Frage an Herbert Reul von Peter S. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Sehr geehrter Herr Reul,
auf http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,756345,00.html wird beschrieben, wie eine sächsische Gemeinde ein Feld mit Weinreben roden mußte, weil sie Wein in einem Gebiet angebaut haben, das nicht als Weinbaugebiet ausgewiesen ist.
Wieso ist EU-weit festgelegt, welche Gebiete Weinbaugebiete sind und welche nicht?
Ist das eine Folge von intensiver Lobby-Arbeit bisheriger Winzer?
Blockiert man damit nicht neue Anbautechniken, die den Weinbau vielleicht auch für andere Gebiete sinnvoll machen, die bisher nicht als Weinbaugebiet ausgewiesen sind?
Sie merken an meinen z.T. provokativen Fragen, daß sich mir der Sinn dieser EU-Regelung nicht erschließt und möchte sie bitten, mir den Ursprung und Sinn dieser Regelung zu erklären.
Mit freundlichen Grüßen
Peter Schütt
Sehr geehrter Herr Schütt,
als Vorsitzender des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie musste ich mich auch erst einmal bei meinen für die Landwirtschaft zuständigen Kolleginnen und Kollegen über die Ursprünge und Hintergründe dieser Regelung erkundigen. Dies war wegen der kurzen Osterpause nicht sofort möglich. Ich bitte Sie, die Verzögerungen bei der Beantwortung Ihrer berechtigten Frage zu entschuldigen.
In der Tat ist es so, dass gerade die Bundesländer mit Weinanbaugebieten, darunter Baden-Württemberg, großen Druck auf die Bundesregierung und die EU ausgeübt haben, eine Art Bestandsschutz zu gewähren. Hintergrund ist die Sorge um die zahlreichen Familienunternehmen, die Wein in den zahlreichen Hanglagen anbauen. Sie leisten damit einen wichtigen Beitrag nicht zuletzt zum Schutz vor Erosion. Wenn der Anbau nun grundsätzlich frei gegeben wird, so die Befürchtung, wird der Markt mit billigen Weinen überschwemmt und diese Klein- und Kleinstunternehmen könnten sich nicht mehr behaupten.
In der EU hat ein solcher Interventionismus in der Landwirtschaft übrigens Tradition. Denken Sie nur an die Debatte um Milchquoten. Auch hier geht es darum, die Landwirte vor Überproduktion und noch weiter fallenden Preisen zu schützen. Aber ich möchte betonen, dass dies keinesfalls der Willkür der Europäischen Kommission oder des Europäischen Parlaments entspricht. So fordert der Bundesrat in seiner jüngsten Entschließung zu diesem Thema vom 18.03.2011 (Drs. 42/11) sogar eine Verlängerung dieser Regelung über den 31.12.2015 hinaus bis zum 31.12.2025! Ferner solle den Mitgliedstaaten anschließend die Möglichkeit eingeräumt werden, über 2025 hinaus einen Anbaustopp festzulegen. Die einzelnen Bundesländer verteidigen diese Regelung also vehement und fordern sogar ihre zeitliche Ausdehnung. Ob sich diese Position in der EU durchsetzen wird, weiß ich nicht. Ich könnte mir aber vorstellen, dass alle traditionellen Weinanbauländer ein Interesse daran haben, dass der Markt nicht überschwemmt wird und die Preise in den Keller fallen - also auch Spanien, Italien, Frankreich, Portugal und andere. Der Zweck dieser Regelung sollte aber auch klar machen, dass es um den kommerziellen Anbau geht, nicht um Anbau für den Eigenbedarf.
Auch wenn ich sehr gut verstehen kann, dass man dieser Weinmarktregelung der EU kritisch gegenüber stehen kann, hoffe ich, Ihre Frage damit beantwortet zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Herbert Reul MdEP