Frage an Hiltrud Breyer von Martin K. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau Breyer,
mich beschäftigt die Food Supplements Directive (2002/46/EC), die zwar schon älter ist, von der ich aber erst jetzt erfahren habe und deren Wirkung erst 2009 spürbar werden soll, wenn die Übergangsfrist abläuft.
Wenn ich das richtig verstanden habe, sollen wir Verbraucher dadurch geschützt werden, dass alle Nahrungsergänzungsmittel (Vitamin C, Magnesium, Folsäure, etc.) deren Unbedenklichkeit nicht in wissenschaftlich aufwendigen Studien belegt wurde, vom Markt genommen werden müssen.
Ist das korrekt? Wenn ja, ist Ihnen klar, dass damit viele über Generationen hinweg als nützlich erwiesene Stoffe verschwinden, weil solche Unbedenklichkeits-Studien von den oft kleinen Familienunternehmen nicht geleistet werden können?
Können Sie garantieren, dass mit dieser Direktive die den Ärzten und großen Pharmaunternehmen nicht ebenso störenden freien Arzneimittel wie Bach-Blüten und Homöopathische Stoffe verschwinden, weil dort oft auch keine riesigen Unbedenklichkeitsstudien vorliegen?
Ich wurde durch einige Naturheil-Verbände auf diese Direktive aufmerksam und bin etwas verunsichert, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass die EU soetwas wollen kann.
Ich profitiere sehr von Nahrungsergänzungsmitteln, weil ich durch eine (genetische?) Resorptionsstörung nicht genug Nährstoffe aus der Nahrung aufnehmen kann und damit eine zusätzliche Aufnahme brauche. Seit ich die zu wenig aufgenommenen Stoffe zu mir nehme (von einem Heilpraktiker bestimmt) ist meine frühere Neigung zu Infekten und Müdigkeit fast ganz verschwunden. Es kann doch nicht sein, dass die EU mir diese Möglichkeit gesund zu bleiben nehmen will - zumal ich das selbst und nicht über GKV bezahle.
Mit der gleichen Argumentation könnte man dann auch Zucker und Fett verbieten, weil diese Stoffe nicht nur keine Unbedenklichkeitsstudien haben sondern nachweislich zu Fettleibigkeit und Diabetes Typ II führen können.
Bitte klären Sie mich kurz über die Direktive und ihre Folgen auf!
Vielen Dank,
Martin Klugmann
Sehr geehrter Herr Klugmann,
vielen Dank für Ihre Frage zum Thema Nahrungsergänzungsmittel. Ich kann gut nachvollziehen, dass Sie darüber besorgt sind, dass aufgrund der Richtlinie 2002/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. Juni 2002 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für Nahrungsergänzungsmittel (Food Supplements Directive) viele Stoffe vom europäischen Markt verschwinden könnten.
Da ich Ihre Besorgnis teile, habe ich mich 2001 und 2002 zusammen mit meinen Kolleginnen und -kollegen meiner Fraktion Die Grünen/EFA im Europäischen Parlament gegen eine Verabschiedung der Richtlinie in der heute gültigen Form stark gemacht.
In der Frage der Nahrungsergänzungsmittel bin ich manchmal etwas gespalten. Einerseits nutze ich selbst bestimmte Nahrungsergänzungen, ähnlich den von Ihnen angesprochenen Vitaminpräparaten. Andererseits höre ich in der Zwischenzeit aber lauter werdende Kritik, zum Beispiel von meiner Homöopathin, besonders was eine mögliche Gewöhnung und Anpassung des Körpers an eine erhöhte Vitamin- und Mineralienzufuhr angeht. Das trifft ja nicht für Sie zu, da Sie an einer Resorptionsstörung leiden. Daher kann ich Sie nur sehr unterstützen, dass es hierfür klare Ausnahmebestimmungen geben müsste. Ich schlage vor, dass ich dazu eine parlamentarische Anfrage an die EU-Kommission einreiche und bin Ihnen sehr dankbar für den Hinweis, der sicher auch für viele andere Betroffene gilt. Bitte setzen Sie sich bezüglich der parlamentarischen Anfrage mit meinem Büro in Verbindung, am besten per e-mail an hiltrud.breyer@europarl.europa.eu.
Zum Hintergrund der Nahrungsergänzungsmittel-Richtlinie: Die Richtlinie soll durch eine Harmonisierung der Gesetze zu Nahrungsergänzungsmitteln in den EU-Mitgliedsstaaten den Handel mit Nahrungsergänzungsmitteln in der Europäischen Union vereinfachen und zudem die Gesundheit der Verbraucherinnen und Verbraucher schützen. Anhand einer Positivliste, die die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) erstellt, wird festgelegt, welche Nahrungsergänzungsmittel in welchen Konzentrationen auf dem europäischen Binnenmarkt verkauft werden dürfen. In Kürze soll die Richtlinie geändert werden und sowohl tägliche Maximal- als auch Minimal-Dosen von Vitaminen und Mineralien festgelegt werden.
Die Nahrungsergänzungsmittel-Richtlinie trat am 1. August 2003 in Kraft. Produkte, die Vitamin- und Mineralstoffprodukte enthalten, die nicht auf der Positivliste stehen, fallen erst ab dem 01. Januar 2010 in ihren Geltungsbereich. Bis dahin sind sie auf dem europäischen Markt noch erhältlich.
Die "Alliance for Natural Health" (ANH), ein europaweit agierender Zusammenschluss von Herstellern, Händlern und Verbrauchern naturnaher Nahrungsergänzungsmittel, hat nach der Verabschiedung der Richtlinie eine Klage beim Europäischen Gerichtshof (EUGH) eingereicht. Diese Klage sorgte für die Klärung wichtiger Fragen und reduzierte rechtliche Unsicherheiten. Der EUGH bestätigte die Gültigkeit der Richtlinie, engte jedoch ihren Geltungsbereich ein. Vitamine und Mineralien, die auf natürliche Weise in Nahrungsmitteln enthalten sind, sind von der Nahrungsergänzungsmittel-Richtlinie nun nicht mehr betroffen. Anwendung findet die Richtlinie bei Vitaminen und Mineralien, die der Nahrung künstlich zugesetzt werden. Zudem wurde die Aufnahme von Nahrungsergänzungsmitteln in die Positivliste der anerkannten Substanzen vereinfacht, benötigt weniger Zeit und ist nicht mehr so kostspielig wie zuvor. Erreicht wurde auch, dass die Beweislast dafür, dass eine Zutat unsicher ist, nun bei den Behörden und nicht mehr beim Erzeuger liegt.
Die EFSA ist derzeit noch mit der Erstellung der Positivliste beschäftigt. Bislang hat sie nur wenige negative Meinungen zu Nahrungsergänzungsmitteln abgegeben (zu sechs Formen von Vanadium und Vitamin E Tocotrienols). Wann die Positivliste abgeschlossen sein wird und welche Nahrungsergänzungsmittel dadurch vom Markt genommen werden müssen, ist derzeit noch nicht absehbar.
Viele Formen von Vitaminen und Mineralien könnten ab 2010 verboten sein, da der EFSA nur unzureichende Daten über ihre Sicherheit und ihre biologische Verfügbarkeit vorliegen. Ich setze mich dafür ein, dass die Hersteller der EFSA weitere Daten zukommen lassen können, falls dies für die Risikobewertung nötig ist. Ich habe auch Zweifel an den wissenschaftlichen Methoden zur Risikobewertung durch die EFSA, da sie nicht berücksichtigen, dass es von der Dosierung abhängt, ob ein Nährstoff eine Gesundheitsgefahr für bestimmte Bevölkerungsgruppen darstellt oder nicht. Auch bei der Festlegung von Minimal- und Maximaldosen sehe ich wissenschaftliche Schwächen. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat Maximaldosen festgelegt, die so niedrig sind, dass die Dosen bereits bei einer normalen Mahlzeit überschritten werden. Bereits eine einzige Paranuss enthält dreimal mehr Selen, eine einzige rohe Karotte dreimal mehr Beta-Carotin und ein 200g Steak deimal mehr Zink als die BfR in Nahrungsergänzungsmitteln zulassen möchte. Hier sehe ich dringenden Überarbeitungsbedarf bei der Festlegung von Maximalwerten.
Wenn Sie sich für alternative Heilmethoden einsetzen möchten, können Sie an einer Unterschriftenaktion der Europäischen Allianz von Initiativen angewandter Anthroposophie (ELIANT) teilnehmen und für die rechtliche Sicherung von Initiativen angewandter Anthroposophie eintreten. Auf meiner Webseite www.hiltrud-breyer.eu finden Sie in der Rubrik "Aktiv Werden" den Link zur Aktion.
Sie haben übrigens Recht: Fett und Zucker in zu hohen Mengen sind auch nicht unbedenklich. Um es den Verbraucherinnen und Verbrauchern in Europa leichter zu machen gesunde Nahrungsmittel beim Einkauf auszuwählen, setze ich mich daher für eine Nährwertkennzeichnung nach dem Ampelprinzip ein. Diese kennzeichnet Produkte, die wenig Fett, gesättigte Fettsäuren, Zucker oder Salz enthalten mit einem grünen Symbol, diejenigen, die mittlere Werte vorweisen, mit einem gelben und diejenigen mit einem hohen Gehalt, mit einem roten Punkt.
Mehr Informationen zur Nahrungsergänzungsmittel-Richtlinie und ihren Auswirkungen finden Sie auf den folgenden Webseiten:
- Alliance for Natural Health (ANH): http://www.anhcampaign.org/search/node/food+supplements+directive (in Englisch)
- Portal der Europäischen Union: http://europa.eu/scadplus/leg/de/lvb/l21102.htm (in Deutsch)
- Europäische Kommission, Generaldirektion Gesundheit und Verbraucherschutz:
http://ec.europa.eu/food/food/labellingnutrition/supplements/index_en.htm (in Englisch)
Ich wünsche Ihnen alles Gute und beste Gesundheit.
Ihre
Hiltrud Breyer