Sehr geehrte Frau Scharrenbach, warum hat die NRW-CDU der Einrichtung einer Pflichtpflegekammer zugestimmt ohne die betroffenen Pflegekräfte komlett vorher zu befragen ?
Schließlich wurden Pflichtpflegekammern dort wo abgestimmt werden durfte, nämlich in Niedersachsen und Schleswig-Holstein, mit fast 90% abgelehnt ! Und in NRW wurde ja eh jede Pflegekraft angeschrieben, da auch der Datenschutz für die Pflegekräfte aufgehoben wurde.
Sehr geehrter Herr K.
haben Sie vielen Dank für Ihre oben stehende Anfrage, die ich gerne wie folgt beantworte:
Der Wunsch nach einer Pflegekammer wurde ursprünglich aus der Pflege an die Politik herangetragen. Die Pflege beschäftigt sich zur Stärkung der eigenen Profession bereits über 20 Jahre mit der Frage der Verkammerung.
Bereits im Jahre 2005 ist der Landtag Nordrhein-Westfalen im Rahmen einer Enquete-Kommission "Situation und Zukunft der Pflege in Nordrhein-Westfalen" zu der Empfehlung gelangt, 'das Konzept einer Kammer für Pflegeberufe weiterzuentwickeln sowie Zweck und Aufgaben dieses Organs deutlicher als bisher zu beschreiben'.
Auf Antrag von Bündnis 90/DIE GRÜNEN erfolgte in den Jahren 2009/2010 eine intensive Debatte zur Frage der Einrichtung einer Kammer für Pflegeberufe. Am 26. Oktober 2016 wurde die Thematik "Errichtung einer Pflegekammer" im Rahmen einer Sachverständigenanhörung behandelt. In dieser Anhörung ist deutlich geworden, dass die Errichtung einer Pflegekammer als sinnvoller Schritt zur Stärkung der Interessenvertretung der beruflich Pflegenden sowie zur zukunftsorientierten Qualitätssicherung in Aus- und Weiterbildung der Pflege bewertet werden kann (aus: Antrag von SPD/Grünen vom 7. Februar 2017 / Drs.-Nr. 16/14191 - von 2012 bis 2017 war die Regierungsmehrheit bei SPD/Grünen).
Das Bundesland Rheinland-Pfalz hat als erstes Bundesland eine Pflegekammer gegründet; in Schleswig-Holstein und Niedersachsen ist die Errichtung einer Pflegekammer gesetzlich verankert worden.
Mit dem Antrag von SPD/Grünen aus Februar 2017 wurde die damalige Landesregierung aufgefordert, ein Handlungskonzept für Nordrhein-Westfalen vorzulegen.
Im Zuge des Regierungswechsels in 2017 wurde das Thema durch CDU/FDP weiterverfolgt: Im Koalitionsvertrag 2017-2022 wurde bestimmt, dass Nordrhein-Westfalen eine Interessenvertretung der Pflegenden errichtet, wenn die Pflegenden dies wollen. Zu Beginn dieser Legislaturperiode hat die Landesregierung Nordrhein-Westfalen ein unabhängiges Meinungsforschungsinstitut (INFO GmbH, Berlin) mit der Durchführung einer repräsentativen Befragung unter den Pflegekräften beauftragt. Bei dieser repräsentativen Umfrage wurde bei der Auswahl der Befragten vom Meinungsforschungsinstitut verschiedene Merkmale (Berufsgruppe, Leitungsverantwortung, Umfang der Berufstätigkeit, Geschlecht, Alter) berücksichtigt. Darüber hinaus wurde die Einrichtungsart (KH, stationäre Pflegeeinrichtung, ambulante Pflege) beachtet. Nach diesen Merkmalen erfolgte eine beschäftigtenrepräsentative Gewichtung, die entsprechende Rückschlüsse auf die Grundgesamt ermöglicht.
Im Rahmen der Befragung wurde aufgenommen, ob und welche Form der Interessenvertretung von den Pflegenden gewünscht wird: Die Pflegekammer oder der Pflegering (sog. bayerisches Modell). Begleitend hat das zuständige Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen mit Gegnern und Befürwortern des einen oder anderen Modells eine Informationskampagne durchgeführt, die u.a. auch 131 Veranstaltungen umfasste. Im Ergebnis sprachen sich 79 % der befragten Pflegefachkräfte für die Errichtung einer Pflegekammer aus.
Der Landtag hat am 24. Juni 2020 das Gesetz zur Errichtung einer Pflegekammer Nordrhein-Westfalen unter Berücksichtigung eines Änderungsantrages mit den Stimmen von CDU, FDP und Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Das Landesgesetz ist am 14. Juli 2020 in Kraft getreten. Die Konstituierung des Errichtungsausschusses fand am 21. September 2020 statt. Der Errichtungsausschuss hat gemeinsam mit Kammerskeptikern sogenannte "Kammerdialoge" veranstaltet, um über den Errichtungsprozess und die aktuellen bzw. zukünftigen Aufgaben der Pflegekammer zu informieren sowie diskutieren zu können. Der Errichtungsausschuss hat die gesetzliche Aufgabe, alle Aufbauarbeiten bis zum Start der Pflegekammer im Frühjahr 2022 zu erledigen.
[Von der Website 'Pflegekammer NRW':] Das Land Nordrhein-Westfalen garantiert eine Anschubfinanzierung der Pflegekammer bis zum Jahr 2027. Durch die Sicherstellung einer soliden Finanzierung wird die Phase der konstruktiven Aufbauarbeit unterstützt, sodass auf dieser Basis die unabhängige Arbeit der selbstverwalteten Pflegekammer gut starten kann. Über die Beitragshöhe wird die gewählte Kammerversammlung beraten und entscheiden.
Im September 2021 hat der Errichtungsausschuss in seiner Sitzung die Empfehlung zum zukünftigen Kammerbeitrag beschlossen. Die Empfehlung basiert auf Kalkulationen für einen möglichen Kammerhaushalt ohne die damals bekannte Verlängerung der Anschubfinanzierung bis 2027 durch das Land. Demnach soll der maximale Kammerbeitrag 5 Euro monatlich betragen. Für Teilzeitbeschäftigte, berentete Personen und in Härtefällen soll es Vergünstigungen und Befreiungen geben.
Sehr geehrter Herr Kücking, mit dem Gesetz zur Errichtung einer Pflegekammer aus 2020 wurde eine nahezu 15-jährige Diskussion über das Für und Wider einer Interessenvertretung für Pflegende zu einem Abschluss gebracht. Die Diskussionen wurden unabhängig von Regierungskonstellationen über nahezu vier Legislaturperioden geführt.
Mit der durch die CDU/FDP-Landesregierung Nordrhein-Westfalen in dieser Legislatur durchgeführten repräsentativen Umfrage hat sich eine deutliche Mehrheit der Befragten für die Errichtung einer Pflegekammer ausgesprochen. Von Verbänden und Parteien wurde diese als 'klarer Handlungsauftrag' gewertet. Im Kern ging und geht es der Landespolitik darum, dass die Interessen der Pflegenden in Fachpolitik, Verwaltung und Gesellschaft ein eigenständiges Gehör finden.
Ich hoffe, Ihnen mit dieser Antwort weitergeholfen zu haben. Sie können mich auch gerne direkt unter ina@inascharrenbach.de anmailen.
Mit freundlichem Gruß
Ina Scharrenbach