Frage an Herbert Schui von Karl - Heinz L. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Schui,
die Politik fordert verstärkt zur privaten Altersvorsorge auf. Ich habe daher seit längerem einen Fondssparplan und Einzelaktien sowie einen firmeneigenen Pensionsfonds.
Seit 1.Januar 2009 gilt in Deutschland die Abgeltungsteuer, die folgende Fragen aufwirft:
Bisher waren Gewinne aus Fonds und Aktien nach 1 Jahr Haltedauer steuerfrei (Spekulationsfrist). Weshalb werden seit 1.Januar 2009 unabhängig von der Haltedauer der Papiere diese dauerhaft mit 25% Abgeltungsteuer + anteilig Solizuschlag und Kirchensteueranteil mit bis zu 28,65% besteuert ? Beabsichtigen Sie eine Abmilderung dieser Besteuerung in der nächsten Legislaturperiode einzufordern ?
Quelle: Magazin Focus v. 10.Dezember 2007 S. 169 ff. http://www.focus.de/finanzen/steuern/abgeltungsteuer/geldanlage-sparer-werden-bestraft_aid_229791.html
Im europäischen Vergleich verschlechtert sich die Situation für Deutsche Anleger massiv.
Belgien, Niederlande, Schweiz und Liechtenstein haben diesbezüglich keinerlei Beschränkungen. In Luxembourg und Österreich sind Veräußerungsgewinne nach 6 bzw. 12 Monaten steuerfrei, siehe Wikipedia http://de.wikipedia.org/wiki/Abgeltungssteuer
Bei Edelmetallen ( z.B. Gold ) wurde die einjährige Spekulationsfrist beibehalten.
Bei Immobilien (Vermietung) wurde die 10 - jährige Halteauer aufrecht erhalten.
Weshalb diese Ungleichbehandlung gegenüber Fonds und Aktien als zusätzliche Altersvorsorge ? http://de.wikipedia.org/wiki/Spekulationsfrist
Der Focus rechnete in der o.a. Ausgabe vor, dass bei 30 - jähriger Ansparfrist mit monatlichen 100,- Euro 141.830,58 Euro angespart werden und durch die Abgeltungsteuer nach Abzug von 43.877,49 Euro für den Leistungsempfänger 97.953,09 Euro verbleiben.
Soll so die private Altersvorsorge gefördert werden ?
Mit freundlichem Gruß
Karl - Heinz Lehmann
Sehr geehrter Herr Lehmann,
die Förderung der privaten Altersvorsorge ist keine Lösung für das Rentensystem. Wir müssen zurück zum Umlagesystem der gesetzlichen Rente.
Über lange Jahre herrschte Übereinstimmung, dass die gesetzliche Rente den Lebensstandard im Alter sichern muss. Die rot-grüne Regierung vollzog jedoch 2001 einen Wechsel in der Alterssicherungspolitik. Nicht mehr die Lebensstandardsicherung durch die gesetzliche Rente war nun Ziel, sondern die Stabilität des Beitragssatzes. Wer die Beiträge stabil halten will, muss das Rentenniveau kürzen. So ist es in mehreren Änderungen der Rentenformel vorgesehen. Die entstehenden Versorgungslücken sollen die Beschäftigten durch eine Riester-Rente oder eine andere zusätzliche private oder betriebliche Altersvorsorge ausgleichen– was Sie und viele andere nun auch versuchen. Für die Versicherten bleiben die Beiträge daher keineswegs stabil. Das gilt nur für die Arbeitgeberanteile.
Von dieser Rentenpolitik profitieren vor allem die Arbeitgeber und die privaten Versicherungen. Sie machen mit den Riester-Verträgen Gewinne und sammeln Milliarden für das Spiel an der Börse ein. Die kapitalgedeckte Altersvorsorge ist nicht nur unsicher, wie die aktuelle Finanzkrise wieder zeigt. Sie wirft zudem auch nicht selten weniger Rendite ab als die gesetzliche Rente- zumindest, wenn die staatliche Förderung abgezogen wird. Die privaten Rentenfonds erhöhen zugleich den Druck, an den Börsen immer höhere Renditen erzielen zu müssen. Die Arbeitgeber sparen, weil ihr Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung eingefroren ist und bis 2030 nicht über 11 Prozent steigen soll. Für die Beschäftigten bedeutet es, dass sie in Zukunft weniger Rente erhalten und mehr für die zusätzliche Vorsorge bezahlen. Bereits heute müssen sie rund 16 Prozent ihrer Löhne und Gehälter für die Altersvorsorge – knapp 10 Prozent Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung, 6 Prozent für die verbleibende Versorgungslücke – zahlen, wenn sie ihren Lebensstandard im Alter halten wollen. Trotzdem wird das Gesamtversorgungsniveau aus gesetzlicher und Riester-Rente bis 2021 unter das heutige Niveau der gesetzlichen Rente sinken. Viele Menschen können sich zudem überhaupt keine zusätzliche Vorsorge leisten, weil sie erwerbslos sind oder zu wenig verdienen. Das bedeutet für sie Armut im Alter.
Zu Ihren spezifischen Fragen kann ich nur soviel sagen: DIE LINKE. lehnte bereits die Einführung der Abgeltungssteuer ab. Wir fordern auch weiterhin ihre Abschaffung. Kapitalerträge und Veräußerungsgewinne sollen wieder zum individuellen Einkommenssteuersatz versteuert werden- unabhängig von der Haltefrist. Alle Ausnahmen davon sollen abgeschafft werden. Wir treten auch grundsätzlich gegen Steuererleichterungen für die Förderung der privaten Altersvorsorge ein. Sie sind vor allem eine versteckte Subvention für die Versicherungskonzerne. Der einzige Weg hin zu einer sicheren Rente für alle ist die Einführung einer umlagefinanzierten Bürgerversicherung.
Daher fordert DIE LINKE einen grundlegenden Kurswechsel in der Rentenpolitik. Statt Privatisierung wollen wir ein starkes öffentliches Rentensystem. Die gesetzliche Rente mit ihrem Umlageverfahren muss wieder zum Zentrum der Rentenpolitik werden und den Lebensstandard im Alter sichern. Dazu müssen sämtliche Kürzungen aus der Rentenformel gestrichen werden. Die Anhebung des Renteneintrittsalters auf über 67 Jahre lehnen wir ab, weil sie für die meisten zu hohen Abschlägen führen wird und deswegen nichts außer einer weiteren Kürzung der Renten bewirkt. Stattdessen wollen wir flexible Übergänge in die Rente vor dem 65. Lebensjahr ermöglichen. Unternehmen müssen wieder paritätisch an der Finanzierung beteiligt werden. Die gesetzliche Rente soll in Zukunft alle Erwerbstätigen erfassen. Auch Selbständige, Beamte und Politiker/innen sollen in sie einzahlen. Die Beitragsbemessungsgrenze wollen wir aufheben. Dadurch wird mehr Geld in die Rentenkasse eingezahlt, das dann gerechter verteilt werden kann. Dieser Solidarausgleich soll erweitert werden, damit Phasen der Erwerbslosigkeit oder Kinderbetreuung und niedrige Löhne nicht in die Altersarmut führen. Kein Mensch soll im Alter weniger als 800 Euro aus der Rente oder Grundsicherung haben. All dies muss von einer Politik für gute Arbeit und gute Löhne flankiert werden.
Die Finanzierung der Renten ist keine Frage der Generationengerechtigkeit, sondern der Verteilungsgerechtigkeit. Entscheidend ist die Produktivität der Arbeit. Die Annahme ist berechtigt, dass sie sich in den kommenden 35 oder 40 Jahren erneut verdoppeln wird, so wie dies in der Vergangenheit der Fall war. Aber trotz dieser Möglichkeiten, die der technische Fortschritt eröffnet: Tatsächlich werden die meisten Menschen trotz der steigenden Produktivität ihrer Arbeit immer ärmer.
So kommt es, dass der Lohnanteil am Volkseinkommen von 1991 bis 2008 so sehr gefallen ist, dass im Jahr 2008 109,5 Milliarden weniger Lohn gezahlt wurde als bei gleichbleibendem Lohnanteil. Sonst hätte die gesetzliche Rentenversicherung 2008 21,8 Milliarden mehr eingenommen. Die Rente ab 67 wird damit begründet, dass 5,5 Milliarden einzusparen seien. Das muss nicht sein, wenn die Löhne nicht sinken. Und warum sinkt der Lohnanteil? Nicht zuletzt deswegen, weil Hartz IV die Leute in schlecht bezahlte Arbeit hineinprügelt. So wächst der Druck auf die Löhne.
Grundsätzlich muss wieder gelten: Die Löhne müssen der Produktivität folgen, die Renten den Löhnen, aus denen sie finanziert werden. Die Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Rente ist von guten Löhnen abhängig. Die Bedeutung des demografischen Wandels für die Rentenversicherung hängt weniger vom Verhältnis der Zahl erwerbsfähiger Menschen zur Zahl Renten beziehender Menschen ab. Entscheidend ist vielmehr die Entwicklung der wirtschaftlichen Produktivität und die Verteilung der Produktivitäts- und Wohlstandsgewinne: Fließen sie, wie in den vergangenen Jahren vor allem in Gewinn- und Vermögenseinkommen statt in Löhne, dann wird die Rente von der allgemeinen Entwicklung zwangsläufig abgekoppelt und finanziell schlechter ausgestattet. Wären die Löhne in den vergangenen Jahren der Produktivität gefolgt, könnte er Beitragssatz heute deutlich niedriger liegen.
Mit freundlichen Grüßen,
Herbert Schui