Frage an Ingo Friedrich von Christian S. bezüglich Innere Sicherheit
Sehr geehrter Dr. Ingo Friedrich
Ich wende mich mit meiner Frage an Sie, da sie bei einer von Ihnen möglicherweise schon länger vergessenen Podiumsdisskussion in Neuendettelsau einen kompetenten Eindruck im Thema EU und EU Recht machten.
Angesichts der immer weiter gehenden Gesetzgebungen, die meiner Meinung nach Privatrechte, und die Menschenwürde in Deutschland weiter einschränken um damit eine ´Terrorgefahr´ abwenden zu können, [oder Bürger auszuspionieren] (hierzu das schöne Wort Vorratsdatenspeicherung, der Bundestrojaner etc.) bin ich sehr über die Äußerungen Strucks im Fall der Flugzeug Abschüsse bei Terrorgefahr erfreut
(Die "Menschenwürdegarantie" könne "selbst durch eine Verfassungsänderung nicht eingeschränkt werden" spiegel Online)
Meine Frage an sie lautet ob dieser oder ähnliche Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts über eine ähnliche EU-Richtlinie umgangen werden kann.
wenn also beispielsweise in der EU, also einer höheren Instanz eine Richtlinie herausgegeben wird, welche Flugzeugabschuss bei akuter Gefahr für viele Menschen erlaubt, gilt diese Richtlinie auch in Deutschland, trotz des klaren ´neins´ des BvG, der höchsten Legislativen Instanz in Deutschland?
Ich hoffe ich habe mich verständlich ausgedrückt ; )
Grüße und Danke
C. Schlumberger
Sehr geehrter Herr Schlumberger,
vielen Dank für Ihre Frage bezüglich neuer EU-Richtlinien und deren eventuelles Eingreifen in die Privatrechte der Bürger.
Um Ihre Frage zu beantworten, berufe ich mich auf den sogenannten "Solange - 2 - Beschluss", in dem das Bundesverfassungsgericht 1986 Kriterien fest legte, nach denen ein Verfahren über Widersprüche zwischen Rechtsnormen der Europäischen Gemeinschaften und deutschem Verfassungsrecht beurteilt wird. Es besagt, dass solange die Europäische Gemeinschaft in ihren Beschlüssen einen ausreichenden Schutz der Grundrechte gewährleistet, also den Wesensgehalt der Grundrechte einhält, wird das Bundesverfassungsgericht seine Gerichtsbarkeit über die Anwendbarkeit von abgeleiteten Gemeinschaftsrecht nicht mehr ausüben. Damit wurde im Allgemeinen ein ausreichender Schutz der Grundrechte durch den Europäischen Gerichtshof anerkannt. Vereinfacht bedeutet dies, dass Richtlinien der EU eingehalten werden müssen, solange sie sich im Rahmen unseres Grundgesetzes bewegen.
In diesem Sinne unterliegen auch sämtliche eventuell mögliche Abstimmungen im Bereich des Anti-Terror-Kampfes auf europäischer Ebene indirekt der Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht. Eine "Verselbstständigung" Europas in dieser Frage ist deshalb nicht zu erwarten.
Für weitere Informationen zum "Solange-Beschluss" verweise ich auf die Homepage der
Bundeszentrale für politische Bildung:
http://www.bpb.de/publikationen/26P2JV,0,0,Die_Grundrechte_und_die_Europ%E4ische_Einigung.html
Ich hoffe, Ihnen weitergeholfen zu haben und verbleibe mit den besten Grüßen
Dr. Ingo Friedrich, MdEP
Quästor und Präsidiumsmitglied
des Europäischen Parlaments