Frage an Ingrid Arndt-Brauer von Juergen V. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Arndt-Brauer,
die Diskussion um Nebentätigkeiten von Abgeordneten und eine mögliche Beeinflußung der Gesetzgebung durch Lobbyinteressen ist aktueller denn je.
Ihr Kollege Spahn (CDU) sieht keine Interessenskonflikte seiner Beteiligung an der Lobbyfirma Politas (Bericht Focus, Ende Nov.)
Hierzu habe ich einige Fragen an Sie.
Es werden u.a. durch diese Firma folgende Leistungen angeboten:
Public-Affairs-Consulting kann kurzfristige Ziele – etwa die Beeinflussung eines bestimmten Gesetz- gebungsverfahrens – haben oder Teil einer langfristigen Strategie sein.
Wir identifizieren mit Ihnen politische Ziele und prüfen, ob Public-Affairs-Consulting für Ihr Unternehmen oder Ihre Organisation sinnvoll sein kann.
Oder: Mit einem politischen Monitoring helfen wir Ihnen, relevante Gesetzgebungsverfahren zu identifizieren, noch bevor sie ins Parlament kommen. (Quelle: Internetseite Politas)
Steht ein Abgeordneter der an einer solchen Firma beteiligt ist und diese Leistungen als Abgeordneter der Regierungskoalition im Gesetzgebungsverfahreneine anbietet, nicht mehr als nur im Widerspruch der Interessen?
Warum ist es dem Bundestag nicht möglich, dass Antikorruptionsgesetz zu ratifizieren?
Neben Deutschland sind es nur noch wenige Staaten wie z.B. Syrien die es noch nicht beschossen haben.
Gruss
J.V.
Sehr geehrter Herr Vanselow,
das Anti-Korruptionsgesetz scheitert bislang leider an der Regierungskoalition. Die SPD hat mit der Drucksache 17/11331 einen Antrag mit dem Titel "Transparenz bei Nebeneinkünften herstellen durch Veröffentlichungspflicht auf Euro und Cent" in den Bundestag eingebracht. Dieser sieht vor, die Geschäftsordnung des Bundestages so zu ändern, dass künftig Nebentätigkeiten von Mitgliedern des Deutschen Bundestages zukünftig auf Euro und Cent genau veröffentlicht werden müssen. Der Antrag fand leider keine parlamentarische Mehrheit. Zu Ihrer Information füge ich meine Pressemeldung vom 27.11.12, die ich zur Beteiligung meines Kollegen Spahn an der Gesellschaft Politas veröffentlicht habe, bei:
Politische Hygiene erfordert Rücktritt
Über Politikverdrossenheit wird in den Medien regelmäßig berichtet. Die ablehnende Haltung vieler Menschen hat ihre Ursache nicht selten im Verhalten der Politiker selbst. `Der gesundheitspolitische Experte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jens Spahn hat dem Image der Berufspolitiker leider weiteren Schaden zugefügt´, kritisiert die heimische SPD-Bundestagsabgeordnete Ingrid Arndt-Brauer. Die Kommentare zu den Nebenverdiensten von Peer Steinbrück - Spahn redete von einer `Art Betreuungsgeld´ - entpuppen sich angesichts seiner eigenen langjährigen verdeckten Nebentätigkeit bei der Agentur Politas GbR, die schwerpunktmäßig Klienten aus dem Medizin- und Pharmasektor berät, als pure Heuchelei. Als gesundheitspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion sitzt Spahn praktisch an der Quelle der Gesetzgebung.
`Es braucht nicht viel Phantasie wie groß das Interesse von Lobbygruppen an diesen Insiderinformationen war. Dass im Gegenzug die von Politas beratenen Lobbygruppen auch Einfluss auf die Gesetzgebung ausüben, ist sehr wahrscheinlich´, so die Horstmarer Politikerin. `Ein für mich untragbarer Interessenskonflikt, der von Spahn ganz bewusst viele Jahre verschleiert wurde.´ Dazu gehört einerseits das Konstrukt der GbR. Eine solche muss ihre Geschäfte und Gesellschafter nicht veröffentlichen. Offiziell tauchte nur Spahns (Partei-)Freund und Mitarbeiter Markus Jasper als Eigentümer der Agentur auf. Andererseits wurden die Transparenzregeln des Bundestages zu den Nebeneinkünften von Bundestagsabgeordneten von Spahn in vollem Umfang ausgenutzt. `Anteile an Unternehmen bis 25% unterliegen nicht der Veröffentlichungspflicht - ein Schelm, der Böses dabei denkt´, erläutert Arndt-Brauer.
Dazu passt auch Spahns Abstimmungsverhalten im Bundestag: Mit ihrer Stimmenmehrheit haben Union und FDP, darunter auch Jens Spahn, jüngst einen Antrag von SPD und Bündnis90/Grüne zur Komplettoffenlegung von Nebeneinkünften abgelehnt. Die Beteuerungen von Spahn, dass es zu keinem Zeitpunkt einen Interessenkonflikt gegeben hat, sind angesichts seines persönlichen Verhaltens völlig unglaubwürdig. Letztendlich entschied Spahn an führender Position mit über Reformen, bei denen es um Milliardenbeträge für die Gesundheitsbranche ging. Bei Beratungen geht es nicht nur um Geld. Es geht auch um Kontakte. Firmen und Branchenverbände halten sich offenbar Politiker warm, weil sie Informationen brauchen oder weil sie sich besonderes Verständnis für ihre Anliegen erhoffen.
Für die SPD-Politikerin ist klar: `Nach meinem Politikverständnis kann und darf Politik nicht so funktionieren. Ich selbst habe keinerlei bezahlte Nebentätigkeiten und konzentriere mich voll auf mein Mandat als Abgeordnete, das mich auslastet. Spahn hat seine politische Glaubwürdigkeit verspielt. Als Akt der politischen Hygiene kann es nur eine Konsequenz geben, nämlich die seines Rücktritts als gesundheitspolitischer Sprecher.´
Mit freundlichen Grüßen
Ingrid Arndt-Brauer