Frage an Hubertus Heil von Peter D. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Heil,
das Ergebnis wäre in den anderen EU Ländern nicht anderes ausgefallen, wäre das Volk gefragt wurden. Warum wurden die EU Bürger nicht auch dort gefragt? "Im Namen der EU Bürger" hat hier doch wohl nur Irland gehandelt. Die Arroganz der Politiker sich über den Bürgerwillen hinwegzusetzen ist nicht mehr zu toppen.
Durch Handlungen wie diese, nämlich das Volk von essentiellen Entscheidungen auszuschliessen, wird die Demokratie durch die politischen Eliten langsam aber stetig zerstört. Wahlergebnisse, wie zuletzt in Sachsen, belegen dies.
Die Praxis ist das Kriterium der Wahrheit. Sehen Sie dies etwa anders als 90% der mündigen Bundesbürger?
Mit freundlichem Gruß
Peter Diestel
Sehr geehrter Herr Diestel,
vielen Dank für Ihre Frage auf abgeordnetenwatch.de im Zusammenhang mit dem Referendum zum Vertrag von Lissabon in Irland.
Das Grundgesetz legt die politische Ordnung Deutschlands auf das Prinzip der repräsentativen Demokratie fest. Bürgerreferenden sowie andere Formen der direkten Bürgerbeteiligung sind auf bundespolitischer Ebene nicht vorgesehen, eine Ausnahme stellt lediglich die Neugliederung von Bundesländern dar. In der repräsentativen Demokratie werden die Abgeordneten als von den Bürgerinnen und Bürgern gewählte Repräsentanten zu entscheidenden Garanten für die demokratische Legitimität von politischen Entscheidungen. Diese politische Grundentscheidung des Grundgesetzes für die repräsentative Demokratie hat sich in den zurückliegenden Jahrzehnten bewährt. Angesichts zunehmend komplexer werdender politischer Entscheidungszusammenhänge ist es grundsätzlich sinnvoll, an diesem System festzuhalten.
Dies schließt allerdings keineswegs aus, an geeigneter Stelle direktdemokratische Elemente in die demokratische Ordnung Deutschlands zu integrieren. Sie können einen Beitrag zu einer lebendigen Demokratie leisten und die Bürgerinnen und Bürger zu verstärkter politischer Partizipation motivieren. Vor diesem Hintergrund hat die SPD in der Vergangenheit verschiedene Initiativen zur Stärkung direktdemokratischer Elemente eingebracht, die jedoch am Widerstand vor allem von CDU und CSU gescheitert sind.
Dass mit dem Vertrag von Lissabon nunmehr auf europapolitischer Ebene die neue Möglichkeit zu Bürgerbegehren geschaffen werden soll, findet unsere volle Unterstützung und kann als ein zukunftsweisender Schritt zur weiteren Festigung der demokratischen Legitimität europäischer Politik angesehen werden. Bei der Frage nach erweiterten Möglichkeiten für direkte Bürgerbeteiligung auf europäischer Ebene und insbesondere auch der Frage nach Bürgerreferenden über EU-Vertragsreformen sind jedoch auch die Erfahrungen zu bedenken, die etwa bei den zurückliegenden Verfassungsreferenden in Frankreich und den Niederlanden oder zuletzt beim Referendum über den Lissabon-Vertrag in Irland gemacht worden sind. Es hat sich gezeigt und ist auch durch Studien verschiedentlich belegt, dass vielfach Gründe und Motive, die wenig oder nichts mit den eigentlichen Inhalten der fraglichen EU-Verträge zu tun hatten, letztendlich für die Wahlentscheidung ausschlaggebend waren.
Die Inhalte des Lissabon-Vertrages -- dies ist meine feste Überzeugung -- verdienen jedenfalls ohne Zweifel Unterstützung. Drei Gründe sind dabei für mich ausschlaggebend:
*Ein Fortschritt für die Demokratie: *Der Vertrag stärkt die Rechte des Europäischen Parlamentes deutlich. Es wird zu einem echten europäischen Gesetzgeber. Auch die Einbeziehung der nationalen Parlamente in die europäische Politik wird verbessert. Mit der neuen Möglichkeit einer europäischen Initiative von Bürgerinnen und Bürgern wird deren direkter Einfluss auf die EU-Gesetzgebung gestärkt. **
*Ein Fortschritt für das soziale Europa: *Die Europäische Union wird deutlicher als bisher auf sozialdemokratische Werte und Ziele festgelegt. Das Prinzip der "sozialen Marktwirtschaft" wird grundlegendes Unionsziel. Bei den Werten der Union treten an die Seite von Freiheit, Demokratie und den Menschenrechten auch Werte wie Nichtdiskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit und Solidarität. Hinzu kommt: Die EU-Grundrechtecharta, die zukünftig rechtsverbindlich sein wird, enthält soziale Grundrechte, die wir gegen den Widerstand von Konservativen und Liberalen in Europa durchgesetzt haben.
*Ein Fortschritt für ein handlungsfähiges Europa: *Die außenpolitischen Kompetenzen der EU werden in der Hand eines Hohen Vertreters gebündelt, der künftig die Rolle eines EU-Außenministers ausüben wird. Mit einem auf zweieinhalb Jahre gewählten Präsidenten des Europäischen Rates gewinnt die europäische Politik an Sichtbarkeit in der Welt. Wichtig ist zudem, dass Mehrheitsentscheidungen im Ministerrat erleichtert werden.**
Mit freundlichen Grüßen
Hubertus Heil