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Hermann Schaus
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Frage von Andreas G. •

Frage an Hermann Schaus von Andreas G. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Schaus,

ich habe mir auf der Webseite sozialisten.de die dort aufgeführten 10 Standpunkte, welche ich mal als Orientierung für ein noch kommendes Programm interpretiere, angeschaut und mir stellen sich dabei einige Fragen - sowohl zu Dingen, die dort aufgeführt sind als auch zu solchen, die dort fehlen.

1. die Linkspartei sieht sich offenbar nach wie vor als sozialistische Partei. Mir fehlt allerdings eine klare Stellungnahme dazu, wie Sie heute Sozialismus interpretieren. Können Sie mir bitte kurz schildern, wie sie sich Sozialismus heute vorstellen. Ich denke, die Modelle Kuba oder DDR sind wohl nicht gemeint.

2. Sehr erfreulich empfinde ich Ihr Engagement für freiheitliche Bürgerrechte. Ihre Einschätzung, daß man die Freiheit nicht verteidigen kann, indem man sie einschränkt, teile ich. Allerdings empfinde ich persönliche Freiheit als untrennbar verbunden mit ökonomischer Freiheit - insbesondere der Vertragsfreiheit. Ich habe den Eindruck, an dieser Stelle hört die Freiheitsliebe Ihrer Partei auf, forden Sie eine doch massive Einschränkung durch eine ganze Reihe von Gesetzen (gesetzlicher Mindestlohn ist nur eines davon). Ein gesetzlicher Mindestlohn würde gerade für gering qualifizierte die Möglichkeit einschränken, sich durch geringere Lohnforderungen in Jobs hinein zu konkurrieren, zu denen er anderenfalls keinen Zugang hätte.

Können Sie diesen Widerspruch auflösen?

3. Sie setzen sich vorbildlich gegen Rechtsextremismus ein, verlieren aber kein Wort über die andere Seite des politisch extremen Spektrums. Ich denke dabei ausdrücklich nicht an Ihre Partei selbst, sondern an Gruppierungen wie beispielsweise die SAV oder andere linksextreme Gruppierungen mit neostalinistischem Gedankengut.
Sicher sind diese Gruppen Randerscheinungen und im Vergleich mit rechten Extremisten unterrepräsentiert. Doch wie heißt es so schön: Wehret den Anfängen. Zumal es in den Positionen linker und rechter Extremisten erschreckend viele Parallelen gibt. Insbesondere Antisemitismus ist nicht spezifisch rechts und wird in Form des (ursprünglich eher linken) Antizionismus mittlerweile fast wieder konsensfähig. Eine beträchtliche Anzahl Bürger hält Israel für die größte Bedrohung des Weltfriedens, in der eher linken Friedensbewegung finden sich reihenweise Sympathisanten für den palästinensischen Terror (den sie meist als legitimen Widerstand bezeichnen) und das Existenzrecht Israels wird offen in Frage gestellt.
Wie steht also ihre Partei zu linkem Extremismus, insbesondere zu linkem Antisemitismus und unterscheiden Sie hier (wenn ja, warum) zwischen rechtem Extremismus (den Sie ansprechen) und linkem Extremismus (zu dem Sie -zumindest auf der Homepage- keine Stellung beziehen).

Vielen Dank vorab für Ihre Antworten.

Mit freundlichen Grüßen

Andreas Goertz

Portrait von Hermann Schaus
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter hehr Goertz,

leider kann ich ihre Fragen erst heute beantworten, da ich einige Tage in Urlaub war.

1. Wie ich Sozialismus verstehe kann ich Ihnen leider in dieser Antwort nicht erläutern. Ich gehöre der WASG an, die im Gegensatz zur ehem. PDS, dazu noch keine entwickelten Diskussionen geführt hat. Ich finde es allerdings wichtig, dass wir eine breite öffentliche Debatte darüber führen, ob denn der "Sieg" des Kapitalismus über das Gesellschaftssystem der osteuropäischen Staaten, der letzte Stand gesellschaftlicher Entwicklung sein kann. Ich selbst trete für einen starken Staat ein, der die Ungerechtigkeiten in der Gesellschaft ausgleicht und in allen Breichen der Daseinsvorsorge tätig ist. Die "totale Freiheit", wie sie derzeit propagiert wird erachte ich als unsozial!

2. Aus diesem Grund halte ich es auch für zwingend notwendig, dass in Deutschland, wie in 19 der 25 EU-Länder, endlich auch ein gesetzlicher Mindestlohn (von brutto 1400 .-?) eingeführt wird. Die Lohnspirale nach unten muss aufgehalten werden und die Konkurrenz der Ärmsten untereinander muss dadurch abgeschwächt werden.

3. Ich sehe sehr wohl einen Unterschied zwischen denen, die neonazistischen Parolen anhängen zu denen, die auf der Linken unterschiedliche Theorien zur Überwindung des Kapitalismus vertreten. In einer breiten Bewegung viele dieser Linken Kräfte zu einen ist auch eines unser erklärten Ziele. Ich anerkenne das Existenzrecht Israels genauso wie ich auch dem Palästinensischen Volk ein Recht auf einen eigenen Staat zubillige. Freiheit ist eben nicht teilbar!

Mit freundlichen Grüßen!

Hermann Schaus