Frage an Horst Seehofer von Martin L. bezüglich Umwelt
Sehr geehrter Herr Seehofer
Sicherlich haben Sie von der Wiederstandbewegung des Vereins Gesundes-Wertachtal bezüglich des geplanten EBS Werkes in Ettringen gehört.Wir sind gegen diese EBS-Werke, weil durch den Einsatz einfachster Abgasfiltertechnik Feinstäube, Dioxine, Schwermetalle etc. in sehr bedenklichen Mengen ( www.sueddeutsche.de/wissen/667/301664/text/ vom 19.09.07) in Unseren Lebensraum abgegeben werden. Ausserdem wird auch der Mülltourismus dadurch gefördert.Wie ist Ihre Meinung dazu, bzw. wie gehen Sie gegen solche EBS-Werke vor?
Mfg. Lemke
Sehr geehrter Herr Lemke,
ich bedanke mich für Ihren Beitrag vom 07. September 2008 und das Sie über abgeordnetenwatch.de Kontakt mit mir und meinem Büro aufgenommen haben und damit auf die Probleme bei der Genehmigung und dem Betrieb von Müllverbrennungsanlagen hinweisen.
In der Bundesrepublik Deutschland regelt das Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) die Anforderungen an die Errichtung und den Betrieb von Anlagen zum Schutz vor und zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen. § 5 beschreibt die Pflichten der Betreiber genehmigungsbedürftiger Anlagen. So ist es deren Pflicht, genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass ein hohes Schutzniveau für die Umwelt insgesamt gewährleistet wird.
In § 5, Abs. 1, Nr. 2, des BImSchG ist der Vorsorgegrundsatz formuliert. Er verlangt die Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen, insbesondere durch Maßnahmen, die dem Stand der Technik entsprechen. Die Vorsorge wird durch die 17. Verordnung zur Durchführung des BImSchG aus dem Jahr 2003 konkretisiert. Der darin festgelegte Stand der Technik geht über das durch die Richtlinie 2000/76/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Verbrennung von Abfällen geforderte Niveau hinaus.
Die in der 17. BImSchV festgelegten Emissionsgrenzwerte sind von den Anlagen in jedem Fall einzuhalten, auch unter schwierigen Betriebsbedingungen wie beim Anfahren der Anlage. Dies bedeutet in der Praxis, dass die tatsächlichen Emissionswerte im regulären Betrieb die geforderten Grenzwerte teils deutlich unterschreiten.
Durch die Anforderungen nach § 5, Abs. 1, Nr. 1 des BImSchG zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen, d. h. auch dem Schutz der menschlichen Gesundheit, dürfen keine schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile oder Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft hervorgerufen werden. Diese Schutzanforderungen werden in Nr. 4 der „Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft“ (TA Luft) vom 24. Juli 2002 konkretisiert. Die Grenzwerte sind so anspruchsvoll, dass die Auswahlmöglichkeiten zur Erfüllung des Standes der Technik eingeschränkt sind.
In Ihrem Schreiben erwähnen Sie die Ersatzbrennstoffheizwerken (EBS-Anlagen), die sich derzeit in Planung, im Genehmigungsverfahren oder gar im Bau befinden würden. Es kursieren derzeit viele Gerüchte und Vermutungen über den geplanten Bau von Müllverbrennungsanlagen bzw. EBS-Anlagen. Diese Anlagen haben eine lange Lebensdauer, d. h. in dieser Zeit muss ein Nachschub an Ersatzbrennstoffen gewährleistet sein. Je mehr EBS-Anlagen gebaut werden, desto schwieriger wird es, EBS als Brennmaterial zu bekommen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Banken derzeit sehr zurückhaltend bei der Kreditfinanzierung für solche Anlagen sind. Jeder Unternehmer wird sich also eine solche Entscheidung reiflich überlegen. Heute steht bereits fest, dass ein erheblicher Teil der geplanten EBS-Kraftwerke nicht verwirklicht werden.
In nicht ausgelasteten Anlagen wird, dieses gilt auch für kommunale Anlagen, Abfall hinzu gekauft. Selbst bei dem Abfall aus privaten Haushalten, für den die Kommunen zuständig sind, gibt es Kooperationen zwischen verschiedenen Kommunen und Kreisen und damit Mülltourismus.
Bei Sondermüll verhält es sich so, dass der Aufbau ortsnaher Behandlungskapazitäten gar nicht möglich ist, da bestimmte Arten Sondermüll in sehr geringen Mengen anfallen.
Noch ein Wort zum Abfall aus dem Ausland. Innerhalb der EU gilt für gewerblichen Abfall der freie Warenverkehr. Die Abfallverbringungsverordnung wurde verschärft. Vor allem aber wurde der Export an schärfere Auflagen geknüpft, die sicherstellen sollen, dass Abfall ordnungsgemäß und nach gleichem Standard entsorgt wird. Sofern jedoch die EU-rechtlichen Vorgaben zur Verwertung und Entsorgung eingehalten werden, gilt für gewerblichen Abfall das Binnenmarkprinzip der Warenverkehrsfreiheit. Weder kann der Export/Import noch der Bau von Verwertungsanlagen nach dem europäischen Abfallrecht verhindert werden.
Mit freundlichen Grüßen
Horst Seehofer, MdB