in Höhe von bis zu 0,2 % des BIP verhängt werden; nach Eingang begründeter Anträge von Portugal und Spanien hat die Kommission jedoch am 27. Juli 2016 vorgeschlagen, von Geldbußen abzusehen. Der Rat hat am 8. August beschlossen, dem Vorschlag der Kommission Folge zu leisten.
Gemäß den Haushaltsvorschriften der EU muss die Kommission zusätzlich eine vollständige oder teilweise Aussetzung der Mittelbindungen bzw. Zahlungen aus den Struktur- und Investitionsfonds der EU für 2017 vorschlagen. Die Kommission hat jedoch beschlossen, diesen Vorschlag erst später - nach einem strukturierten Dialog mit dem Europäischen Parlament - vorzulegen. Die neuen Fristen, die der Rat festgelegt hat, sind auf Artikel 126 Absatz 9 AEUV gestützt. Portugal muss nun sein Defizit bis 2016 korrigieren, und Spanien bis spätestens 2018. Beide Länder müssen bis zum 15. Oktober 2016 wirksame Maßnahmen ergreifen und spätestens an diesem Tag einen Bericht vorlegen.
Fazit:
Ob Spanien oder Portugal Strafen zahlen müssen hängt davon ab, ob die Länder jetzt schnell wirksame Maßnahmen gegen ihre Defizite ergreifen. Ein jetziger Verzicht auf die Strafzahlungen zum gegenwärtigen Zeitpunkt heißt nicht, dass diese endgültig vom Tisch sind. Den Defizitsündern wird aber eine Frist eingeräumt, um ihre Haushaltsprobleme zu beheben. Ein solches Vorgehen ist für mich akzeptabel, eine Chance auf Besserung sollte jeder haben.
Zu 4:
Anmerkungen dieser Art kommentiere ich nicht.
Mit freundlichen Grüßen
Ingrid Arndt-Brauer, MdB
Vorsitzende des Finanzausschuss