Frage an Hubertus Zdebel von Klaus L. bezüglich Soziale Sicherung
1.Wie stehen Sie zur Inclusion,nachdem die momentane Landesregierung durch Ihre
Entscheidungen bewußt oder unbewußt die Förderschulen in Ihrem Bestand gefährdet?
2.Wie hoch sollte Ihrer Meinung nach ein Mindestlohn und ein auskömmlicher Hartz IV-Satz sein?
Sehr geehrter Herr Laparose,
Ihre Fragen beantworte ich wie folgt:
1. Wie stehen Sie zur Inclusion,nachdem die momentane Landesregierung durch Ihre Entscheidungen bewußt oder unbewußt die Förderschulen in Ihrem Bestand gefährdet? *
Inklusion ist kein Synonym für ein Sparmodell, sondern ein unteilbares Grundrecht für die Gleichberechtigung auf allen Ebenen. Der Staat muss dafür die Voraussetzungen schaffen- und zwar ohne im Staatssäckel nachzuschauen und dann aus Geldgründen einen Rückzieher zu machen. Die Versammlungsfreiheit wird schließlich auch nicht auf Eis gelegt, wenn sie etwas kostet.
Es ist eine bewußte Entscheidung der SPD-Grünen Landesregierung in NRW, die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention und der schulischen Inklusion in NRW nach Kassenlage durchzuführen. Das entgegen der vollmundigen Versprechungen von Ministerpräsidentin Kraft und Schuministerin Löhrmann vor den Wahlen („Kein Kind zurücklassen!“).
Kinder mit Förderbedarf in ein Regelschulsystem zu überführen, ohne die entsprechenden Rahmenbedingungen im Hinblick auf die personelle und bauliche Ausstattung zu schaffen, ist das Gegenteil von dem, was die Inklusion erreichen soll, und führt zu einer kalten Inklusion, also einer Verschlechterung für die Schülerinnen und Schüler. Eine solche kalte Inklusion und die damit verbundene Zerschlagung der Förderschulen lehne ich ab.
Inklusion kann erst gelingen, wenn alle Schulen, in Bezug auf Ihre Rahmenbedingungen, zu Förderschulen geworden sind. Durch die Ressourcenverweigerung der Landesregierung ist die Befürchtung vieler Eltern nachvollziehbar, ihre Kinder seien an der Förderschule besser aufgehoben. Sie sind verunsichert, ob sie ihren Kindern tatsächlich eine wenig vorbereitete und ausgestattete Regelschule zumuten sollen. Dabei liegt seit Juni 2011 ein kompletter Plan vor, wie die schrittweise Umsetzung der schulischen Inklusion gelingen kann ( http://www.schulministerium.nrw.de/BP/Inklusion_Gemeinsames_Lernen/Gutachten_Auf_dem_Weg_zur_schulischen_Inklusion/NRW_Inklusionskonzept_2011__-_neue_Version_08_07_11.pdf ).
Das deutsche Bildungssystem leidet meiner Meinung nach seit Jahrzehnten an einer chronischen und politisch gewollten Unterfinanzierung. Trotz Unterzeichnung der UN-Konvention und allen Lippenbekenntnissen zur Inklusion, weigern sich die Bundesregierung und fast alle Landesregierungen, mehr Geld für Bildung auszugeben. Die Bundesregierung wälzt die Verantwortung für inklusive Bildung auf die Länder ab. Sie stockt die Mittel für Teilhabeleistungen nicht ausreichend auf und stellt den Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention weiterhin unter Kostenvorbehalt. Fast alle Landesparlamente haben aber im Zuge der Schuldenbremse Sparpakete beschlossen. Allein in diesem Jahr sollen in Nordrhein-Westfalen 150 Millionen Euro gekürzt werden. Leidtragende dieser Politik sind die Kinder, Eltern und Lehrerinnen und Lehrer. Dabei wäre es ein Leichtes, durch eine veränderte Steuerpolitik, etwa durch die Einführung der Vermögenssteuer, deutliche Mehreinnahmen zu erzielen und diese auch in den Bildungsbereich zu investieren.
2. Wie hoch sollte Ihrer Meinung nach ein Mindestlohn und ein auskömmlicher Hartz IV-Satz sein?
SPD, Grüne, CDU und FDP haben in Umsetzung der menschenunwürdigen Agenda 2010 den Arbeitsmarkt und die Arbeitsbedingungen im Interesse der Unternehmen umgebaut. Der Abbau von Vollzeit-Arbeitsplätzen und viele schlechte neue Jobs in Leiharbeit und Werkverträgen sowie Minijobs haben in Verbindung mit Hartz IV zu Lohndumping geführt. Die Reallöhne sind in den Jahren von 2000 bis 2011 um fünf Prozent gesunken.
Ich bin für einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn von 10 Euro. Damit würde das Einkommen von fast acht Millionen Beschäftigten direkt und spürbar steigen. Das ist unter den gegebenen Kräfteverhältnissen nicht wenig. Aber auch ein Mindestlohn von 10 Euro liegt an der Untergrenze der Menschenwürde und erst recht ein Mindestlohn von 8,50 Euro, wie es SPD und Grüne fordern. Deshalb muss der Mindestlohn meiner Meinung nach auch jährlich ansteigen - mindestens unter Berücksichtigung der Produktivitäts- und Preisentwicklung. Das wäre aktuell bis zum Ende der Wahlperiode 12 Euro.
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass knapp 60 % der deutschen Manager laut einer Forsa-Umfrage für das „Handelsblatt“ für einen gesetzlichen Mindestlohn sind. Die Befürworter halten im Durchschnitt einen Mindestlohn von 8,88 Euro je Stunde für angemessen. Und sie erwarten, dass eine solche Lohnuntergrenze keine negativen Folgen für das eigene Unternehmen haben würde. Weiter heißt es in dem „Handelsblatt“-Bericht: „Zudem konstatieren die Manager ein zunehmendes soziales Gefälle in Deutschland. Es sei in den vergangenen zehn Jahren größer geworden, finden 59 Prozent der Befragten.“ Damit überholen die deutschen Wirtschafts-Manager SPD und Grüne weit links: Die Manager fordern einen höheren Mindestlohn und machen zugleich deutlich, dass die Schere zwischen Arm und Reich schon unter der Schröder-Fischer-Regierung aufgeklappt ist.
Hartz IV ist Armut per Gesetz. Vorgebliche Ziele wie die schnelle und passgenaue Vermittlung von Betroffenen in Erwerbsarbeit werden nicht erreicht. Stattdessen wurden Millionen Menschen in Armut gestoßen und auf ein repressives Fürsorgesystem verwiesen. Das gesamte Hartz IV Regime ist abzuschaffen und durch eine sanktionsfreie, bedarfsdeckende Mindestsicherung zu ersetzen, die Betroffene gegen Armut absichert und gesellschaftliche Teilhabe garantiert. Kurzfristig müssen die Hartz-IV-Regelsätze auf 500 Euro erhöht werden. Hartz-IV-Sanktionen bedeuten die Kürzung des Lebensnotwendigen. Ich setze mich schon seit Jahren für ein sofortiges Sanktionsmoratorium ein. Die Anwendung des Sanktionsparagraphen 31 SGB II ist umgehend auszusetzen.
Mit freundlichen Grüßen
Hubertus Zdebel