Frage an Hiltrud Lotze von Miro T. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Lotze,
ich möchte gerne erfahren, wie Sie zu der Einführung der Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung stehen, und weshalb es die SPD mehrheitlich befürwortet, mich anlasslos zu überwachen?
Ergänzend dazu:
- Warum soll die Unschuldsvermutung nicht mehr gelten?
- Welche Gründe haben die Position der SPD von 2014, die ausdrücklich die EU-weite Abschaffung der Vorratsdatenspeicherung forderte, umgestimmt?
- Welche Belege gibt es für die Wirksamkeit dieses Instruments?
- Weshalb hat das Gutachten des max Planck Instituts, das die Bundesregierung selbst beauftragt hat und das die Wirksamkeit widerlegt, Unrecht?
- Wie werden Whistleblower noch gesichert kommunizieren können?
- Welche Fallbeispiele aus anderen Ländern sind Ihnen bekannt, in denen die Vorratsdatenspeicherung nachweislich zum Ermittlungserfolg beigetragen hat und nicht widerlegt ist wie bei Anders Breivik, den NSU Morden, den Charlie Hebdo Attentaten?
- Empfehlen Sie mir, aufgrund der anscheinend sehr hohen Gefährdungslage nicht mehr in Länder zu reisen die die Vorratsdatenspeicherung abgeschafft haben, wie z.B. die Niederlande, Bulgarien oder die Slowakei?
Freundliche Grüße,
Miro Tunk
Sehr geehrter Herr Tunk,
vielen Dank für Ihre Fragen und Ihr Interesse für dieses Thema. Ich hatte Ihnen bereits Ende Mai per Post geantwortet. Mittlerweile hat der Deutsche Bundestag dem Gesetz zur Einführung einer Speicherpflicht und Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten zugestimmt. Auch ich habe dem Gesetz zugestimmt und begründe Ihnen gerne meinen Entschluss.
Mit dem Gesetz wird eine eng begrenzte Pflicht für alle Telekommunikationsanbieter zur Speicherung von wenigen, genau bezeichneten Verkehrsdaten unter Ausnahme von Diensten der elektronischen Post – also E-mails – eingeführt. Der SPD-Parteitag hatte 2011 bereits einen festen Rahmen für eine Speicherung gesetzt, in dem sich das aktuelle Gesetzt nun auch bewegt. Wir konnten in den Verhandlungen u.a. durchsetzen, dass der Zugriff auf die gespeicherten Daten transparent und restriktiv geregelt wird. Auch konnten wir Höchstspeicherfristen von 12 Monaten oder länger, wie von einigen in der Union gefordert wurde, verhindern.
Gespeichert werden dürfen außerdem nur genau bezeichnete Verkehrsdaten, die bei der Telefonkommunikation anfallen (Rufnummer, Beginn und Ende des Telefonats, im Fall von Internet-Telefondiensten auch die IP-Adressen). Diese Daten sollen zehn Wochen gespeichert werden.
Für die Bezeichnung der Funkzellen, die durch den anrufenden und den angerufenen Anschluss bei Beginn der Verbindung genutzt werden, gilt eine deutlich kürzere Speicherfrist von vier Wochen. Diese kurze vierwöchige Speicherfrist ist vorgesehen, weil über Funkzellendaten der Aufenthaltsort des Mobilfunknutzers bestimmt werden kann und wir nicht wollen, dass mittels dieser Daten Bewegungs- und Persönlichkeitsprofile erstellt werden können.
Um die Grundrechte der Betroffenen auf Datenschutz und Schutz ihrer Privatsphäre zu wahren, ist der Datenabruf nur zur Verfolgung von schwersten Straftaten möglich. Daten von Berufsgeheimnisträgern wie Journalisten, Anwälten oder Ärzten unterliegen einem Verwertungsverbot. Dies gilt auch bei Zufallsfunden.
Wichtig war uns, dass der Zugriff auf die gespeicherten Daten transparent und restriktiv geregelt ist: Es gibt einen strengen Richtervorbehalt, d.h. nur auf richterlichen Beschluss hin dürfen Ermittlungsbehörden die Daten abrufen und es gibt keine Eilkompetenz der Staatsanwaltschaft oder der Polizei. Es gilt weiterhin die Unschuldsvermutung. Im Vergleich zu der vom Bundesverfassungsgericht verworfenen Regelung zur Vorratsdatenspeicherung ist der von Minister Maas vorgelegte Straftatenkatalog deutlich reduziert worden. Der Abruf von Daten wird nur für schwerste Straftaten möglich sein. Darüber hinaus müssen die Betroffenen grundsätzlich über jeden Abruf informiert werden. Nach Ablauf der Speicherfrist von zehn bzw. vier Wochen müssen die gespeicherten Daten gelöscht werden. Verstöße gegen die Löschpflichten oder die Weitergabe von Daten haben strenge Sanktionen für die Diensteanbieter zur Folge.
Die Zustimmung zum Gesetz zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten ist mir nicht leicht gefallen. In der SPD und in der Fraktion haben wir ausführlich und kontrovers darüber diskutiert. Wir konnten aber, wie anfangs beschrieben, bei den Gesetzesverhandlungen wichtige Punkte u.a. beim Thema Datenschutz durchsetzen und längere Speicherfristen verhindern. Mit dem jetzigen Gesetz hat Deutschland die strikteste Regelung zur Speicherung von Verkehrsdaten in ganz Europa.
Mit freundlichen Grüßen
Hiltrud Lotze