Frage an Ingrid Arndt-Brauer von Heike R. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Arndt-Brauner,
die Politik ruft massiv zur privaten Altersvorsorge auf, dazu habe ich Fragen.
1. Weshalb müssen Beamte sich keine Sorgen um ihre Alterbezüge machen? Der Staat hat doch auch eine Obhutspflicht für die Bürger, die keine Pensionäre, also Rentner, sind, oder?
2. Egal wie man seine private Vorsorge, in Vertrauen (!!!) auf die Politik, organisiert hat, die gleichen Politiker (meist gut versorgte Beamte, oder Politiker mit üppigsten Versorgungsansprüchen), die ständig zur Vorsorge anmahnen, haben mit ihren Entscheidungen dafür gesorgt, dass es keine Zinsen und damit Erträge mehr gibt. Noch mehr sparen kann ich aber nicht, wovon auch?
Haben Sie einen wirklich praktikablen Rat, wie ich noch effektiv vorsorgen kann, wo die Politiker doch völlig unverläßlich sind?
3. Weshalb kann man Politiker für ihre katastrophalen Fehlentscheidungen, die die künftigen Rentnergenerationen hart treffen werden, nicht rechtlich zur Verantwortung ziehen? Ist überhaupt jemand verantwortlich, oder alles nur zufällig "höhere Gewalt"?
4. Könnten Sie sich ansatzweise vorstellen, dass derart Politik zur Wählerverdossenheit oder Radikalisierung führt und überhaupt erst dadurch Gruppen wie die AfD Zulauf bekommen?
Heike Rogall
Sehr geehrte Frau Rogall,
Ihre Fragen zur Rente bewegen viele Menschen. Ich will gerne auf darauf eingehen:
Beamte stehen in einem ganz besonderen Loyalitätsverhältnis zum Staat (z. B. kein Streikrecht). Der Staat ist Dienstherr seiner Beamten und hat demzufolge unmittelbar Sorge dafür zu tragen, dass diese eine angemessene Altersversorgung erhalten. Gegenüber den Rentnerinnen und Rentnern besteht kein staatliches Dienstverhältnis. Trotzdem sehe ich den Staat in der Verpflichtung, die Rentenpolitik bestmöglich zu gestalten, damit Nicht-Beamte ebenso eine auskömmliche Alterssicherung bekommen. Diese Aufgabe nimmt der Staat auch wahr.
Durch die tiefgreifenden Veränderungen der Alterszusammensetzung unser Gesellschaft sind Gewährleistung und Sicherung der Renten für gesetzlich Versicherte zunehmend schwieriger geworden. Ohne eine Absenkung des Rentenniveaus - das auch Beamte und Politiker betraf - würden die Beitragssätze unvertretbar stark ansteigen.
Dass jetzt die Zinsen so niedrig sind, beruht nicht auf Entscheidungen der Politik. Die Geldpolitik ist Angelegenheit der unabhängig handelnden europäischen Zentralbank (EZB). Was Politik in Deutschland tun kann, ist die Schaffung von geeigneten Rahmenbedingungen für höhere Zinsen und demzufolge besseren Möglichkeiten für eine kapitalgedeckte Zusatz-Altersvorsorge. In Deutschland sind wir auf dem richtigen Weg, die prozentuale Staatsverschuldung sinkt, die Wirtschaft ist stabil.
Viele Staaten im Euroraum aber sind hochverschuldet und haben mit strukturellen wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen. Erst wenn dort Reformen für mehr Effizienz und Wirtschaftswachstum erfolgreich durchgeführt wurden, besteht die Aussicht, dass die Niedrigzinsphase zu Ende gehen könnte. Deutschland allein jedenfalls kann die gegenwärtig unbefriedigende Situation für die private Altersvorsorge nicht überwinden. Ich kann Ihnen leider auch keine Ratschläge für ihre persönliche Altersvorsorge geben, zumal unklar ist, wie sich das Zinsniveau in den nächsten Jahren entwickeln wird. Experten gehen von einem Anstieg der Zinsen in den nächsten Jahren aus.
EU-Kommission und Mitgliedsstaaten haben eine bessere Koordinierung und Überwachung der Wirtschafts- und Finanzpolitik in den EU-Mitgliedsstaaten beschlossen, um Fehlentwicklungen wie in der Vergangenheit zu verhindern. Zudem wurden und werden immer noch umfassende Maßnahmen zur Regulierung von Banken und Finanzmärkten beschlossen, damit es nicht mehr zu einer Finanzkrise solchen Ausmaßes kommen kann. Für eine Beteiligung an den Folgekosten der Finanzkrise setzen sich die SPD-Fraktion und ich uns weiter ein (Stichwort: Finanztransaktionssteuer).
Ich kann keine `katastrophalen´ Fehlentscheidungen der Politik in Sachen Rente erkennen. Demographischer Wandel und wirtschaftliche Rahmenbedingungen - in der EU und weltweit - hängen von sehr vielen Einflussfaktoren ab. Diese lassen sich - wenn überhaupt - nur mittelbar und auf lange Sicht durch unsere (nationale) Politik in Deutschland beeinflussen. Globalisierung erfordert Ausdauer und eine intensive internationale Zusammenarbeit mit den Regierungen und Staaten weltweit. Einfache Lösungen für unsere nationalen Probleme gibt es nicht. Das werden diejenigen Protestwähler, die mit der AfD sympathisieren oder liebäugeln, sehr schnell merken.
Mit freundlichen Grüßen
gez. Ingrid Arndt-Brauer