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Herbert Reul
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Frage von Rosi M. •

Frage an Herbert Reul von Rosi M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Reul,

vielen Dank für Ihre Antwort vom 18.06.2015, aus welcher sich für uns neue Fragen ergeben, die wir gern an Sie richten würden:

Zum einen beschreiben Sie, dass der IWF gewählt wäre. Laut IWF ( https://www.imf.org/external/np/sec/memdir/members.aspx ) werden die von Ihnen erwähnten Gouverneure ernannt; das Exekutivdirektorium wird in Teilen ernannt und gewählt.

Zum anderen drängt sich uns aber die Frage auf, wem ein durch das Volk demokratisch gewähltes Parlament und eine entsprechend legitimierte Regierung eigentliche mehr verpflichtet sind? Dem Wähler, also dem Volkssouverän, oder übergeordneten vertraglichen Verpflichtungen, die weitreichend in innenpolitische Belange eingreifen (Renten, Arbeitsmarkt, Gesundheit, Sozialwesen, etc.) und welche nicht explizit durch Befragung des Volkes legitimiert wurden (z.B. durch Volksabstimmung).

Ist es dem Volkssouverän damit überhaupt möglich, einmal getroffene Entscheidungen einer Regierung überhaupt zu legitimieren/delegitimieren? Oder hat der Volkssouverän darauf keinerlei Einfluss, da die Wahl der Parlamente und damit der Regierungen diese nicht antasten darf?

Dieser Widerspruch wurde z.B. durch folgenden Artikel der Zeit deutlich ( http://www.zeit.de/politik/ausland/2014-12/griechenland-neuwahl-syriza-reformen-stopp ):
„Wenn die Mehrheit des Volkes entschlossen sei, Rettungspläne und Sparprogramme zu beenden, müssten die Abgeordneten ihre Pflicht tun und sich daran halten.“ [Tsipras]; „Jede neue griechische Regierung müsse die vertraglichen Vereinbarungen einhalten.“ [Schäuble]

An dieser Stelle stellt sich die Frage, warum das Volk überhaupt noch wählen soll, wenn es a) keinen Einfluss auf langfristige Verträge durch direkte Befragung hat und b) keinen Einfluss durch (nachträgliche) De-/Legimitation der Parlamente / Regierung mehr hat. Dies stellt die Volkssouveränität, die Grundlage unserer Demokratie ist (Art. 20 GG), in Frage.

Mfg,
R. M., Roy Wendler

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Antwort von
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Sehr geehrte Frau M., sehr geehrter Herr Wendler,

vielen Dank für Ihre erneuten Fragen.

Über die Struktur des IWF haben Sie sich bereits im Internet informiert und meine Antwort war vielleicht etwas missverständlich. Die einzelnen Gremien werden nicht alle einzeln gewählt, jedoch sind die Personen durch die Regierungen der 186 Mitgliedstaaten ernannt und dadurch sind die Gremien auch demokratisch legitimiert. Die Mitgliedstaaten schicken ihre Vertreter, die die Politik und Entscheidungen des IWF in ihrem Sinne mit prägen. Dazu gehört auch die Vergabe von Kredite an Entwicklungs- oder Schwellenländer, die im Gegenzug an eine Selbstverpflichtung zur Umsetzung eines Strukturanpassungsprogramms geknüpft sind.

Dies führt mich zu Ihren weiteren Ausführungen: Privatpersonen sind ebenso an Verträge gebunden wie Staaten. Beispielsweise werden bilaterale Verträge nicht zwischen Regierungen geschlossen, sondern zwischen Staaten. Bei einem Vertragsbruch muss sich das jeweilige Land mit den Konsequenzen auseinandersetzen. Ein Regierungswechsel ist somit kein Vertragskündigungsgrund per se. Die Zusammenarbeit in der Europäischen Union sowie die Arbeit des IWF und anderen internationalen Organisationen beruht auch auf gegenseitigem Vertrauen. Bei einem Vertragsabschluss vertrauen schließlich beide Seiten, dass der Vertrag eingehalten wird. Ebenso können Verträge nur dann verändert oder aufgelöst werden, wenn beide Seiten einverstanden sind.

Die Staatsform der repräsentativ parlamentarischen Demokratie bedeutet, dass Macht durch Wahlen an Delegierte/Abgeordnete für eine gewisse Zeit abgegeben wird. Abgeordnete sind selbstverständlich dem Bürger verpflichtet, gleichzeitig aber auch nur ihrem Gewissen. Demokratische Wahlen geben Mehrheiten bzw. politische Richtungen vor. Entscheidungen, seien es über Gesetze oder Verträge, müssen Politiker treffen, denen die Verantwortung von der Mehrheit der Bevölkerung übertragen wurde.

Die obigen Ausführungen gelten für das demokratische System der BRD. Da Sie auch indirekt auf die aktuelle Situation in Griechenland hinweisen, möchte ich betonen, dass es in der Europäischen Union unterschiedliche Staatssysteme gibt. In Frankreich haben wir ein semipräsidiales System, in Großbritannien das sogenannte Westminster-System. Für alle gilt jedoch, dass getroffene Verträge einzuhalten sind, beziehungsweise dass bei einer Auflösung/Kündigung von Verträgen auch die dementsprechenden Konsequenzen zu tragen sind.

Mit freundlichen Grüßen

Herbert Reul

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