Frage an Herbert Reul von Rosi M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Reul,
wir wenden uns an Sie als Vorsitzender der CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament mit einer Grundsatzfrage zur europäischen Demokratie:
Wie mehrere Medien berichten, gibt es Zerwürfnisse innerhalb der Institutionen (EZB, IWF, EU Kommission) bei den Verhandlungen mit der griechischen Regierung. Von Jean-Claude Juncker wurde ein Kompromiss vorgeschlagen, wonach „Athen Kürzungen bei kleinen Renten aufschieben [könne], wenn es im Gegenzug seine Militärausgaben um den gleichen Betrag vermindert“.
Hierbei beansprucht der IWF – als eine nicht demokratisch legitimierte Institution – die Entscheidungsgewalt über innenpolitische Angelegenheiten Griechenlands (oder i.w.S. der EU), indem er diesem Vorschlag widerspricht: „Der IWF akzeptiere keine Tauschgschäfte [sic!] dieser Art“.
Nach unserem Verständnis kann der IWF nicht festlegen, aus welchen nationalen Budgets die Rückzahlung erfolgen soll. Das widerspricht sämtlichen demokratischen Vorstellungen Europas und zeigt – schon allein durch diesen Versuch –dass die Demokratie in Europa bedroht ist. Dies bestätigt auch der in der FAZ zitierte Unterhändler: „Es ist völlig paradox. Am Ende entscheidet eine Institution über das Schicksal Europas, hinter der kein Volk steht.“
Wir bitten Sie daher – nein, in unserer „Position“ als Bürger und Wähler fordern wir Sie sogar auf – Stellung zu beziehen, wie Sie als demokratisch gewählter Vertreter zu dieser Situation stehen und welche Schritte Sie und Ihre Fraktion einleiten können, um die europäische Demokratie zu schützen.
Denn wir sollten bedenken: „[...] the liberty of a democracy is not safe if the people tolerate the growth of private power to a point where it becomes stronger than their democratic state itself.” Franklin D. Roosevelt, April 29, 1938.
MfG,
R. M., Roy Wendler
Quelle: http://www.faz.net/aktuell/politik/spannungen-zwischen-eu-kommission-und-iwf-in-schuldenkrise-13645504.html , 13.06.2015
Sehr geehrte Frau M., sehr geehrter Herr Wendler,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Ich finde es gut, dass Sie die aktuellen Entwicklungen zur Lösungen der griechischen Staatsfinanzierung kritisch verfolgen. Jedoch kann ich Ihre Kritik an der Haltung des IWF nicht nachvollziehen.
Der Internationale Währungsfonds ist eine Sonderorganisation der UN mit gewählten Strukturen. In den Gremien sitzen für Deutschland beispielsweise Bundesbankpräsident Weidmann oder Finanzminister Schäuble. Die Stimmrechte richten sich nach den Kapitalbeteiligungen der Mitgliedstaaten am Fonds. Dies stößt bei einigen auf Kritik, da die größten Kapitalgeber die großen Industriestaaten sind. Andererseits ist es gut nachvollziehbar, dass die Geldgeber über eine sinnvolle Verteilung des Kapitals entscheiden möchten. Es gibt aber bereits Ideen und Vorschläge, die Stimmverhältnisse an die durch die Globalisierung geänderten Verhältnisse anzupassen und den wachsenden Schwellenländern mehr Einfluss einzuräumen. Wie so häufig bei großen Organisationen dauert die Umstrukturierung länger als zunächst gedacht.
Zu den Aufgaben des IWF gehört es, die internationale Zusammenarbeit in der Währungspolitik zu fördern und die Ausweitung des Welthandels zu unterstützen, unter anderem durch die Stabilisierung von Wechselkursen, Kreditvergaben oder die Überwachung der Geldpolitik. Zu allen diesen Bereichen bietet der IWF den Mitgliedstaaten technische Hilfe an. Und diese Dienste haben in der Vergangenheit schon einigen Staaten aus finanziellen Krisen geholfen.
Nun zum konkreten Fall Griechenland: Im Jahr 2010 hat Griechenland beim IWF Hilfe in Form eines Kredites angefordert. Diesen haben die Griechen auch bekommen - gekoppelt an bestimmte Auflagen und zusammen mit einem festgeschriebenen Tilgungsplan. All dies war den Griechen beim Unterschreiben des Kredites bekannt. 2012 gab es einen weiteren Kredit. Der Regierungswechsel Anfang 2015 ändert aber nichts an den Kreditbedingungen.
Zu den vereinbarten Bedingungen gehörte auch eine Reform des Rentensystems. Wenn der IWF an dieser Vereinbarung festhält, auch wenn die europäischen Partner dem "Tauschhandel Renten vs. Militärausgaben" zustimmen, ist dies für mich keine Gefahr der Demokratie in Europa. Die zentrale Frage ist für mich vielmehr: Halten wir alle das, was wir versprechen? Ziehen die Griechen die versprochenen Reformen durch? Oder ab wann setzen wir Europäer mit der Unterstützung Griechenlands den Euro aufs Spiel? Soweit darf es für mich nicht kommen. Hier müssen sich beide! Seiten vorher einigen.
Mit freundlichen Grüßen
Herbert Reul