Frage an Hermann Schaus von Jennyfer H. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Schaus,
halten Sie es für selbstverständlich im respektvollen Umgang miteinander, wenn Politiker, wie beispielsweise ein stellvertretender Landtagspräsident, Kollegen einer anderen Fraktion öffentlich als ´Schweine´ bezeichnet?
Welcher Eindruck entsteht durch eine derartige Aussage wohl in der Öffentlichkeit?
Für die Beantwortung der Frage im Voraus dankend und mit freundlichen Grüßen
Jennyfer Herrmann
Sehr geehrte Frau Herrmann,
vielen Dank für Ihre Frage, die mir Gelegenheit bietet dazu Stellung zu nehmen.
Ich habe unmittelbar nach Bekannt werden der Absichten der vier Abgeordneten, die Wahl von Frau Ypsilanti in letzter Minute zu vereiteln - in der ersten Aufregung -, sehr spontan und "aus dem Bauch heraus, reagiert. Dies sollte einem Politiker, von dem stets erwartet wird, dass er kühl und überlegt handelt, nicht passieren, ist aber nur all zu menschlich. Dabei hatte ich auf eine Aussage des ehem. Frankfurter Oberbürgermeisters, Andreas von Schoeler (SPD), Bezug genommen, die interessanterweise bereits zwei Tage vorher, nebst Karikatur, in der Frankfurter Neuen Presse (01.11.2008, "Halloween ist Geisternacht:, URL: http://www.fnp.de/fnp/region/lokales/rmn01.c.5274102.de.htm) erschienen war.
Ich wollte so meine Betroffenheit und meine tiefste Empörung über die Handlungsweise der ehem. Abgeordneten zum Ausdruck bringen. Keinesfalls war es meine Absicht die handelnden Personen herab zu setzen oder herab zu würdigen. Noch am gleichen Abend habe ich deshalb, ohne Aufforderung Dritter, ein Entschuldigungsschreiben verfasst und dies auch gleich öffentlich bekannt gegeben.
Die vier ehem. Abgeordneten haben ihr Handeln mit ihrer freien Mandatsausübung begründet und als Gewissensentscheidung dargestellt. Beides, freie Mandatsausübung und Gewissensentscheidung, unterstütze ich selbst mit allem Nachdruck! Hinsichtlich deren Gewissensentscheidung stellen sich mir allerdings nach wie vor viele Fragen. Was ist eine Gewissensentscheidung? Wäre es nicht offen und ehrlich gewesen die SPD-Parteiführung rechtzeitig vor dem Landesparteitag, zumindest in einem vertraulichen Gespräch, von den eigenen Bedenken zu unterrichten, anstatt einen Zeitpunkt zu wählen der den größtmöglichen Schaden verursacht? Eine Gewissensentscheidung kündigt sich doch schließlich längere Zeit vorher an, oder? Hierzu empfehle ich die Lektüre des Artikels von Martin Hecht, erschienen in der Frankfurter Rundschau vom 07.11.2008, URL: http://www.fr-online.de/frankfurt_und_hessen/dossiers/hessenwahl_2009/spezial_ypsilantis_weg_des_scheiterns/?em_cnt=1625839& .
In einigen Medien wurden die vier ehem. Abgeordneten auch dafür gelobt, dass sie ihre Entscheidung nicht erst still in der Wahlkabine getroffen hätten. Auch diesem Lob kann ich mich nicht anschließen, denn sie haben stets betont, dass es ihre Absicht war zu einer anderen Regierungsmehrheit, möglicherweise also auch zu einer großen Koalition, zu kommen. Um dies aber zu erreichen mussten sie offen agieren, denn sie wollten ja zunächst keine Neuwahlen. Das überwältigende Votum des Landesparteitages der SPD vom Vortag (96 % Zustimmung) haben sie dabei allerdings völlig außer Acht gelassen.
Ich habe zahlreiche Zuschriften zu meiner Aussage erhalten, darunter kritische, aber auch viele anerkennende. Ich würde aus heutiger Sicht eine solche Aussage nicht mehr machen. Von einem allseits respektvollen Umgang in der Politik und unter Politikerinnen und Politikern halte ich sehr viel. Ich würde mich deshalb auch sehr freuen, wenn der Umgang mit uns als LINKEN nicht weiter durch öffentliche Diffamierungen, sondern durch sachliche Argumente, geprägt wäre.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein gutes neues Jahr.
Hermann Schaus