Frage an Hendrik Siegel von joachim k. bezüglich Verkehr
hallo, wie ist Ihre position zur beltquerung allgemein und zur streckenführung der güterzüge speziell? Haben Sie sich Ihre persönliche Konsquenz ( sie wohnen doch in der nähe) überlegt? Was qualifiziert Sie zu einer beurteilung dieser tragweite? von schönen hochgerechneten chancen für die wirtschaft lese ich viel, (ohne beweis natürlich), von auswirkungen auf die bevölkerung wenig. carstensen ist bis dahin tot oder sitzt als rentner in eiderstedt, weit weg von der trasse. wir wohnen hier und können - wenn denn die trasse parallel zur vorhandenen geplant wird (mitten durch die kleinen badeorte, super idee) oder parallel zur autobahn (wo ist da der platz?), dem wertverfall unserer grundstücke nur zusehen.
es gibt genügend sinnentleerte beispiele für schöne berechnungen, die am ende die landschaft ruinierten und nix außer steuergeldern kosteten (rhein-main donaukanal, elbe seitenkanal etc). keine investmentgesellschaft würde so etwas planen, nur der politik kann man wohl mit schmeichelei jedes bedenken austreiben.
bemühen Sie sich um meine Stimme, bin gespannt!
gruß J. Krönke
Sehr geehrter Herr Kroenke,
haben Sie besten Dank für Ihre Frage. Da in dieser Woche neben den Verpflichtungen im Wahlkampf noch berufstätig bin, mussten Sie leider wenige Tage auf die Antwort warten - ich möchte mir aber gerne für Sie die Zeit nehmen, Ihre Frage ausführlich zu beantworten:
Da die Entscheidung darüber, ob mit der Planung einer festen Beltquerung begonnen werden soll, durch die Ratifikation des Staatsvertrags zwischen Deutschland und Dänemark bereits gefallen ist, müssen wir die mit dieser Entscheidung einhergehenden Herausforderungen für Ostholstein annehmen und im Sinne der Menschen so gut wie möglich lösen. Die FDP im Kreis und im Land hat relativ früh erkannt, dass eine feste Beltquerung für unsere Regionen Chancen eröffnet - vor allem im Nordkreis ist die Arbeitslosigkeit nach der Auflösung zahlreicher Bundeswehr-Standorte relativ hoch; wir sollten daher jede Chance nutzen, um durch Gewerbeansiedlungen und Verbesserungen der Infrastruktur Arbeitsplätze in Ostholstein zu halten und neue Arbeitsplätze anzusiedeln. Zu den wichtigsten Infrastruktur-Maßnahmen zählen Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur, daher stehen wir einer festen Verbindung nach Dänemark positiv gegenüber.
Sie haben Recht mit Ihrer Feststellung, dass es keine verlässlichen Prognosen etwa über die zukünftige Verkehrsentwicklung und über die tatsächlich entstehenden Kosten gibt. Zur Verkehrsentwicklung sei gesagt, dass es konservative - also zurückhaltende - Schätzungen gibt, da niemand (auch nicht Experten mit wissenschaftlichem Hintergrund) vorhersagen kann, wie eine feste Querung - Tunnel oder Brücke - tatsächlich angenommen wird. Dies wird wesentlich von der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung abhängen und davon, wie hoch die Mautgebühr für die Nutzung ausfällt. Allerdings wird die Mobilität der Menschen - wie in den vergangenen Jahrzehnten - in den kommenden Jahren weiter zunehmen. Der Mautpreis wird sich außerdem an dem Preis der Überfahrt mit der Fähre orientieren. Dass die Vogelfluglinie aber gerade für skandinavische Länder eine entscheidende Rolle für die Anbindung an Kontinentaleuropa spielt, belegt bereits die Tatsache, dass die Dänen die feste Beltquerung bereits seit den 1960er Jahren immer wieder thematisiert haben. Allerdings hat die dänische Regierung, wie Sie auch wissen, zunächst ihre Priorität auf den Bau der Öresundbrücke und die Brücke über den Großen Belt gelegt. Nun wird Dänemark die feste Fehmarnbelt-Querung im Übrigen vollständig selbst finanzieren, damit der skandinavische Raum mit Europa verbunden werden kann.
Zunächst einmal bedeutet diese Verbindung aber, dass die Regionen beiderseits des Belts - also Ostholstein und Lolland - zusammenwachsen werden. Es ist weniger entscheidend, dass man von Hamburg schneller nach Kopenhagen käme. Entscheidender ist, dass die Menschen der Region bisher bestehende Barrieren überwinden könnten und viel bessere Möglichkeiten erhalten, in ihrer Region Arbeitsplätze zu suchen und zu finden. Auf diese Chancen hat bereits eine Konferenz der Lübecker Agentur für Arbeit im Februar hingewiesen. Es liegt aber auch an der Politik im Kreis und in den Kommunen, durch begleitende Gewerbeansiedlungsprojekte dafür zu sorgen, dass Arbeitsplätze in der Region entstehen. Neben dem Tourismus sollten wir also alle denkbaren Chancen nutzen, um gerade jungen Familien qualifizierte Arbeit vor Ort anbieten zu können, damit Ostholstein für die Menschen ein lebenswerter Standort bleibt. Wir sollten nicht vergessen, dass Ostholstein zu den Regionen Schleswig-Holsteins zählt, deren Anteil junger Menschen an der Gesamtbevölkerung sich im Zuge des "demographischen Wandels" massiv verringern wird, da bereits jetzt gerade junge Menschen in die Großstädte umziehen müssen, um dort Arbeit zu finden. Keine Politik ist sozialer als eine Politik, die Menschen die Chance auf einen Arbeitsplatz eröffnet.
Da wir nun aber beim Stichwort "lebenswert" waren und Sie erwähnt haben, dass ich Bad Schwartauer bin, möchte ich auf die Sorgen und Herausforderungen eingehen, die mit der Entscheidung für die Beltquerung einhergehen. Wenn Sie die Presse-Artikel der FDP verfolgt haben, dann werden Sie feststellen, dass wir bereits frühzeitig darauf hingewiesen haben, dass wir den dramatisch zunehmenden Güterverkehr nicht auf der derzeit bestehenden Schienentrasse verkraften können. Ich selbst war auch in Großenbrode, am "Flaschenhals" der Strecke, wo neben der Fehmarnsund-Brücke zur Entlastung des erwarteten Verkehrsaufkommens eine zweite Verbindung über den Sund benötigt würde. Aus ökologischen Gründen will die FDP hier - wie auch am Belt - eine Tunnellösung.
Wir wollen, dass die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger in den betroffenen Kommunen angehört und in das Planungsverfahren (das noch bis 2012 laufen soll) für die Hinterlandanbindung in transparenter Weise einfließen. Auf deutscher Seite betrifft die Hinterlandanbindung vor allem die Trasse von Puttgarden bis nach Lübeck. Da hier die Ostseebäder liegen, brauchen wir eine neue Schienentrasse, die Menschen und Umwelt so wenig wie möglich belastet, damit es keine Lärmbelästigung und auch keine von der Trasse zerschnittenen Orte gibt.
Da wir mit der Bahn AG über die Trassenführung zu verhandeln haben und sich eine Trasse abseits der Ortschaften als eine Investition mit erheblichen Kosten erweisen wird, muss der Kreis Ostholstein mit einer Stimme sprechen. Die FDP möchte, dass eine alternative, neue Schienentrasse so wenig Belastungen bringt wie irgend möglich. Als Investition in die Infrastruktur ist aber der Staat hier in einer Bringschuld; abseits aller konjunkturellen Probleme muss hier dafür gesorgt werden, dass Ostholstein eine Hinterlandanbindung erhält, die dem Jahrhundertprojekt Beltquerung gerecht wird und gleichzeitig Tourismus und Anlieger schont.
Wenn Sie sich einmal den jetzigen Zustand der Schienenverbindung ansehen, muss man aber eindeutig sagen, dass auch eine teurere Trassenführung eine sinnvolle Investition in die Zukunft ist: Schließlich ist in den vergangenen Jahrzehnten kaum in die Verbesserung der Gleisanlagen investiert worden; manche Schienenstränge stammen noch aus der Zeit ihres Baus vor etwa hundert Jahren. Außerdem wurden auch schon vor Jahrzehnten - etwa in Bad Schwartau - Umbaumaßnahmen an den Bahnübergängen diskutiert. Wenn die Hinterlandanbindung nun also dazu beitragen soll, dass wir in Ostholstein neue Zukunftsperspektiven erhalten, dann muss sie auch so geplant werden, dass die Menschen vor Ort nicht unter der Verkehrsführung leiden. In Bad Schwartau will die FDP auch erreichen, dass eine Güterverkehrstrasse am Stadtgebiet vorbeiführt; dies wäre auch die beste Lösung für Ratekau.
Mit freundlichen Grüßen,
Ihr Hendrik Siegel