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Frage von Sabine M. •

Wie erfolgt die Integration von Langzeitarbeitslosen konkret in den Jobcentern? Gibt es dort individuelles Coaching und passgenaue Vermittlung und Qualifizierung im Matchingprozess?

Guten Tag Herr Heil, ich beziehe mich auf Ihre Antwort vom 12.7.23. Sie preisen das Bürgergeld als den großen Wurf bei der Integration in den ersten Arbeitsmarkt. Jedoch erläutern Sie nicht, wie genau die Umsetzung in den Jobcentern erfolgen soll. Nach meiner Erfahrung sind Langzeitarbeitslose in der Regel aufgrund multipler Vermittlungshemmnisse nur sehr schwer vermittelbar. In der Regel verfügen Langzeitarbeitslose weder über einen Schulabschluss noch über einen Berufsabschluss. Die Bereitschaft, an Bildungsmaßnahmen teilzunehmen ist oftmals aufgrund von Bildungsmüdigkeit und Bildungsferne nicht gegeben. Vor diesem Hintergrund sind Langzeitarbeitslose eben regelmäßig nicht als potenzielle Fachkräfte einzuordnen. Die Bereitsschaft eine Tätigkeit im Helferbereich aufzunehmen hängt immer davon ab, ob sich arbeiten lohnt. Wenn Transferleistungen usw. das zu erwartende Arbeitseinkommen übersteigen bzw. nicht höher sind, wird Integration in den Arbeitsmarkt nicht erfolgreich gelingen.

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Sehr geehrte Frau M.

vielen Dank für Ihre Nachricht zur Integration von Langzeitarbeitslosen durch die Jobcenter.

Zuerst einmal gebe ich Ihnen Recht, dass langzeitarbeitslose Menschen häufig multiple Vermittlungshemmnisse haben. Dazu zählen zum Beispiel fehlende oder nur geringe berufliche und/oder schulische Kenntnisse, Überschuldung oder Suchtprobleme. Rund 32 Prozent der Langzeitarbeitslosen sind 55 Jahre alt oder älter. Und je länger jemand arbeitslos ist, desto schwieriger ist es, wieder in Beschäftigung einzusteigen. Denn mit zunehmendem Abstand vom Arbeitsleben und -alltag veralten Qualifikation und Fertigkeiten gehen verloren; die gesundheitlichen Probleme häufen sich und die soziale Teilhabe nimmt ab. Dazu kommt, dass zahlreiche Bürgergeld-Beziehende nicht direkt in Arbeit vermittelt werden können, da ihr Profil nicht zu den offenen Stellen passt. Insbesondere haben fast zwei Drittel der Arbeitsuchenden, die Bürgergeld beziehen, keinen verwertbaren Berufsabschluss. Der Großteil der offenen Stellen (rund 80 Prozent) richtet sich jedoch an Fachkräfte.

Dennoch sind Langzeitarbeitslose potenzielle Arbeits- und auch Fachkräfte – vor allem, wenn sie die richtige Unterstützung bekommen. Diese Unterstützungsmöglichkeiten wurden mit dem Bürgergeld-Gesetz gestärkt. Insbesondere wurde die nachhaltige Vermittlung in den Arbeitsmarkt durch Qualifizierung stärker in den Fokus genommen, um den sogenannten Drehtür-Effekt (d.h. kurzzeitige, schlecht bezahlte Beschäftigung und anschließend erneuter Leistungsbezug) in den Jobcentern einzudämmen. Das heißt, wenn es zuerst eine Umschulung oder Weiterbildung braucht, um langfristig den Leistungsbezug zu beenden, sollen die Menschen entsprechend gefördert und unterstützt werden. Mit dem neuen Weiterbildungsgeld und der Weiterbildungsprämie werden zugleich gezielt finanzielle Anreize für abschlussorientierte Weiterbildungen gesetzt. 

Erwerbsfähige Bürgergeld-Beziehende, gerade Langzeitarbeitslose, die aus verschiedenen Gründen noch nicht so weit sind, eine Umschulung anzutreten, können von den Jobcentern anderweitig unterstützt werden, zum Beispiel durch den erleichterten Erwerb von Grundkompetenzen und die ganzheitliche Betreuung (Coaching). Die ganzheitliche Betreuung, die im Rahmen des Bürgergeld-Gesetzes als eigenständiges Instrument im SGB II aufgenommen worden ist, ermöglicht es den Jobcentern, Menschen passgenau die Unterstützung zukommen zu lassen, die sie für den Aufbau und die Stabilisierung ihrer Beschäftigungsfähigkeit benötigen. Hierbei wird die Lebenssituation der arbeitslosen Menschen insgesamt in den Blick genommen und nicht nur arbeitsmarktrelevante Inhalte. Ziel ist, die Teilnehmenden darin zu bestärken, ihre Lebenssituation auch aktiv selbst zu verbessern und die ersten Schritte zurück in den Arbeitsmarkt zu machen.

Auch der „Soziale Arbeitsmarkt“, der im Rahmen des Bürgergeld-Gesetzes entfristet worden ist, spielt bei der nachhaltigen Integration von langzeitarbeitslosen Menschen eine wichtige Rolle. Menschen, die sehr lange arbeitslos sind (mindestens zwei bzw. fünf Jahre), werden an den Arbeitsmarkt herangeführt und engmaschig betreut, bis sie auf eigenen Beinen stehen. Unternehmen werden, wenn sie Langzeitarbeitslose einstellen, mit Lohnkostenzuschüssen unterstützt. Oft schaffen die Menschen dann den Übergang in ungeförderte Jobs: Über die Hälfte derer die mit der Förderung zur Eingliederung von Langzeitarbeitslosen unterstützt worden sind (Arbeitslosigkeit von mehr als zwei Jahren), finden im Anschluss an die Förderung einen regulären Job - und bleiben, neuesten Erkenntnissen des IAB zufolge, länger in Arbeit.

Zuletzt möchte ich noch betonen, dass sich Arbeiten immer lohnt. Die leistungsrechtlichen Regelungen im SGB II zur Berücksichtigung von Einkommen aus Erwerbstätigkeit stellen sicher, dass diejenigen, die eine Erwerbstätigkeit ausüben, mehr Haushaltseinkommen zur Verfügung haben, als diejenigen, die keiner Arbeit nachgehen. Zum 1. Juli 2023 wurden die Freibeträge im SGB II auf Erwerbseinkommen angehoben. Dabei gilt: Je höher das Einkommen ist, desto höher ist der errechnete Freibetrag. Dadurch wird der Anreiz zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung erhöht. Wer beispielsweise ein Bruttoerwerbseinkommen von 500 Euro hat, dem wird ein Freibetrag in Höhe von 180 Euro gewährt. Bei einem Erwerbseinkommen von 900 Euro hingegen beläuft sich der Freibetrag auf 298 Euro. Außerdem erhalten Beschäftigte Rentenanwartschaften und in bestimmten Fällen zusätzlich Einstiegsgeld zur Überwindung von Hilfebedürftigkeit. Das Ziel des Bürgergeldes ist es, dass Menschen künftig ohne staatliche Leistungen auskommen.

Mit freundlichen Grüßen

Hubertus Heil, MdB

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