Frage an Horst Meierhofer von Ferdinand G. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Meierhofer;
wie empfinden Sie es, wenn Richter, die erstgenommen werden möchten im vollen Besitz ihrer geistigen Kräfte, Mörder zu lebenslanger Haft verurteilen und dabei genau wissen, dass sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nach 15, spätestens nach 20 Jahren wieder frei sind? Und was empfinden Sie, wenn die Mörderin Mohnhaupt zu fünf Mal lebenslänglich + 15 Jahren verurteilt wurde und nun nach nur 24 Jahren wieder freikommen soll? Nach meinen Berechnungen wären 5 x 15 Jahre immr noch 75 Jahre. Oder gibt es bei Massenmördern etwa so etwas wie Mengenrabatt?
Wundern Sie sich eigentlich, wenn immer mehr Wähler rechte Parteien wählen?
Mit freundlichen Grüssen
Ferdinand Grammig
Sehr geehrter Herr Grammig,
zunächst einmal vielen Dank für Ihre E-Mail. Dort sprechen Sie den Fall Brigitte Mohnhaupt an. Vergangene Woche hat das Oberlandesgericht Stuttgart entschieden, die frühere RAF-Terroristin Ende März nach mehr als 24 Jahren auf Bewährung frei zu lassen. Die Bewährungszeit beträgt fünf Jahre. Meiner Meinung nach hat dieser Fall gezeigt, dass unser Rechtsstaat auch in so brisanten Fällen wie den RAF-Morden funktioniert. Das zuständige Gericht in Stuttgart hat Frau Mohnhaupt - wie es sich in einem Rechtsstaat gehört – genau so behandelt, wie sie behandelt werden muss: als verurteilte Mörderin ohne Vorzugsbehandlung oder Historienbonus gegenüber anderen Mördern. Im Übrigen möchte ich klarstellen, dass es sich bei dem Fall Mohnhaupt nicht um eine politische, sondern um eine juristische Fragestellung handelt. Halten sich die Gerichte an die geltende Rechtslage, steht es der Politik nicht zu, sich einzumischen.
Wie Sie bereits in Ihrer E-Mail erwähnt haben, war Frau Mohnhaupt 1985 zu einer Haftstrafe von fünf Mal lebenslänglich plus 15 Jahren verurteilt worden. Das entspricht nach dem heute gültigen Strafecht in Deutschland einer „besonderen Schwere der Schuld“. Das heißt: stellt ein Gericht die besondere Schwere der Schuld des Täters fest, wird nicht bereits nach 15 Jahren verbüßter Haft geprüft, ob der Verurteilte auf Bewährung in Freiheit kommt oder nicht, sondern erst nach 20 oder 22 oder 25 Jahren; und auch nur dann, wenn von dem/der Verurteilten keine Gefahr mehr für die Allgemeinheit ausgeht. Ansonsten kann die Freiheitsstrafe tatsächlich auch „lebenslänglich“ sein. Begeht man so schwere Straftaten, wie Frau Mohnhaupt dies getan hat, kommt man also nicht ganz so einfach nach 15 Jahren wieder frei. Dennoch halte ich es für richtig, dass das deutsche Strafrecht den „lebenslänglich Verurteilten“ eine konkrete und grundsätzlich realisierbare Chance gibt, die Freiheit wiederzugewinnen.
Nichts desto trotz ist mir bewusst, dass die RAF-Opfer nicht mehr lebendig werden und die Angehörigen der Ermordeten ihr Leben lang unter den Folgen dieses Verbrechens leiden. Deshalb unterstütze ich auch ausdrücklich die Forderung von Frau Leutheusser-Schnarrenberger, den Opfern der RAF mit einer Feier zu gedenken.
Mit freundlichen Grüßen
Horst Meierhofer