Frage an Hubertus Heil von Stefan M. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Heil,
zur Neuregelung des Elternunterhaltes habe ich eine Frage.
Es gibt einen Gesetzesentwurf, wonach Kinder pflegebedürftiger Eltern erst ab einem Bruttoeinkommen von 100 T€ zum Unterhalt herangezogen werden.
Hier werden Beamte stark bevorzugt und der überwiegende Teil der Beamten fallen raus, die angestellten Geschwister müssen bezahlen.
Ein Beamter mit A 16 hat ca. 5.300,00 € Netto.
Ein Angestelllter mit 101 T€ Jahresbrutto hat monatlich ca. 4.700,00 €
Der Beamte zahlt nichts ( weil Beamter nun einmal ein geringeres Brutto haben)
Der Angestellt zahlt voll
Wenn dies sogar 2 zerstrittene Geschwister sind, herscht noch mehr sozialer Unfrieden.
Für mich ist es völlig unbegreiflich, wie man die Berufsgruppe der Beamte so enorm bevorteilt.
Wie sehen Sie das? Kann man da noch Einfluss nehmen? Sehen Sie das auch so und ich habe etwas übersehen?
Ich freue mich auf eine Antwort und bedanke mich im voraus.
Sehr geehrter Herr M.,
vielen Dank für Ihre Nachricht und Ihre Nachfrage zum Angehörigen-Entlastungsgesetz.
Der Gesetzentwurf, der derzeit im parlamentarischen Verfahren im Bundestag liegt, ist ein wichtiger Schritt um unterhaltsverpflichtete Eltern und Kinder von Menschen, die Leistungen der Hilfe zur Pflege oder andere Leistungen der Sozialhilfe erhalten zu entlasten. Auf ihr Einkommen wird erst ab einem Jahreseinkommen von mehr als 100.000 Euro zurückgegriffen. Die bislang nur in der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung bestehende 100.000 Euro-Grenze, bei deren Überschreitung erst auf das Einkommen bzw. Vermögen der unterhaltsverpflichteten Eltern und Kinder von Leistungsberechtigten nach dem Vierten Kapitel SGB XII zurückgegriffen wurde, wird zukünftig in der Hilfe zur Pflege und sogar in der gesamten Sozialhilfe nachvollzogen.
Mir ist dieses Gesetz sehr wichtig, da die Entlastung von unterhaltsverpflichteten Angehörigen längst überfällig ist. Kinder von pflegebedürftigen Eltern, die ohnehin stark gefordert sind und eine große Verantwortung tragen, sollen nicht zusätzlich zu ihren persönlichen Belastungen auch noch für die Pflegekosten der Eltern aufkommen müssen.
Gerne möchte ich Ihre Frage beantworten. Es ist zutreffend, dass Beamte im Vergleich zu Angestellten bei demselben Nettoeinkommen i.d.R. über ein niedrigeres Bruttoeinkommen verfügen als Arbeitnehmer. Dies kann im Einzelfall auch dazu führen, dass der Arbeitnehmer die 100.000-Euro-Grenze überschreitet, während der Beamte mit seinem Bruttogehalt diese Grenze noch nicht erreicht hat.
Hierzu ist jedoch Folgendes anzumerken:
· Die 100.000-Euro-Grenze ist nicht auf die Entlastung von Beamten, sondern auf die Entlastung der gesamten Mittelschicht ausgerichtet. Denn sowohl der überwiegende Anteil der Beamten, als auch der Arbeitnehmer in Deutschland verdient unter 100.000 Euro brutto. Ein Einkommen über dieser Grenze liegt erheblich oberhalb des Durchschnittsentgelts, weshalb ein Jahreseinkommen von mehr als 100.000 Euro die Ausnahme und nicht die Regel darstellt.
· Die 100 000-Euro-Grenze besteht als Bruttojahreseinkommensgrenze seit Schaffung des SGB XII am 1. Januar 2005 im Vierten Kapitel SGB XII. Sie hat sich über diesen langen Zeitraum nachweislich bewährt, und soll daher jetzt vom Gesetzgeber nicht in seinem Regelungskern verändert, sondern lediglich zugunsten der anderen Unterhaltsverpflichteten von leistungsberechtigten Personen im SGB XII ausgeweitet werden.
· Zudem ist das Bruttojahreseinkommen ein sehr gut handhabbarer und überaus praktikabler Grenzbetrag, um die Einkommensgrenze für den Übergang von Unterhaltsansprüchen auf den Sozialhilfeträger zu ziehen. Wollte man die Grenze am Nettojahreseinkommen festmachen, so mag es gegebenenfalls bei Arbeitnehmern die Möglichkeit geben, dieses durch den monatlichen Einkommensnachweis oder die Lohnsteuererklärung nachzuweisen. Bei Selbstständigen oder Arbeitnehmern mit verschiedenen Einkommensarten ist ein Nachweis über das Nettojahreseinkommen aber überaus schwierig. Hier ist der Einkommensteuerbescheid, der klar das Bruttojahreseinkommen auch aus Vermietung, Verpachtung oder anderem Einkommen ausweist, ein deutlich praktikablerer Maßstab, der relativ wenig Bürokratie und Verwaltungsaufwand nach sich zieht.
Darüber hinaus eröffnet ein Abstellen auf das Nettoeinkommen zumindest bei Ehepaaren und eingetragenen Lebenspartnerschaften einen gewissen steuerrechtlichen Gestaltungsspielraum, (insbesondere durch die Wahl der Steuerklassen). In diesen Konstellationen kann es durchaus zu einem verzerrten Nettoergebnis zugunsten des unterhaltspflichtigen Ehegatten oder Lebenspartners kommen.
· Es liegt in der Natur der Sache, dass starre Grenzen in Einzelfällen als ungerecht empfundenen werden können. Dies gilt jedoch weniger im Verhältnis von Beamten zu Arbeitnehmern, sondern beispielsweise im Vergleich derjenigen, die knapp unter- und oberhalb des Grenzbetrags liegen (Extremfall: Person 1 mit Bruttojahreseinkommen von exakt 100.000 Euro; Person 2 mit Bruttojahreseinkommen von 100.000,01 Euro). Aus diesem Grund ist es das Ziel dieser Regelung, einen möglichst objektiven Maßstab für alle Personengruppen, unabhängig davon, ob selbstständig, angestellt oder verbeamtet vorzugeben.
Ich hoffe ich konnte Ihnen mit meiner Antwort weiterhelfen.
Mit freundlichen Grüßen
Hubertus Heil