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Ingrid Arndt-Brauer
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Frage von Edgar H. •

Frage an Ingrid Arndt-Brauer von Edgar H. bezüglich Finanzen

Sehr geehrte Frau Arendt-Brauer!

Laut Presse soll das Gesetz für Lebensversicherungen dahingehend geändert werden, dass die Versicherten schnellst möglich weniger von den Reserven erhalten. ( angeblich bis fast 40 Milliarden € mehr für die Versicherungen)

Als Begründung wird die schwierige Lage der Versicherungen angeführt. Die schwierige Lager der Versicherten die Jahrzehnte lang einbezahlt haben und diese für Ihre Rente brauchen wird nicht erwähnt.

In der Finical Times Deutschland erschien am 14.11.2012 ein Artikel " Branche hält sich für gesund" in dem der Verband der Versicherungen darstellt, dass keine Problem vorhanden sind (siehe http://www.ftd.de/unternehmen/versicherungen/:lebensversicherung-branche-haelt-sich-fuer-gesund/70117818.html )
Wie kommen die irreführenden Äußerungen zur schlechten Lage der Versicherungen zustande, obwohl die Versicherungen schon über die hohen Gebühren für die Riesterrente viel verdienen?

Wie stehen Sie dazu?

Warum wurde ein für Viele so wichtiges Gesetz im Schnellverfahren beschlossen?
Laut meinen Informationen ist der Bundestag nur beschlußfähig wenn 50% der Abgeordneten anwesend sind. Wieviel % der Abgeordneten waren bei der Abstimmung über das Gesezt im Bundestag anwesend?

Wie beabsichtigt die SPD dieses Gesetz im Bundesrat zu verhindern?

MfG Edgar Herrmann

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Herrmann,

vielen Dank für Ihr Schreiben, in dem Sie sich zu den Änderungen des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) kritisch äußern, die CDU/CSU und FDP im Interesse der Lebensversicherer jüngst vornahmen.

Das Bundeskabinett beschloss am 15. Februar 2012 den Entwurf eines Zehnten VAG-Änderungsgesetzes (BT-Drs. 17/9342), mit dem die europäischen Vorgaben zur Verringerung der Insolvenzrisiken von Versicherungsunternehmen (Europäische Richtlinie „Solvabilität II“) in deutsches Recht umgesetzt werden sollen. Allerdings verzögert sich die Beratung dieses Gesetzentwurfs im Deutschen Bundestag aufgrund fortgesetzter europäischer Abstimmungen.

Einige der geplanten Rechtsänderungen sollten nach dem Willen der Bundesregierung bereits 2012 in Kraft treten. Dies betrifft insbesondere die Umsetzung des sogenannten „Unisex-Urteils“ des Europäischen Gerichtshofs zur Gleichbehandlung von Frauen und Männern im Versicherungsbereich und die fraglichen Maßnahmen zur Verbesserung der Risikotragfähigkeit der deutschen Lebensversicherungsunternehmen.

Um das Gesetzgebungsverfahren hinsichtlich dieser Bestimmungen zu beschleunigen, übernahmen die Koalitionsfraktionen sie kurzfristig in ein sachfremdes, aber unumstrittenes Vorhaben, das der Finanzausschuss aktuell beriet. Hierbei handelt es sich um den Gesetzentwurf des deutschen Begleitgesetzes zum Euro-Zahlungsverkehrsraum (SEPA-Begleitgesetz, BT-Drs. 17/10038), der am 8. November 2012 von der schwarz-gelben Mehrheit im Deutschen Bundestag beschlossen wurde.

Die Abgeordneten der SPD-Bundestagsfraktion haben diesem Gesetz nicht zugestimmt, obwohl wir die Verwirklichung eines einheitlichen Euro-Zahlungsverkehrsraums unterstützen. Denn die problematischen Neuregelungen im Bereich der Lebensversicherung wirken sich für die Verbraucherinnen und Verbraucher wie folgt aus:

Laut Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Juli 2005 sind die Versicherungsnehmer an den durch ihre Prämienzahlungen geschaffenen Vermögenswerten angemessen zu beteiligen. Hierzu gehören unter anderem die Bewertungsreserven aus der Differenz zwischen dem Markt- und dem Buchwert der Kapitalanlagen. Bisher ist deshalb bei Vertragsende an die Kunden die Hälfte der ihnen zugeordneten Bewertungsreserven auszuzahlen.

Für Bewertungsreserven auf Aktien und Immobilien gilt das auch weiterhin. Eingeschränkt wird künftig aber die Beteiligung der ausscheidenden Versicherungsnehmer an den Bewertungsreserven aus festverzinslichen Papieren, die in der Praxis den Großteil der Kapitalanlagen der Versicherer ausmachen. Nunmehr ist rechnerisch zunächst zu prüfen, ob und gegebenenfalls inwieweit ein Versicherungsunternehmen diese Reserven zur Sicherstellung der dauernden Erfüllbarkeit der Verpflichtungen aus den verbleibenden Versicherungsverträgen benötigt. In dem Umfang, in dem dies in Niedrigzinsphasen – wie derzeit – der Fall ist, entfällt eine Auszahlung und die Bewertungsreserven verbleiben im Unternehmen zugunsten der Versichertengemeinschaft. Nach Meinung der Bundesregierung wird dadurch ein fairer Interessenausgleich zwischen den ausscheidenden und den verbleibenden Kunden erreicht.

Mit der Einführung des europäischen Binnenmarktes für Versicherungen erfolgte in Deutschland eine Trennung zwischen den Bestandsversicherungen, die bis Mitte 1994 abgeschlossen wurden, und den nachfolgenden neuen Versicherungsverträgen. Die damals vorhandenen Rückstellungen für Beitragsrückerstattungen (RfB) wurden vollumfänglich dem Altbestand zugeordnet und haben sich – im Vergleich zu den RfB des Neubestands – überproportional gut entwickelt. Die Funktion der RfB, die Überschussbeteiligung für die Kunden zu stabilisieren und der Garantiezusagen der Versicherer zu sichern, beschränkt sich damit auf die jeweiligen Teilbestände.

Aus Mitteln des Altbestands und künftig anfallenden Überschüssen müssen die Unter-nehmen nunmehr einen dritten kollektiven RfB-Teil bilden, der die Risikotragfähigkeit des gesamten Versicherungsbestands – unabhängig vom Zeitpunkt des Vertragsabschlusses – sichern soll. Durch diese Teilkollektivierung der RfB soll einer Ungleichbehandlung der Versicherungsnehmer entgegengewirkt werden. Tendenziell verringert dies die Überschussbeteiligungen der Versicherten mit Altverträgen vor 1994.

Die Mitglieder der SPD-Bundestagsfraktion übten deutliche Kritik an diesen Bestimmungen. Grundsätzlich ist es Aufgabe der Versicherungsunternehmen, die langfristige Lebensversicherungsverträge anbieten, ihre garantierten Zinszusagen umsichtig zu kalkulieren und durch adäquate Vermögensanlagen abzusichern. Übliche Konjunkturzyklen mit schwankenden Zinsniveaus sind dabei zu berücksichtigen.

Unstreitig stellt das aktuelle Niedrigzinsumfeld die deutschen Versicherer vor eine wachsende Herausforderung. Nicht nachvollziehbar ist aber, warum die von CDU/CSU und FDP an-gestrebte Stabilisierung der deutschen Lebensversicherungsunternehmen ausschließlich über Vermögensumschichtungen zwischen den verschiedenen Versichertengruppen erfolgt. Das Interesse der Versicherungskunden, die ihr Vermögen im Vertrauen auf die Sicherheit und Rentabilität in Lebensversicherungen angelegt haben, wird damit nicht hinreichend berücksichtigt.

Sowohl die Neuregelung der Beteiligung an den Bewertungsreserven als auch die Teilkollektivierung der RfB belasten einseitig die Versicherungsnehmer. Eine Kompensation hierfür wurde von der Bundesregierung offenbar weder angedacht noch geprüft. Denkbar wäre es etwa, die Versicherten stärker an den kapitalmarktunabhängigen Gewinnen wie den Kosten- und Risikoüberschüssen zu beteiligen. Wenn sich die Versicherungsnehmer mit einer geringeren Beteiligung an den Vermögenswerten begnügen sollen, die mit ihren Beiträgen geschaffen wurden, müssen nach Ansicht der SPD zumindest auch die Unternehmen selbst einen Beitrag zur langfristigen Finanzierbarkeit der Versicherungsverträge leisten.

Während der Beratungen im Deutschen Bundestag bestritt die Bundesregierung, dass Lebensversicherungen, die kurz nach Inkrafttreten der Neuregelungen ausgezahlt werden, durch den Wegfall von Bewertungsreserven deutlich verringert werden. Diese Einschätzung teilten wir nicht und sahen uns in den letzten Wochen durch Schreiben betroffener Versicherungsnehmer nachdrücklich bestätigt. Selbst Bürgerinnen und Bürger, deren Lebensversicherungen erst in einigen Jahren fällig werden, sorgen sich wegen der möglichen Reduzierung ihrer Ansprüche, die durch abnehmende Überschussbeteiligungen ohnehin bereits sinken. Nachdem auch die Medien äußerst kritisch über die VAG-Änderungen berichteten, forderte schließlich sogar der CDU-Parteitag Anfang Dezember 2012 die eigene Bundesregierung und die CDU-Bundestagsfraktion auf, die Kürzung der Beteiligung der Versicherten an den Bewertungsreserven der Lebensversicherer rückgängig zu machen (Beschluss C 89).

Erst angesichts dieser breiten Ablehnung veranlasste die Bundesregierung endlich die Folgenabschätzung, die sie der Opposition zuvor verweigert hatte. Die Überprüfung, die das Bundesfinanzministerium in Zusammenarbeit dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) vornahm, betätigte im Ergebnis, dass Auszahlungskürzungen über zehn Prozent möglich sind. Proberechnungen bei ausgewählten Unternehmen ergaben Abschläge in einer Bandbreite von 2,5 bis 11 Prozent.

In der Sitzung des Finanzausschusses am 12. Dezember 2012 erklärten Bundesregierung und Koalitionsfraktionen daraufhin, derart große Einschnitte für einzelne Versicherte seien nicht beabsichtigt gewesen. Das Bundesfinanzministerium kündigte an, die Abschläge – bezogen auf das jeweilige Unternehmen – per Rechtsverordnung auf durchschnittlich fünf Prozent der auszuzahlenden Versicherungsleistungen zu deckeln. Mit dieser Regelung sollen die Kürzungen für den einzelnen Versicherungsnehmer auf unter zehn Prozent begrenzt und somit „Härten“ vermieden werden. Die BaFin sagte zu, bei Bedarf im Wege der Mißstandsaufsicht tätig zu werden, und kündigte außerdem an, die Umsetzung der Neure-gelungen durch die Versicherer zu kontrollieren.

Die Erkenntnis, dass sich Bundesregierung und Koalitionsfraktionen der Konsequenzen ihrer Gesetzgebung für die Bürgerinnen und Bürger nicht bewusst waren, ist erschreckend. Doch mit diesem Eingeständnis von CDU/CSU und FDP sind die grundsätzlichen Einwände der SPD-Bundestagsfraktion nicht erledigt. Höchst bedenklich ist außerdem, dass die Regierung – und nicht der Gesetzgeber selbst – gerade beschlossene Rechtsänderungen noch vor ihrem Inkrafttreten korrigiert. Wir haben deshalb im Finanzausschuss gefordert, das Versicherungsaufsichtsgesetz im Frühjahr 2013 erneut auf den Prüfstand zu stellen und nach sorgfältiger Folgenabwägung notwendige Änderungen nachzuholen.

Im Bundesrat ist das Vorhaben nicht zustimmungspflichtig, kann aber zumindest verzögert werden. Auf Antrag der SPD-regierten Länder Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Rheinland-Pfalz rief der Bundesrat am 14. Dezember 2012 den Vermittlungsausschuss zum SEPA-Begleitgesetz an. Damit konnten die Änderungen des VAG nicht wie geplant am 21. Dezember 2012 in Kraft treten. Die Vertreter der SPD werden sich in den anstehenden Verhandlungen für die berechtigten Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher einsetzen.

Mit freundlichen Grüßen
Ingrid Arndt-Brauer