Frage an Herbert Mertin von Dennis M. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Mertin,
die FDP hat im Landtag von Rheinland-Pfalz vor kurzem für die Einführung der Online-Durchsuchung, der Kommunikationsüberwachung von Skype (und anderen IP-Telefonen) sowie für weitere Überwachungsmaßnahmen gestimmt. Der Jugendmedienschutzstaatsvertrag (JMStV) ist bei Enthaltung der FDP angenommen worden.
Wie passt dies alles zum Bild der FDP als Bürgerrechtspartei, das Sie gerne vermitteln?
Sind weitere Bestreben zu mehr Überwachungsbefugnissen zu erwarten, wenn die FDP wieder in den Landtag kommt?
Herzliche Grüße
Sehr geehrter Herr Mayer,
zu Ihren konkreten Fragen:
1. Wie passt dies alles zum Bild der FDP als Bürgerrechtspartei, das Sie gerne vermitteln?
Die FDP tritt für einen ausgewogenen Ausgleich zwischen Sicherheit und Bürgerrechten ein. Je höher der durch eine gesetzliche Maßnahme zu erwartende Eingriff in die Rechte der Bürger, umso höher sollten auch die Hürden für die Vornahme des Eingriffs im Einzelnen sein.
Die Abwehr von Gefahren für Leib oder Leben der Bürger ist Aufgabe des Staates, ebenso wie die Abwehr von Gefahren für die Allgemeinheit, die in ihrer Tragweite die Grundlagen oder den Bestand des Staates berühren können. Die von Ihnen angesprochenen Befugnisse sind sämtlich auf die Abwehr von Gefahren für diese konkreten Rechtsgüter beschränkt. Diese Gefahr muss zudem gegenwärtig, also konkret gegeben sein. Dies schränkt den tatsächlichen Anwendungsbereich der Überwachungsbefugnisse bereits deutlich ein.
Weiterhin soll beispielsweise die Datenerhebung nach § 31 POG nur dann zulässig sein, "soweit sie zwingend erforderlich ist" und nicht der Kernbereich privater Lebensgestaltung nach den Regelungen in § 39a Abs. 3 allein betroffen wird. Eine weitere deutliche Einschränkung. Erst wenn alle anderen Maßnahmen keinen Erfolg versprechen, darf beispielsweise erst durch den Einsatz technischer Mittel in informationstechnische Systeme eingegriffen werden, um Daten zu erlangen.
Der unverzichtbare richterliche Vorbehalt ist durchgängig auf der Ebene des Oberverwaltungsgerichtes angesiedelt. Lediglich bei Gefahr im Verzug, also nur dann, wenn eine richterliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann, kann der Behördenleiter oder ein speziell beauftragter Beamter des höheren Dienstes eine vorläufige Anordnung treffen, die allerdings umgehend nachträglich vom OVG zu überprüfen ist.
Angesichts der hohen tatsächlichen und rechtlichen Hürden, die einem Einsatz der hier beschlossenen Befugnisse entgegenstehen, sowie die Ansiedlung des Richtervorbehaltes bei dem für grundrechtlichen Problemstellungen besonders sensibilisierten Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz hat die FDP-Fraktion sich nach Einbringung eines gemeinsamen Änderungsantrags aller Fraktionen, der die Maßnahmen noch weiter präzisiert und eingeschränkt hat und Abwägung aller Gesichtspunkte entschlossen, dem Gesetz zuzustimmen.
Zum Jugendmedienschutzstaatsvertrag ist anzumerken, dass die FDP-Fraktion sich dafür ausspricht, dass jugendgefährdete Inhalte nicht gänzlich unbeschränkt Kindern und Jugendlichen zugänglich gemacht werden dürfen. Auch vor dem Internet macht Jugendschutz nicht halt. Allerdings hält die FDP-Fraktion die im JMStV getroffenen Regelungen für nicht zielführend und in ihrer Pauschalität und den letztlichen Folgen für Internetdienstanbieter zu weitgehend. Die Enthaltung folgte daher aus dem Standpunkt, dass die Fraktion den intendierten Jugendschutzgedanken an sich durchaus befürwortet, jedoch nicht bereit gewesen ist, den von Ministerpräsident Beck maßgeblich vorangetriebenen JMStV in der vorgelegten Form mitzutragen.
2. Sind weitere Bestreben zu mehr Überwachungsbefugnissen zu erwarten, wenn die FDP wieder in den Landtag kommt?
Nein. Im Gegenteil. Es sollte nach Ablauf einer angemessenen Umsetzungsfrist evaluiert werden, inwiefern die bereits verabschiedeten Befugnisse überhaupt Verwendung finden, welchen konkreten Erkenntnis- bzw. Sicherheitsgewinn sie erbracht haben, und schließlich ob ihre weitere Beibehaltung unter den genannten Bedingungen überhaupt erforderlich erscheint.
Dies hängt im Wesentlichen davon ab, ob die Regelungen sich im polizeilichen Alltag bei der Gefahrenabwehr bewähren oder nicht. Die FDP wird sich dafür einsetzen, Befugnisse, die erkennbar nicht benötigt werden, oder keinerlei nennenswerten Erkenntnisgewinn zeitigen, wieder abzuschaffen.
Mit freundlichen Grüßen
Herbert Mertin MdL