Portrait von Herbert Schui
Herbert Schui
DIE LINKE
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Herbert Schui zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Eleonore W. •

Frage an Herbert Schui von Eleonore W. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Antisemitismus in Deutschland war als Betreff leider nicht vorhanden.

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Herbert Schui,

das Net ist eine wunderbare Erfindung, denn Berge und Täler können sich nicht begegnen, Menschen aber schon mit diesem Medium. Und ich finde diese Art der Verständigung mehr als gut, weil wir vielleicht eines Tages die Erde (und somit auch uns)soweit umwandeln können, daß Achtung wichtiger ist als Kampf.

Was mich allerdings beunruhigt sind folgende Tatsachen: Im Net gibt es, wenn man einmal gezielt sucht, einfach zu viele antisemitsche deutsche Seiten und Hasspropaganda gegen Juden, (immer mehr und immer schlimmer) warum unternimmt man von Seiten der Politik konkret nichts dagegen ? Können wir uns mit unserer Geschichte diese Dinge erlauben, und was können wir als wahre Demokraten dagegen tun ? Sagen sie mir nicht, wir sollten es melden.......denn wo sollten wir es melden außer vielleicht Hagalil, die auch ihre Schwierigkeiten haben, dem Sturm der Meldungen überhaupt zu verarbeiten. Es gibt zuviele, viel zu viele, und die sprechen die Jugend gezielt an, unternehmen wir endlich einmal etwas dagegen.

Gerade in unserem Landkreis ist es verheerend: http://www1.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/neonazis8.html

Mich beunruhigt diese Entwicklung, auch wenn unsere Politiker sich HINTER den Judenstaat Israel stellen, in der Bevölkerung ist es längst nicht angekommen, sondern es wird z. B. in öffentlichen Foren gehetzt, wo auch nur der geringste Anlass bestehen kann, sei es die Gründung Israels, sei es der Holocaust, der wieder einmal relativiert wird, und die Schuld eben nicht bei Hitlerdeutschland gesucht wird, sondern mit allem möglichen Ausflüchten auch andere "Schuldige" herangezogen werden.

Das darf nicht sein, wir haben Verantwortung unserer Geschichte gegenüber, und nur ein Händereichen kann vergessen machen, nicht aber neuer Hass......

Mein Bitte, setzen sie sich gegen Antisemitismus in unserem Land ein, wir wollen keine neue Schuld mehr.

mit freundlichen Grüßen

Portrait von Herbert Schui
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrte Frau Weider,

ich danke Ihnen sehr für Ihre Frage, denn ich betrachte den Antisemitismus als aktuelle und große Gefahr. Antisemitische Vorurteile sind weit verbreitet. Untersuchungen wie die des Bielefelder Sozialwissenschaftlers Wilhelm Heitmeyer, die unter dem Titel „Deutsche Zustände“ jährlich veröffentlicht wird, zeigen, dass eine erschreckend große Minderheit (zuletzt um die 17 Prozent) antisemitischen Aussagen zustimmt. Beinahe täglich kommt es zu antisemitisch motivierter Gewalt.

Es besteht die Gefahr, dass antisemitische Überzeugungen sich verbreiten und dass aus diffusen Vorurteilen organisierte politische Kräfte werden, etwa in Form rechtsextremer Parteien. Das soziale Auseinanderdriften der Gesellschaft und die verbreitete Angst vor dem sozialen Abstieg sind ein Nährboden für antisemitische Ressentiments, wie auch für Rassismus, Islamfeindlichkeit, Behindertenfeindlichkeit und Feindschaft gegenüber Schwulen und Lesben. Dies betont Wilhelm Heitmeyer zu Recht. Damit ist eine wesentliche, wenn auch nicht die einzige Ursache benannt.

Es gibt dabei jedoch überhaupt keine Zwangsläufigkeit. Antisemitismus und Rechtsextremismus kann Einhalt geboten werden, wenn erstens eine engagierte Öffentlichkeit deutlich macht, dass sie diese und andere Formen der Menschenfeindlichkeit nicht toleriert. Zweitens müssen wir die tatsächlichen Ursachen für die zunehmende soziale Unsicherheit angehen und uns für eine solidarische Gesellschaft einzusetzen.

An vielen Orten in Deutschland haben sich in den letzten Jahren breite Bündnisse unter Einschluss von Gewerkschaften, Parteien, antifaschistischen Zusammenschlüssen und vielen weiteren Initiativen zusammengefunden in der richtigen Überzeugung, dass Faschismus keine Meinung, sondern ein Verbrechen ist. Rechtsextreme und antisemitische Veranstaltungen blieben nicht unwidersprochen oder konnten nicht stattfinden.

Dies gilt auch für das Internet. Hier findet man unerträglich viel antisemitische und rechtsextreme Hetze. Gleichzeitig gibt es gute antifaschistische Projekte und diese müssen gestärkt werden. Neben dem von Ihnen genannten Portal Hagalil wäre zum Beispiel das Antifaschistische Pressearchiv und Bildungszentrum ( http://www.apabiz.de ) zu nennen.

Was die staatlichen Handlungsmöglichkeiten betrifft, muss man zunächst feststellen, dass es ausreichend Möglichkeiten gibt, strafrechtlich gegen antisemitische Volksverhetzung vorzugehen. Wenn diese nicht genutzt werden, kann das daran liegen, dass nicht ausreichend Personal für die Aufgabe zur Verfügung steht bzw. dass viel Personal für die Überwachung von G8-Gegnern und anderen Linken gebunden wird. Wir setzen daher auf die engagierte Öffentlichkeit.

Eine Ausweitung von staatlicher Zensur im Internet würde nicht in erster Linie Antisemiten, sondern die kritische Öffentlichkeit selbst treffen, auf die wir auch zum Kampf gegen den Rechtsextremismus angewiesen sind. Deswegen lehnt DIE LINKE solche Maßnahmen ab. Wo die Strafverfolgung daran scheitert, dass die antisemitische Hetze aus dem Ausland stammt, muss die Bundesregierung sich um internationale Abkommen bemühen.

Sie verweisen zu Recht darauf, dass es auch in unserem Wahlkreis Rechtsextremismus gibt und dass Holocaust-Leugner versuchen, unbehelligt in der Öffentlichkeit aufzutreten. Das nehmen wir nicht hin. Jugendverbände, Gewerkschaften, ein Antifa-Bündnis und weitere Organisationen bemühen sich in den letzten Jahren darum, die Aktivität der Rechtsextremisten bekanntzumachen und die Öffentlichkeit dagegen zu aktivieren. Sie haben erste Erfolge: Im Landtagswahlkampf verhinderten Proteste der Schülerinnen und Schüler einer Gesamtschule, dass der NPD-Kandidat vom Podium ein Statement abgeben konnte. Rechtsextreme Kameradschaften wurden von Preisskatveranstaltungen ausgeschlossen. Der Rat von Bad Fallingbostel sprach sich in diesem Jahr einstimmig gegen die Bewirtung einer faschistischen Sekte in der Stadt aus. Regionale Medien berichten inzwischen über die rechtsextremen Aktivitäten.

Sie haben mich danach gefragt, was DIE LINKE tut. Viele unserer Mitglieder sind aktiv beteiligt, wenn sich lokale Bündnisse gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus bilden. Auch ich unterstütze diese Bündnisse. Gleichzeitig will DIE LINKE den Sündenbock-Argumenten etwas entgegenzusetzen. Die Ursachen für die anhaltende Massenarbeitslosigkeit und für wachsende soziale Ungleichheit müssen klar benannt werden. Wir wollen eine soziale Alternative dazu. Dafür müssen Gewerkschaften und Sozialstaat gestärkt werden.

Mit freundlichen Grüßen

Herbert Schui