Frage an Hubertus Heil von Adolf V. bezüglich Familie
Sehr geehrter Herr Heil,
in zunehmendem Maße werden Kinder mit Unterhaltszahlungen für ihre pflegebedürftigen Eltern in Pflegeheimen belastet, deren Renten zusammen mit den Leistungen der Pflegekassen selten ausreichen, um die hohen Heimkosten zu decken.
Die "Eintreibung" des Elternunterhalts durch die Sozialhilfeträger führt zu sehr viel Ungerechtigkeit. Es verwundert insofern nicht, dass viele Unterhaltsberechnungen falsch sind und vom Familiengericht korrigiert werden.
Dies ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass die Rechtslage zum Elternunterhalt sehr unklar ist. Vielmehr unterliegen sie dem Zwang, für ihre Dienstherren möglichst hohe Einnahmen aus dem Elternunterhalt zu erzielen.
Trotz des hohen Verwaltungsaufwands nahmen die Sozialhilfeträger laut Sozialhilfestatistik des Stat. Bundesamts im Jahre 2004 nur etwa 1,25% ihrer Ausgaben über den Elternunterhalt ein. Letztlich finanzieren die Elternunterhaltspflichtigen allenfalls den Verwaltungsaufwand, es kommt aber kein Cent tatsächlich bei den pflegebedürftigen Eltern an.
Warum kommt die Allgemeinheit nur für die Pflegekosten von bedürftigen Kinderlosen und von Eltern auf, die wegen eigener Verfehlungen keinen Unterhalt von ihren Kindern fordern können?
Warum bestraft man gute Eltern, die leistungsfähige Kinder für die Gesellschaft herangezogen haben, mit der Unterhaltspflicht ihrer Kinder?
Ist das familienfreundlich?
Motiviert das zu Leistung?
Wie ist Ihre Meinung hierzu?
Sehr geehrter Herr Voltmer,
vielen Dank für Ihre Anfrage zum Thema Elternunterhalt. Gerne möchte ich Ihnen darauf antworten.
Die Erhebung des Unterhalts von Kindern pflegebedürftiger Eltern ist relativ aufwendig. Wie bei allen Prüfungen der Leistungsfähigkeit oder der Bedürftigkeit in unserem Sozialsystem ist es auch hier außerordentlich schwierig, der tatsächlichen finanziellen Lage der Betroffenen im Einzelfall gerecht zu werden. Das ist sicher einer der Gründe, warum Unterhaltsberechnungen mehrfach von Gerichten korrigiert wurden. Zusammen mit dem insgesamt relativ geringen Aufkommen des Elternunterhalts sprechen diese Probleme eher gegen die Unterhaltsverpflichtung.
Eltern und Kinder sollten ab einem gewissen Zeitpunkt als voneinander ökonomisch unabhängig betrachtet werden. Das gilt auch für die Unterhaltspflicht in beiden Richtungen. Unser Sozialsystem basiert darauf, dass außergewöhnliche Belastungen auf eine möglichst große Solidargemeinschaft verteilt werden. Damit ist die Belastung für den Einzelnen viel geringer als bei der traditionellen Unterstützung im Familienkreis. Ich halte es für richtig, dieses Prinzip konsequent anzuwenden und auf den Rückgriff auf Einkommen und Vermögen der Kinder bei Pflegebedürftigen zu verzichten. Leider wird das bei den aktuellen politischen Mehrheitsverhältnissen schwer durchzusetzen sein. CDU und CSU haben wiederholt gefordert, den Rückgriff auf die Kinder auch auf andere Bereiche des Sozialstaats auszuweiten. So wurde unter anderem von Seiten der CDU gefordert, dass Kinder auch für ihre arbeitslosen Eltern zahlen sollen, bevor der Sozialstaat einspringt.
Die Reform der Pflegeversicherung ist eines der Themen, dass auf der Tagesordnung der Koalition steht. Dabei muss es gelingen, eine langfristig tragfähige und finanzierbare Absicherung für das Risiko der Pflegebedürftigkeit zu schaffen. Ich hoffe, dass damit auch der Rückgriff auf das Vermögen der Kinder zumindest eingeschränkt werden kann. Aber auch hier steht die SPD bei der Frage der Ausweitung des Solidarprinzips vor schwierigen Auseinandersetzungen mit der Union.
Ich hoffe, dass ich ihnen mit dieser Antwort weiterhelfen konnte.
Mit freundlichen Grüßen
Hubertus Heil, MdB