Frage an Horst Meierhofer von Hans W. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Meierhofer,
als Bürger Ihres Wahlkreises frage ich Sie, was sie dazu bewogen hat, dem Tornado-Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan zuzustimmen.
In Erwartung Ihrer Antwort und mit Dank für Ihre Mühe,
Hans Wallner
Sehr geehrter Herr Wallner,
Ich kann Ihnen versichern, dass mir diese Entscheidung nicht leicht gefallen ist. Denn natürlich sehe ich die Risiken, denen alle deutschen Soldatinnen und Soldaten in Afghanistan ausgesetzt sind, natürlich sehe ich, dass die Wiederaufbaubemühungen in Afghanistan trotz mancher beeindruckender Leistungen noch nicht zu einem breiten Erfolg geführt haben, und natürlich sehe auch ich, dass mit dem landesweiten Einsatz von TORNADO-Aufklärungsflugzeugen unsere Verantwortung eine neue Qualität erhält. Das alles - und manch andere Einwände - galt es abzuwägen gegen die mit einer Ablehnung verbundenen möglichen Konsequenzen. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auf drei Punkte hinweisen:
1.
Ausgangspunkt des internationalen Engagements in Afghanistan war im Jahre 2001 in Folge der Anschläge vom 11. September die Entmachtung der Taliban, die nicht nur die Menschen in Afghanistan brutal unterdrückten, sondern eben auch international operierenden Terrornetzwerken eine staatlich geschützte Operationsbasis boten. Die Konsequenz einer Beendigung des internationalen Engagements in Afghanistan zum jetzigen Zeitpunkt wäre gleichbedeutend damit, das Land wieder den Taliban zu überlassen - mit allen Konsequenzen für die afghanische Bevölkerung und für die sich daraus ergebenden neuen Möglichkeiten des internationalen Terrorismus.
2.
Deutschland hat mit seiner Teilnahme an der International Security Assistance Force (ISAF) eine Gesamtverantwortung für die Wiederaufbaubemühungen in Afghanistan übernommen. Natürlich gibt es sinnvolle Aufteilungen zwischen den ISAF-Partnern in Bezug auf die Geographie des Landes und die zu leistenden Aufgaben. Dennoch bleibt der ISAF-Einsatz ein gemeinsamer Einsatz aller Verbündeten, und damit ist auch die zu tragende Verantwortung eine gemeinsame Aufgabe. Der immer wieder in der Öffentlichkeit erweckte Eindruck, wir hätten im Norden des Landes den ´Schlüssel zum Wiederaufbau´ gefunden, während unsere Partner im Süden und Osten des Landes allein Opfer einer verfehlten Strategie seien, ist eine gefährliche und unfaire Illusion. Erfolge und Misserfolge gilt es gemeinsam zu analysieren und entsprechende Konsequenzen zu ziehen. NATO ebenso wie ISAF folgen grundsätzlich dem Konsensprinzip. Deshalb muss sich auch die deutsche Bundesregierung anrechnen lassen, was andere Verbündete im Rahmen der NATO und ISAF machen und sagen.
3.
Der Grundansatz aller Wiederaufbaubemühungen in Afghanistan ist ziviler Natur. Wir haben seit Beginn des internationalen Engagements immer wieder darauf hingewiesen, dass militärisches Vorgehen allein nicht zu einem Erfolg führen wird. Ziel des Engagements sind demokratisch organisierte und rechtsstaatlich funktionierende afghanische Staatsstrukturen, die stabil genug sind, selbst die Verantwortung für Sicherheit und Stabilität zu übernehmen und gleichzeitig die Vorraussetzungen für die weitere Entwicklung des Landes zu schaffen. Dem stehen derzeit vor allen Dingen vier Faktoren im Wege, nämlich erstens die unsichere Lage in weiten Teilen des Landes, zweitens die ungelöste Problematik des Drogenanbaus und Drogenhandels, drittens Korruption und Ineffizienz in den afghanischen Regierungs- und Verwaltungsstrukturen und viertens Probleme im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet, das für Taliban, Terroristen und der organisierten Kriminalität eine Rückzugs- und Operationsbasis darstellt.
Die Notwendigkeit auch militärischen und polizeilichen Vorgehens ist angesichts dieser Situation aus meiner Sicht derzeit weiterhin gegeben. Gleichzeitig sollte uns allerdings klar sein, dass wir in den anderen genannten, zivilen Bereichen weitaus entschlossener und koordinierter werden vorgehen müssen als bisher. Das gilt sowohl für die Abstimmung der Bemühungen innerhalb der internationalen Gebergemeinschaft für Afghanistan als auch in der Zusammenarbeit mit der afghanischen Regierung.
Die deutschen TORNADO-Flugzeuge für Afghanistan haben einen Aufklärungsauftrag. Sie können durch eine bei den Bündnispartnern derzeit anderweitig kaum verfügbare Fähigkeit präzise Aufklärungsbilder liefern, die in letzter Konsequenz auch der Sicherheit unserer Soldatinnen und Soldaten und der unserer Verbündeten sowie der Vermeidung ziviler Opfer zugute kommen.
Mit freundlichen Grüßen
Horst Meierhofer