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Frage von Eberhard S. •

Nach dem Aus der Energiepreisbremsen : Warum wird die geplante extreme Bürgergeld-Erhöhung nicht reduziert, wie ist man überhaupt auf diese 12% gekommen?

Sehr geehrter Herr Heil,
nach dem KTF-Urteil muss überall gespart werden. Warum sind Sie dann immer noch dagegen, die geplante extreme Bürgergeld-Erhöhung zu reduzieren? Wobei ich jetzt nicht an eine Kürzung wie beim Elterngeld denke, sondern an eine geringere Erhöhung als bisher geplant.

Der Regelsatz für das Bürgergeld wird jährlich an Preise und Löhne angepasst, aber wie ist man auf diese 12% gekommen?

https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1045/umfrage/inflationsrate-in-deutschland-veraenderung-des-verbraucherpreisindexes-zum-vorjahresmonat/
Von Mai 2022 bis August 2023 ist die Inflation zwar hoch gewesen, aber immer unter 9%, im Durchschnitt etwa 8%.

Da sich die Renten an der Lohnentwicklung orientieren, betrachte ich die Rentenerhöhung von 2023 (4,39%) und die geplante für 2024 (3,5%), im Durchschnitt also etwa 4%.

Fazit : Preise sind um 8% gestiegen, die Löhne um 4%, eine Bürgergeld-Erhöhung von 6% wäre also angemessen. Wie ist man dann auf diese 12% gekommen?

MfG

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Sehr geehrter Herr S.

vielen Dank für Ihre Nachricht.

Wenn für ein Jahr die Regelbedarfe nicht auf gesetzlicher Grundlage neu zu ermitteln sind, müssen sie fortgeschrieben werden. Wie dies zu erfolgen hat, regelt das Gesetz, konkret ist das in § 28 SGB XII enthalten. Im Gesetz ist ebenfalls konkret bestimmt, wie sich die Höhe der Fortschreibung bestimmt (§ 28a SGB XII). Nach den gesetzlichen Bestimmungen hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales nach § 40 SGBXII den Entwurf für eine Verordnung vorzulegen (sogenannte Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung). Dazu ist das Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen erforderlich. Der Verordnungsentwurf geht danach an den Bundesrat, dieser muss zustimmen. All dies ist im Falle der Fortschreibung zum 1. Januar 2024 erfolgt.

Das Ergebnis der Regelbedarfserhöhung beruht damit auf einem jährlichen Fortschreibungsmechanismus mit zwei Berechnungsschritten: Der erste Schritt ist die sogenannte Basisfortschreibung. Die Veränderungsrate ergibt sich nach einem Mischindex, der die regelbedarfsrelevante Preisentwicklung zu 70% und die Entwicklung der verfügbaren Entgelte zu 30% berücksichtigt. Die Bestimmung der Höhe der Veränderungsrate ergibt sich aus zwei aufeinanderfolgenden Vergleichszeiträumen. Für die Fortschreibung zum 1. Januar 2024 geht der aktuelle Vergleichszeitraum vom 1. Juli 2022 bis zum 30. Juni 2023 gegenüber dem davor liegenden Vergleichszeitraum vom 1. Juli 2021 bis zum 30. Juni 2022.

Damit wird ein Zeitraum herangezogen, dessen Beginn zweieinhalb Jahre vor dem Fortschreibungstermin liegt. Bei starken Ausschlägen wie bei der Preisentwicklung seit 2021 ist dies nachteilig. Deshalb ist eine sogenannte ergänzende Fortschreibung eingeführt worden. Diese basiert auf den aktuellsten verfügbaren Daten zur Preisentwicklung. Dies ist der Zeitraum vom 1. April bis zum 30. Juni des dem Fortschreibungstermin vorausgehenden Jahres. Im Falle der Fortschreibung zum 1. Januar 2024 also der Zeitraum vom 1. April bis zum 30. Juni 2023.

Bei der Preisentwicklung geht es zudem nicht um die Entwicklung der allgemeinen Verbraucherpreise, sondern ausschließlich um die Preisentwicklung bei denjenigen Gütern und Dienstleistungen, die für die Höhe der Regelbedarfe berücksichtigt worden sind. In die allgemeine Preisentwicklung gehen damit erheblich mehr Güter und Dienstleistungen ein. Dies hat zur Folge, dass vor allem die hohen Preissteigerungen bei Lebensmitteln in den vergangenen Jahren deutlich größeren Einfluss auf die regelbedarfsrelevante Preisentwicklung hatten. Deshalb sind die sich ergebenden prozentualen Veränderungsraten beim allgemeinen Preisindex und beim regelbedarfsrelevanten Preisindex unterschiedlich hoch.

Die Notwendigkeit einer sich aus der Systematik des bestehenden Regelbedarfssystems ergebenden sowie regelmäßigen Fortschreibung ergibt sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Zudem könnte ein gesetzeskonform zustande gekommenes Ergebnis in Form der Höhe der Fortschreibung nachträglich nur durch den Gesetzgeber korrigiert werden. Selbst wenn dies rechtzeitig vor dem 1. Januar 2024 möglich wäre - was faktisch ausgeschlossen werden kann - dann wäre eine verfassungskonforme Begründung erforderlich. Eine angespannte Haushaltslage wäre hierfür nicht ausreichend. Und auch nicht der Hinweis auf die geringere Veränderungsrate des allgemeinen Preisindexes.

Mit freundlichen Grüßen
Hubertus Heil, MdB

 

 

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