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Ingrid Arndt-Brauer
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Frage von Bernd F. •

Frage an Ingrid Arndt-Brauer von Bernd F. bezüglich Finanzen

Hallo Frau Arndt-Brauer,

die SPD will Politik "für" die Menschen machen. Nun soll durch eine gesetzliche Änderung meine Beteiligung an Bewertungs­reserven bei der Lebensversicherung zusammengestrichen werden.Werden Sie sich dafür einsetzen, dass dieses Gesetzesvorhaben nicht verabschiedet wird?

Viele Grüße aus dem Münsterland
Bernd Franke

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Franke,

vielen Dank für Ihr Schreiben vom 6.6. mit dem Sie mich bitten Ihnen mitzuteilen, ob ich das Lebensversicherungsreformgesetz (LVRG) aufgrund der dort geplanten Maßnahmen zur Verringerung Ihrer Beteiligung an den Bewertungsreserven abzulehnen. Die öffentliche Diskussion konzentriert sich vornehmlich auf die Bewertungsreserven, wobei diese noch nicht einmal differenziert betrachtet werden. Ich möchte mein Antwortschreiben daher nutzen, um eine sachgerechte, weniger emotionale Auseinandersetzung mit dem Thema zu ermöglichen.

Zum Verfahren: Gegenwärtig befindet sich das LVRG im Entwurfsstadium. Die Einbringung in den Bundestag erfolgt am 24.06.2014 (1. Lesung). Die nachfolgenden parlamentarischen Beratungen, 1. Durchgang im Finanzausschuss, Anhörung und Abschlussberatung im Finanzausschuss, in den Facharbeitsgruppen und den Fraktionen erfolgen in der darauffolgenden Woche. Die Schlussabstimmung im Bundestag (2./3. Les.) ist für den 4.7. vorgesehen.

Die SPD wird sich dafür einsetzen, für die unstrittig vorhandenen Probleme des Modells „Lebensversicherung“ durch die anhaltende und sich mit sehr großer Wahrscheinlichkeit auch weiter fortsetzende Niedrigzinsphase (kürzlich Leitzinssenkung der EZB auf 0,15%!!!) eine so „versicherungsnehmerfreundliche“ Lösung wie möglich zu finden. Mein Abstimmungsverhalten werde ich davon abhängig machen, ob dieses Vorhaben gelingt.

Es sollte jedoch klar sein, dass letztendlich allen Beteiligten - auch Kunden, deren Verträge zeitnah oder zeitnäher zur Auszahlung kommen, ein Beitrag abverlangt werden muss. Es gilt auch die Gerechtigkeit zwischen den Versicherungsnehmergruppen, d.h. den baldigen und den kommenden, zu gewährleisten.

Zum Hintergrund und zur gegenwärtigen inhaltlichen Ausrichtung des LVRG kann ich Ihnen folgendes mitteilen:
Die Lebensversicherung hat sich im Grundsatz als ein Instrument zur Altersvorsorge über viele Jahrzehnte bewährt. Wir wollen, dass dies auch in Zukunft so bleibt. Es gab Ende 2012 in Deutschland etwa 88 Millionen Lebensversicherungsverträge, die oft Laufzeiten von 20 und mehr Jahren haben. Ziel des jetzt von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurfes ist es, dass alle Versicherungsnehmer die ihnen zugesagten Leistungen aus Lebensversicherungsverträgen verlässlich erhalten.

Hierfür ist es unumgänglich, die Vorschriften zur Beteiligung an den Bewertungsreserven anzupassen. Das Augenmerk liegt dabei auf den Bewertungsreserven aus älteren festverzinslichen Wertpapieren, bei denen noch einige Jahre lang hohe Zinszahlungen fällig werden. Die Beteiligung an den Bewertungsreserven lässt sich dadurch veranschaulichen, dass den Versicherten bei Vertragsbeendigung ein Teil der künftigen Zinszahlungen mitgegeben wird. Nach den seit 2008 geltenden Vorschriften wird Versicherten, deren Vertrag in Kürze abläuft, gegenwärtig ein besonders hoher Teil der künftigen Zinszahlungen mitgegeben. Dies liegt daran, dass die Bewertungsreserven wegen des Niedrigzinsumfelds stark gestiegen sind. Im Ergebnis steht damit ein hoher Teil der künftigen Zinszahlungen nicht mehr der großen Mehrheit derjenigen Versicherten zur Verfügung, deren Vertrag erst später ausläuft. Es ist ein Gebot der Gerechtigkeit, zumindest für mich als Sozialdemokratin, diesen unsachgemäßen Effekt in der Beteiligung an den Bewertungsreserven zu begrenzen.

Der Gesetzentwurf sieht deshalb vor, dass Bewertungsreserven, die für die Sicherstellung des Garantiezinses für alle Versicherten benötigt werden, in der Versichertengemeinschaft verbleiben. Dies gilt ausdrücklich nur für Bewertungsreserven aus festverzinslichen Wertpapieren, weil diese - über die Laufzeit des Wertpapieres betrachtet - immer nur vorübergehenden Charakter haben. Die Regeln zur Beteiligung der zeitnah/-näher ausscheidenden Versicherten an Bewertungsreserven aus Aktien und Immobilien wird nicht verändert!

Die Neuregelung zu den Bewertungsreserven ist eingebettet in ein Maßnahmenpaket, bei dem Versicherungsunternehmen, Anteilseignern (Aktionären) und Versicherungsvertrieb ein angemessener Beitrag abverlangt werden soll.

Der Gesetzentwurf sieht hierzu insbesondere vor:
• Die Lebensversicherungsunternehmen müssen ihre Kunden stärker als bisher am Risikoüberschuss beteiligen. „Risikoüberschüsse“ entstehen im Wesentlichen aus einer vorsichtigen Kalkulation der Sterblichkeit der Versicherten.
• Die Unternehmen und ihre Manager müssen sich noch intensiver mit ihrer Risikosituation auseinander setzen. Die Aufsicht (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) erhält erweiterte Eingriffsbefugnisse gegenüber den Unternehmen. Ziel dieser Maßnahmen ist eine hohe Verlässlichkeit der künftigen Auszahlungen der Lebensversicherer an ihre Kunden.
• Die Aktionäre der Unternehmen erhalten keine oder geringere Dividenden, wenn Maßnahmen zur Sicherung der den Kunden garantierten Leistungen zu ergreifen sind.
• Die Unternehmen werden zu mehr Kostentransparenz verpflichtet und zu Kostensenkungen angehalten - vor allem im Vertrieb.

Der Gesetzentwurf sieht ferner vor, dass ausschließlich für Neuverträge ab dem 1. Januar 2015 der Garantiezins auf 1,25 % abgesenkt wird. Wie in den vergangenen Jahrzehnten muss der Garantiezins auch in Zukunft das allgemeine Zinsniveau berücksichtigen. Würde der Garantiezins zu hoch angesetzt, müssten die Versicherer einen zu großen Anteil der Kundengelder zur Absicherung der Garantie einsetzen, was im Ergebnis sogar zu einer geringeren Ausschüttung an die Kunden führen könnte.

Ich habe den Eindruck, dass es sich bei dem jetzt vorgelegten Gesetzentwurf im Kern um ein ausgewogenes Maßnahmenpaket handelt, mit dem die vertraglich garantierten Leistungen der Lebensversicherer an ihre Kunden auch mittel- bis langfristig stabil erfüllt werden könnten. Es steht im Einklang mit entsprechenden Empfehlungen, die der Internationale Währungsfonds noch im Mai 2014 an Deutschland ausgesprochen hat und greift zudem die grundlegende Analyse der Deutschen Bundesbank in ihrem Finanzmarktstabilitätsbericht 2013 auf.

Insgesamt gilt es das Vorsorgemodell „Lebensversicherung“ zu erhalten. Ohne gesetzliches Handeln würde lt. einer Studie der Bundesbank ca. 1/3 der Versicherer im Verlauf der nächsten Jahre ihren Kunden die versprochenen Leistungen nicht mehr auszahlen können. Ich halte daher es daher für notwendig, dass der Gesetzgeber hier präventiv handelt.

Mit freundlichen Grüßen
gez. Ingrid Arndt-Brauer