Frage an Ingrid Arndt-Brauer von Jerome B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Arndt-Brauer,
wie stehen Sie allgemein zur Vorratsdatenspeicherung? Falls Sie eine Vorratsdatenspeicherung im Prinzip unterstützen: Welche Varianten halten Sie für angemessen? Welche sind noch akzeptabel und welche halten Sie für ausgeschlossen?
Wie sieht es konkret mit dem aktuellen Entwurf des BMJ ("Gesetz zur Sicherung vorhandener Verkehrsdaten und Gewährleistung von Bestandsdatenauskünften im Internet") aus?
Insbesondere interessiert mich Ihre Meinung sowohl in Hinblick auf die entsprechende EU-Richtlinie (2006/24/EG), wie auch ohne Berücksichtigung der Richtlinie -- auf ein "uns sind ja die Hände gebunden, also erübrigt sich die Frage" sollte es auf keinen Fall hinauslaufen.
Desweiteren fände ich eine kurze Auskunft zu den Rechten und Pflichten des Bundes in Bezug auf die Richtlinie nett. Könnte der Bund z.B. -- in Hinblick auf die anstehende Klage vor dem EuGH bzgl. der Vereinbarkeit der Richtlinie mit der EU-Grundrechtecharta [1] -- die Umsetzung der Richtlinie unter Bezug auf Art. 114 IV AEUV verweigern? Oder ist der Bund tatsächlich gezwungen, die Richtlinie bei Meidung einer Strafe umzusetzen, bis die Entscheidung des EuGH vorliegt?
Auf Ihre Antwort warte ich gespannt!
Mit freundlichen Grüßen,
Jerome Baum
[1] Siehe über die mögliche Unvereinbarkeit z.B. WD 11 - 3000 - 18/11.
Sehr geehrter Herr Baum,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Zu dem Diskussionsentwurf des Bundesjustizministeriums in Sachen Vorratsdatenspeicherung möchte ich mich nicht im Einzelnen äußern. Dieser Entwurf kursiert zwar im Internet; die Bundesjustizministerium hat ihn allerdings nicht auf die Homepage ihres Ministerium gestellt. Die Vorstellungen der Justizministerin sind - wie wir alle wissen - innerhalb der Regierung nicht abgestimmt und hochumstritten. Die Regierung blockiert sich hier selbst - wie in vielen anderen Bereichen auch. Mit anderen Worten: Die tiefere Befassung lohnt sich nicht, denn es ist überhaupt nicht absehbar, ob dieser Entwurf jemals das Parlament erreichen wird.
Ich bin grundsätzlich der Auffassung, dass Deutschland die Vorratsdatenspeicherung entsprechend der europäischen Richtlinie und nach den strengen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umsetzen und diese Umsetzung auch nicht verweigern sollte. Wir wollen allerdings eine Speicherfrist deutlich unter sechs Monaten. Die Vorratsdatenspeicherung ist zur Verfolgung schwerster Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit und die sexuelle Selbstbestimmung notwendig. Richtervorbehalt, Benachrichtigung der Betroffenen und Schutz der Berufsgeheimnisträger müssen klar geregelt werden. Das Quick-Freeze-Verfahren aus den USA ist in Deutschland, einem Land mit
hohen Datenschutzanforderungen auch für private Unternehmen, nicht geeignet. Das Bundesverfassungsgericht hat sich in seinem Urteil (Rn 208) ebenfalls deutlich gegen Quick-Freeze ausgesprochen. Es genügt übrigens nicht den EU-Vorgaben.
Mit freundlichen Grüßen
Ingrid Arndt-Brauer, MdB