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Frage von Ludwig F. •

Frage an Ilona Deckwerth von Ludwig F. bezüglich Bildung und Erziehung

Hallo Frau Deckwert,
in ihren Veranstaltungen sprechen sie immer von einer "Schule für alle". Mir ist nicht ganz klar,was sie darunter verstehen.Vielleicht können sie es mal kurz erläutern.

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Frick,

in Bayerns Schulen herrscht das Prinzip des Sortierens von Kindern unter dem Dogma, das leistungsmäßig homogene Klassen besser zu fördern seien. Mit zehn Jahren werden die Kinder auf die so genannten weiterführenden Schulen Gymnasium, Realschule und Hauptschule (die Förderschule bleibt dabei meist unerwähnt) aufgeteilt in dem Irrglauben, dass man zu einem solch frühen Zeitpunkt die Begabung eines Kindes und seine Fähigkeiten zur Lebensbewältigung exakt einschätzen könne.
Da nun die Eltern stets das Beste für ihre Kinder wollen - und in einem drei- (bzw. vier-)gliedrigen hierarchischen Schulsystem das Gymnasium als das Beste angesehen wird -, versuchen die meisten, ihre Kinder aufs Gymnasium zu bringen oder "wenigstens" in die Realschule. Durch diese Separierung ab der fünften Klasse entstand in den letzten Jahren ein immenser Leistungsdruck bereits in der Grundschule, damit möglichst der Übertritt aufs Gymnasium geschafft wird.

Eine solche Schule ist für mich keine Lernschule fürs Leben, sondern eine bloße Verteilungsmaschinerie für Lebenschancen, die alle diejenigen, die es nicht aufs die oberste Schule schaffen, unterschwellig abwertet. Da können an den Haupt- und Förderschulen die engagiertesten Lehrkräfte arbeiten und aufgeschlossene Elternbeiräte aktiv mitwirken, diesen Schulen lastet dennoch zu oft ein negatives Image als "Restschule" an, mit dem sie schwer zu kämpfen haben.

Ich möchte eine Schule, in deren Mittelpunkt jedes einzelne Kind steht, das so gut es irgendwie geht individuell gefördert wird. Ich möchte eine Schule, die Kinder nicht als ungeeignet abqualifiziert und weiterreicht, sondern sich fragt, wie kann sie dem einzelnen Kind an dieser Schule am besten helfen. Ich möchte eine Schule, wo Kinder an ihrem Wohnort die besten Schul- und Lernbedingungen vorfinden und nicht unnötig große Fahrstrecken zum Schulort überwinden müssen.

Diese Schule ist keine unerreichbare Utopie, sondern üblich in Europa mit Ausnahme von Deutschland und Österreich.

Es ist eine Schule, in der Kinder gemeinsam ihre Schulzeit verbringen ohne Angst, aussortiert zu werden und in eine andere Schule gehen zu müssen.

Diese Schule firmiert unter den Begriffen Gesamtschule, Gemeinschaftsschule (Schleswig-Holstein) oder eben "Eine Schule für alle". Sie wird von ihren GegnerInnen gerne als Einheitsschule beschimpft, als würde an einer solchen Schule jedes Kind gleich gemacht werden. Aber gleich gemacht werden die Kinder in den so genannten leistungshomogenen Klassen eines Gymnasiums, einer Realschule, etc. Alle Kinder müssen dort den gleichen Lernstoff in einer gleichen Lernzeit bewältigen. Ansonsten ist das "Vorrücken" gefährdet.

Dem gegenüber ist die "Eine Schule für alle" eine Schule, die jedes Kind nimmt, wie es ist und wo es sich gerade auf seiner Entwicklungsstufe befindet. Und es ist die Aufgabe der Schule, individuelle Förderung für jedes Kind in der Gemeinschaft aufs Beste zu ermöglichen.

Eine solche Schule braucht viele Lehrkräfte, ErzieherInnen, SozialpädagogInnen, sie braucht einen Ganztagsunterricht, sie braucht gute Räumlichkeiten für die verschiedenen Aufgaben, sie braucht neue Unterrichtsformen, sie braucht aktive Eltern und KommunalpolitikerInnen. Sie kostet viel Geld, aber sie ist es wert.

Die SPD fordert deshalb eine verlängerte gemeinsame Schulzeit über die vierte Klasse hinaus, damit alle Kinder besser und gerecht gefördert werden.

Mit freundlichen Grüßen

Ilona Deckwerth