Frage an Ingrid Arndt-Brauer von Marco S. bezüglich Finanzen
Schuldenbremse
Eine populäre Begründung für die Aufnahme der S. In das GG war und ist die Verantwortung gegenüber den folgenden Generationen, die die derzeitigen Schulden später tilgen müssen. Die Zunahme dieser Schulden wird für die Zukunft problematisiert.
Die jetzige Generation zahlt doch auch die Schulden der vorherigen zurück. Nach Aussagen aus Regierungskreisen geht es Deutschland jedoch gut bis so gut wie noch nie.
1.) Wie kann das sein, wenn es ein generationsbedingtes Schuldenproblem gibt?
Woher stammt die Gewissheit, dass folgende Generationen die Schulden nicht mehr zurückzahlen können?
2.) Ist der aktuell aufgelaufene Investitionsstau in der Infrastruktur eine folge der S.?
Wäre es ratsam die S. erst einmal zu evaluieren, bevor, mit der Übertragung der Zuständigkeit für die Infrastruktur auf Banken- und Versicherungskonzerne, weitere GG-änderungen auf die S. Aufbauen? ( http://norberthaering.de/index.php/de/newsblog2/27-german/news/257-autobahnraub#1-weiterlesen)
3. Worin liegt der Vorteil für folgende Generationen, wenn Infrastrukturmaßnahmen privat finanziert werden? Den theoretisch günstigeren Produktionskosten stehen einerseits Erfahrungen der Praxis entgegen ( http://www.bppp.de/media/file/518.140604_Bericht_Bundesrechnungshof_zu_Oepp_im_Fernstrassenbau.pdf
) zumal Banken und Versicherungen selber keine Straßen bauen,
andererseits die Kapitalkosten zwangsläufig höher sind, da Renditeerwartungen der Konzerne höher liegen als die Zinsen, die der Staat für Kredite zahlen müsste (ca. 0,5%).
Am Beispiel der Atomkraftwerke, für deren Folgekosten der Staat aufkommen muss, ist doch ersichtlich worin tatsächlich die Probleme der Folgegenerationen bestehen. Sollten sich für o.g. Konzerne bessere Renditemöglichkeiten ergeben werden diese auch aus der Infrastruktur aussteigen. Für die Folgen müssen dann unsere Kinder/ Enkel aufkommen.
4.) Inwieweit ist das verantwortungsvoller als eine z.Zt. günstigere Staatsverschuldung?
Sehr geehrter Herr Schmidt,
Ihre Fragen zur Schuldenbremse beantworte ich gerne wie folgt:
Zu 1):
Aufgrund unser aktuell guten wirtschaftlichen Situation und der niedrigen Zinsen kann die jetzige Generation die Zinslasten der Schulden der Vorgängerregierungen vergleichsweise gut bewältigen. Ob die nachfolgenden Generationen die Schulden zurückzahlen, also neben den Zinsen auch in der Lage sein werden diese zu tilgen, kann niemand vorhersagen. In jedem Fall wird die Tilgung der Schuldenlast (Bund, Länder, Kommunen) in Höhe von ca. 2,15 Billionen Euro (2014) einen langen Zeitraum erfordern. Sicher ist aber, dass eine Fortsetzung der Verschuldungspraxis der vergangenen Jahrzehnte dazu führen würde, dass irgendwann die Zinslast so hoch wird, dass nachfolgende Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht mehr angemessen befriedigen können (Stichwort: Schuldentragfähigkeit). Es ist dann einfach zu wenig oder gar kein Geld für Investitionen und Soziales vorhanden. Deshalb wurde die Schuldenbremse in das Grundgesetz aufgenommen.
Zu 2):
Die Schuldenbremse greift erst 2016 im Bund und 2020 in den Ländern. Der oft in mehreren Jahrzehnten entstandene Investitionsstau ist daher keine Folge der Schuldenbremse. Die Schuldenbremse erlaubt dem Bund auch nach 2016 eine konjunkturabhängige Neuverschuldung. In Jahren mit durchschnittlicher Wirtschaftsentwicklung liegt die nicht wieder rückzuführende Verschuldung bei 0,35% vom BIP (z.Zt. ca. 7,5 Mrd. €). Es gibt und gab in der SPD immer Stimmen - ich gehöre ebenfalls zu diesen - die angesichts der günstigen Refinanzierungsquote des Staates (fast "Nullzins") den vorhanden Spielraum gerne für dringend notwendige Infrastrukturinvestitionen (Straßen, Schulen etc.) genutzt hätten. Unser Koalitionspartner CDU/CSU und Finanzminister Schäuble haben jedoch strikt auf der "schwarzen Null" bestanden.
Zu 3):
Die Idee einer ÖPP-Finanzierung beinhaltet grundsätzlich die Gewinnung signifikant größerer Kapitalmengen ohne unmittelbar den Bundeshaushalt zu belasten. Das Konzept für die mögliche private Finanzierung von Infrastrukturmaßnahmen liegt allerdings noch nicht vor. Frühestens im April werden nähere Details bekannt. Dann wird sich auch zeigen wo konkrete Vorteile liegen werden. Ich nehme an, dass die von Ihnen aufgeworfenen Fragen der Renditeerwartungen und Verpflichtungen privater Investoren bei der Erstellung des Konzeptes im federführenden Wirtschaftsministerium eine sehr wichtige Rolle spielen werden. Mir ist nicht bekannt, dass der Staat die Betreiber der Atomkraftwerke aus ihrer Verantwortung für den Rückbau der Anlagen und die Entsorgung der radioaktiven Abfälle entlassen will. Ein Hinweis noch: Der gegenwärtige Niedrigzins für den Staat lässt sich nicht ohne weiteres in die Zukunft projizieren.
Zu 4):
Ob ein Konzept oder Vorgehen verantwortungsvoll ist oder nicht kann nicht pauschal beantwortet werden und bedarf einer genauen Prüfung eines konkreten Konzeptes. Die Erfahrungen mit den verfassungsrechtlichen Verschuldungsregeln in der Vergangenheit (Neuverschuldung in Höhe der Investitionsquote) haben leider gezeigt, dass die Schuldenstände immer weiter anwuchsen und kein spürbarer Einstieg in die Tilgung der Altschulden möglich war, bzw. eine solche gänzlich unterblieb. Daher halte ich es für legitim alternative Finanzierungsmodelle zu prüfen, welche den Handlungsspielraum des Staates für zukünftige Aufgaben nicht erheblich beschneiden und trotzdem die benötigten Gelder für Infrastruktur generieren. Mitunter kann ein ÖPP-Modell auch für die Bürgerinnen und Bürger Vorteile haben: Banken, Versicherungen und andere institutionelle Anleger versuchen derzeit händeringend das Geld ihrer Kunden in der gegenwärtigen Niedrigstzinsphase gewinnbringend anzulegen. Mögliche Vorteile für Finanzmärkte und Verbraucher sind ebenfalls erst nach Vorlage eines belastbaren Konzeptes zu beurteilen.
Mit freundlichen Grüßen
gez. Ingrid Arndt-Brauer