Frage an Horst Meierhofer von Matthias W. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Mayerhofer,
das kerntechnische Regelwerk im Umfang der „Sicherheitskriterien für Kernkraftwerke“, stammt aus Ende der siebziger und Anfang der achtziger Jahre.
Diese nun über 30 Jahre alten „Sicherheitskriterien für Kernkraftwerke“ dienen aktuell immer noch als kerntechnische Referenzmaßstäbe für Sicherheitsüberprüfungen nach § 19 a des Atomgesetzes (AtG).
Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) hat deshalb in 2003 ein Programm zur Überarbeitung des kerntechnischen Regelwerks gestartet. Die Revision D des neuen kerntechnischen Regelwerks ist abgeschlossen und im Internet unter http://regelwerk.grs.de/index.html abrufbar.
Es wurde jedoch, wie auch seine Vorgänger, die Revisionen A bis C, nie in Kraft gesetzt,
Wäre es daher nicht sachlich angemessen und in Respekt zum Atomgesetz, die „Sicherheitskriterien für Kernkraftwerke“ z.B. alle zwei Jahre offiziell in der jeweils aktuellen Revision amtlich zu veröffentlichen und verbindlich im Rahmen des geltenden Atomrechts bei der laufenden Beurteilung von kerntechnischen Anlagen anzuwenden?
Die zentrale Frage ist, warum wird die jeweils aktuelle Revision der neuen „Sicherheitskriterien für Kernkraftwerke“, welche ja druckreif vorliegt, nicht offiziell in Kraft gesetzt, so dass sich Betreiber und Kontrollinstanzen immer noch auf das längst veralterte Regelwerk berufen bzw. prüfen können?
Die Folgen von Tschernobyl sind mir als Initiator der privaten Hilfsaktion www.kinderhilfe-ukraine.de und durch viele Reisen in die Ukraine immer wieder gegenwärtig. Aber auch die zeitnahen, tragischen Ereignisse in Fukushima offenbaren immer mehr technische Unzulänglichkeiten und Fehler bei der Planung und dem Betrieb derartiger Anlagen.
Wann werden die neuen "Sicherheitskriterien für Kernkraftwerke" in ihrer Anwendung für alle Beteiligten in Deutschland verbindlich?
Um Ihre geschätzte Antwort wird gebeten. Vielen Dank.
Mit freundlichen Grüßen
Matthias M. Werner
Sehr geehrter Herr Werner,
vielen Dank für Ihre Anfrage zur Überarbeitung der Sicherheitskriterien für Kernkraftwerke/kerntechnisches Regelwerk.
Anders als Parlamentsgesetze oder Verordnungen wird das untergesetzliche Regelwerk nicht förmlich in Kraft gesetzt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Vorschriften nicht gelten würden. Ihre These, Betreiber und Kontrollinstanzen könnten sich auf veraltete Regelwerke berufen, trifft daher nicht zu, denn Sicherheitsmaßstab im Atomrecht ist und bleibt der Stand von Wissenschaft und Technik. Und dieser Maßstab ist nicht statisch. Gleichwohl gibt es Überlegungen, das untergesetzliche Regelwerk in regelmäßigen Zyklen zu überarbeiten.
Die aktuelle Überarbeitung der Sicherheitskriterien für Kernkraftwerke hat das Ziel, vorhandene Regeln, bestehende Praxis, internationale Anforderungen und neue wissenschaftliche Erkenntnissen zusammenzuführen. Sie sollen die bisherigen Sicherheitskriterien für Kernkraftwerke, Stand 1977, die RSK-Leitlinien für Druckwasserreaktoren, Stand 1981 mit Aktualisierungen von 1996, und die Störfallleitlinien von 1983 ersetzen.
Diese Sicherheitskriterien gehören zum sog. untergesetzlichen Regelwerk. Wie bereits gesagt, wird das untergesetzliche Regelwerk im Unterschied zu Gesetzen oder Verordnungen nicht förmlich in Kraft gesetzt. In der Vergangenheit sind die für den Betrieb von KKW maßgeblichen untergesetzlichen Regelwerke vom Länderausschuss für Atomkernenergie beschlossen und vom zuständigen Bundesministerium (früher Bundesinnenministerium, heute BMU) bekannt gegeben worden, zumeist mit der Formulierung: "/sind die zuständigen atomrechtlichen Behörden von Bund und Ländern übereingekommen, die nachfolgenden Regelungen ihrem verwaltungsrechtlichen Handeln zugrunde zu legen/...".
Maßgeblich für den Vollzug des Atomgesetzes ist generell die "nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Schadensvorsorge". Mit diesem vom Bundesgesetzgeber verwendeten unbestimmten Rechtsbegriff wird eine dynamische Weiterentwicklung der Vorsorge nach neuestem Stand gefordert. Dieser gesetzlich vorgegebene Maßstab wird z.B. durch die Strahlenschutzverordnung weiter konkretisiert und ist für Verwaltung, Betreiber und die Allgemeinheit verbindlich und kann nicht durch ein Veralten von untergesetzlichem Regelwerk außer Kraft gesetzt werden.
Die ebenfalls zum untergesetzlichen Regelwerk gehörenden Regeln des beim BMU eingerichteten kerntechnischen Ausschusses (KTA-Regeln) werden regelmäßig alle fünf Jahre aktualisiert.
Die Praxis einer fünfjährigen Aktualisierung, wie sie beim KTA erfolgt, wurde bei einer internationalen Überprüfungsmission (International Regulatory Review Service - IRRS) deutscher atomrechtlicher Behörden (BMU und Umweltministerium Baden-Württemberg) als vorbildliche Praxis bezeichnet. Das BMU prüft derzeit Empfehlungen der IRRS und will dabei einen entsprechenden Überprüfungs- und Aktualisierungszyklus auch für das sonstige untergesetzliche Regelwerk in Betracht ziehen.
Mit freundlichen Grüßen
Horst Meierhofer