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Ingo Wellenreuther
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Frage von Fabian H. •

Frage an Ingo Wellenreuther von Fabian H. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Wellenreuther,

vielen Dank für ihre Antwort vom 29.05.2012 auf meine Fragen zum verzinsten Geldsystem.

Sie schreiben eingangs, dass die aktuelle Krise auf eine Staatschuldenkrise derjenigen Länder zurückgeht, die über ihre Verhältnisse gelebt haben. Ich finde, die Rolle Deutschlands in dieser Misere sollte auch thematisiert werden:

Mit der Einigung auf eine gemeinsame Währung wurden auch wirtschaftspolitische Ziele verfasst, an die sich die einzelnen Länder zu halten haben. Für eine stabiles wirtschaftliches Gesamtsystem müssen die einzelnen Länder Löhne und Preise an die Inflation anpassen. Während in Spanien, Griechenland, etc. die Löhne stiegen, sind in Deutschland die Reallöhne dank Flexibilisierung des Arbeitsmarkts, der Hartz-Gesetze usw. in den letzten 10 Jahren gesunken und Deutschland wurde zum "Billiglohnand" der EU. Dieser deutsche Sonderweg, der dafür gesorgt hat, dass wir Europameister bei der Ausbreitung von Armut sind, soll jetzt von unseren Nachbarn nachgeahmt werden.

Zu ihrer Entgegnung an meiner Zinskritik:
Sie beschreiben richtig, dass das aufgenommene Kreditgeld über die generierte Wertschöpfung wieder zurückbezahlt werden kann. Aber: wo kommt das Geld der anderen Markteilnehmer für den Erwerb dieser Produkte her?

Zu Ihrer Entgegnung zu meinem Geldsystem Vorschlag:
Ich schlage kein System ohne Zins vor, sondern ein System mit einem Negativ-Zins(fliessendes Geld). In diesem System fallen moderate Gebühren an, wenn ein Markteilnehmer sein Geld nicht für Investitionen zur Verfügung stellt, sondern zurückbehält. Unternehmer könnten so zinsfrei an Kredite kommen, ohne den Zwang, ein exponentielles Wachstum zu generieren, um die Kreditzinsen zu tilgen.
Außerdem würden alle Produkte und Dienstleistungen günstiger, da die in der Wertschöpfungskette "eingepreisten" Zinskosten weitgehend entfallen würden.

Ich bin gespannt auf Ihre Antwort.
Mit freundlichen Grüßen,

Fabian Huck

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Sehr geehrter Herr Huck,

vielen Dank für Ihre Nachfrage vom 30.05.2012.

Sie schreiben: "Für eine stabiles wirtschaftliches Gesamtsystem müssen die einzelnen Länder Löhne und Preise an die Inflation anpassen". Tatsächlich müssen die Länder die Preise natürlich nicht an die Inflation anpassen, sondern die Inflationsrate wird gerade aus der Preissteigerung eines Warenkorbes berechnet. Und auch für die Lohnhöhe ist der deutsche Staat aufgrund der Tarifautonomie nicht verantwortlich.

Sie behaupten weiter, dass Deutschland in den letzten 10 Jahren zum "Billiglohnland" der EU wurde. Diese Behauptung ist unzutreffend, wie ein Blick auf die Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamtes beweist: Eine Stunde Arbeit in der deutschen Industrie war im Jahr 2011 um 48 % teurer als im EU-Durchschnitt. Das Arbeitskostenniveau in Deutschland, das sich aus den Bruttoverdiensten und den Lohnnebenkosten zusammensetzt, lag im Jahr 2011 innerhalb der EU auf Rang sieben. Im Verarbeitenden Gewerbe, das besonders im internationalen Wettbewerb steht, lag Deutschland im EU-weiten Vergleich auf Rang fünf.

Richtig ist, dass Deutschland mit + 19,4 % zwischen 2001 und 2011 den mit Abstand geringsten Anstieg der Arbeitskosten aller Mitgliedstaaten der EU hatte. Es ist allerdings geradezu abenteuerlich, dass Sie Deutschland als "Europameister bei der Ausbreitung von Armut" bezeichnen. Die gestiegene Wettbewerbsfähigkeit hat zu einer massiven Senkung der Arbeitslosenzahlen und einem stabilen Wirtschaftswachstum beigetragen, um das uns andere Länder beneiden.

Sie geben mir Recht, dass das aufgenommene Kreditgeld über die generierte Wertschöpfung wieder zurückbezahlt werden kann und fragen mich, wo das Geld der anderen Markteilnehmer für den Erwerb dieser Produkte her kommt. In meiner ersten Antwort hatte ich auf den Geldkreislauf verwiesen. Lassen Sie es mich mit einem Beispiel illustrieren: Ein Unternehmer U nimmt einen Kredit auf, bekommt von seinem Gläubiger G dafür Geld und kauft von einem Fabrikanten F eine Maschine. Jetzt hat F das Geld. U stellt nun mit seiner neuen Maschine Produkte her. U verkauft diese u.a. an F, der ja Geld aus dem Verkauf seiner Maschine hat. Mit dem eingenommenen Geld kann U seine Zinsen an G bezahlen. Auch G kauft von diesen Zinsen Produkte bei U. In Wirklichkeit gibt es natürlich sehr viele Produzenten und Konsumenten und Gläubiger ist jeder, der sein Geld auf die Bank bringt. Das Geld ist immer im Fluss, die bei der Wertschöpfung entstandenen Werte "stecken" nicht nur im Geld, sondern natürlich auch in den Produkten.

Ihren Vorschlag eines Systems mit negativem Zins, also einer Art Strafe für Menschen, die ihr Kapital nicht verleihen, halte ich - nicht nur, weil es das Kreditrisiko gänzlich ausklammert - für abwegig.

Mit freundlichen Grüßen

Ingo Wellenreuther

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