Frage an Herlind Gundelach von Hannah E. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Gundelach!
Wie kann es sein, dass sich nach den Ereignissen in der Silvesternacht in Köln und Hamburg derart unbesonnen die Gesetzesvorlagen überschlagen, die direkt zur Verschärfung des Asylrechts führen? Wie kann es sein, dass die Politik derart verschärfend reagiert auf eine Lage, die ja noch weitgehend ungeklärt ist? Und wieso müssen alle Flüchtlinge büssen für ein Vergehen, das von einigen begangen wurde? Wieso kommt die Politik nicht statt dessen mit den Integrationsvorschlägen weiter bzw. sorgt für bessere politische Bildung bei unseren politisch ungebildeten Mitmenschen? Und wieso wird das Thema sexuelle Gewalt gegen Frauen derart ungeschminkt und unverblümt mit der Migrationsfrage verknüpft und nicht als gesamtgesellschaftliches Problem?
Ich würde mich über eine Antwort freuen.
Mit freundlichen Grüßen
Hannah Erben
Aufgrund eines Artikels im Hamburger Abendblatt am 21.07.2016 ist uns aufgefallen, dass einige unserer Antworten aufgrund von technischen Problemen nicht an abgeordnetenwatch.de übermittelt worden sind. Bitte entschuldigen Sie die verspätete Antwort.
Sehr geehrte Frau Erben-Wunder,
ich stimme Ihnen zu, dass die Verknüpfung von sexueller Gewalt gegen Frauen mit der aktuellen Flüchtlingssituation nicht hinnehmbar ist.
Grundsätzlich möchte ich ergänzen, dass ich die Bestrebungen innerhalb der Bundesregierung, das Sexualstrafrecht zu reformieren, ausdrücklich unterstütze. Jede Form der nicht einvernehmlichen sexuellen Handlung muss unter Strafe gestellt werden.
Bezüglich der zunehmenden Zahl an Flüchtlingen sehe ich in meinem Wahlkreis, dass Integration und Teilhabe gelingen kann! Obwohl wir vor immensen Herausforderungen stehen, kennzeichnet die Hamburger, eine Stadt in der bürgerschaftliches Engagement schon lange großgeschrieben wird, dass sie den Kopf nicht in den Sand stecken, sondern dass sie zupacken und helfen. Die Menschen übernehmen Verantwortung. Die Bereitschaft zu solcher Verantwortung aber setzt ein Gefühl dafür voraus, dass unser Leben sich nicht in der Staatsangehörigkeit, der Berufsausbildung und der Familienbindung erschöpft. Es enthält vielmehr ein überschießendes Element der Freiheit, das sich in dieser bewusst übernommenen Verantwortung Ausdruck verschafft.
Diese Haltung zeichnet seit Jahrhunderten die Menschen in der Hansestadt Hamburg aus. Mal wurde sie mehr, mal wurde sie weniger gefordert, je nach den Zeitumständen. Heute aber ist sie erneut gefragt. Diese Form der Integrationsarbeit wird in den nächsten Monaten und Jahren maßgeblich mit darüber entscheiden, wie gut und gedeihlich, wie freundlich und friedlich unser Land sich entwickelt, und ob es seinen Zusammenhalt weiter wahren kann.
Integration kann aber nur dann gelingen, wenn beide Seiten die Gesetze und die Grundwerte des gemeinsamen Zusammenlebens achten, auf die wir zu Recht stolz sind und die unser Land auch zu dem gemacht haben, was es heute ist.
Ich denke, es ist und bleibt eine Gratwanderung, ein immer wieder neues Austarieren, wie viel Belastung das Gemeinwesen tragen kann und wo die Grenze zu ziehen ist, dabei sollte Politik auch auf die Erfahrungen unserer engagierten Bürger in den Einrichtungen hören. Eines aber steht für mich fest: Nur gemeinsam, Staat und Gesellschaft, können wir mit dieser Herausforderung fertig werden, ja ich würde sogar sagen, das Gemeinwesen und unser Zusammenhalt können dabei wachsen, denn wenn wir ehrlich sind, haben wir uns in den Zeiten wachsenden Wohlstands durchaus angewöhnt, die Verantwortung beim Staat, bei denen da oben abzuladen und uns selber in unsere Wohlfühloase zurückzuziehen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Herlind Gundelach