Frage an Helmut von Zech von Karl Heinz D. bezüglich Umwelt
Sehr geehrter Herr Zech,
im äußersten Norden von Hessen liegt liegt ein Filetstück unserer Wälder. Der Reinhardswald mit seiner Kulturgeschichte, seinen unvergleichlich artenreichen Naturinventarien und geschichtlichen Zeugnissen soll auf Betreiben auch Ihrer Partei in einen riesigen Industriepark mittels WEA umgewandelt werden. Wenn in Hessen ca 8% der Landesfläche konfliktfrei außerhalb unserer Wälder für WEAs geeignet ist, dann ist es der betroffene Bevölkerung um den Reinhardswald herum nicht verständlich nahe zu bringen, warum unter vielem anderen Ihre umfangreichen Investitionen in die Entwicklung eines naturnahen Tourismus damit zunichte gemacht , und warum Ihre Heimat mit dieser ernergiepolitisch unnötigen Industrialisierung in diesem Maße verunstaltet werden soll.
Gerne lesen wir Ihre Antwort, auch im Hinblick auf die hessischen Landtagswahlen.
Mit freundlichen Grüßen
Karl Heinz Dworak
Sehr geehrter Herr Dworak,
für Ihr Schreiben zur Windenergie im Reinhardswald danke ich Ihnen. Vorab möchte ich Ihnen versichern, dass ich mir als nordhessischer Abgeordneter im Hessischen Landtag der herausragenden Bedeutung des Reinhardswaldes - sowohl bezüglich der einzigartigen Naturlandschaft als auch des kulturellen Ranges - bewusst bin. Deshalb sehe ich es selbstverständlich als wichtiges Gebot, diesen in seinem Bestand zu schützen und für kommende Generationen zu erhalten.
Auf der anderen Seite steht Hessen wie auch die gesamte Bundesrepublik mit dem Umbau der Energieversorgung vor einer herausragenden politischen und gesellschaftlichen Aufgabe. Kaum ein anderer Bereich wirkt so nachhaltig und direkt in die Lebenswirklichkeit der Bürgerinnen und Bürger – beispielsweise durch die Frage der Versorgungssicherheit und der Bezahlbarkeit von Strom - und birgt zum anderen ein solch großes technologisches wie auch wirtschaftliches Entwicklungspotential. Auf der anderen Seite stehen jedoch massive Folgen für das unmittelbare landschaftliche Umfeld und damit für den Lebensraum von Mensch und Tier: Man nehme exemplarisch bei der Windenergie den Schattenschlag, Geräuschemissionen und Bedrängungswirkungen, aber auch Flächenverbrauch und landschaftliche Beeinträchtigungen.
Wir als FDP-Fraktion im Hessischen Landtag waren uns dieses Konfliktes und der teilweise widerstreitenden Interessen sehr bewusst. Deshalb haben wir bei der Umsetzung der Ergebnisse des Hessischen Energiegipfels besonderen Wert darauf gelegt, beim Ausbau der Windenergie sinnvolle Kriterien für ein geordnetes Verfahren aufzustellen. Der derzeit im parlamentarischen Verfahren befindliche Landesentwicklungsplan Windenergie sieht für die Ausweisung eines Gebietes als Vorrangfläche zum einen eine Grundgeschwindigkeit von 5,75 m/s in einer Höhe von 140 Metern vor, zum anderen die Festlegung des Mindestabstands von Windenergieanlagen zu Siedlungen von 1.000 Metern, sowie den Konzentrationsgrundsatz. Auf dieser Grundlage soll es gelingen, zwei Prozent der gesamten Landesfläche als Vorranggebiet für Windenergie auszuweisen. Auf der Ebene der Regionalplanung, und später noch einmal auf Genehmigungsebene, wird intensiv geprüft, ob ein Vorranggebiet bzw. ein konkretes Vorhaben mit dem Landschafts- und Naturschutz überhaupt vereinbar ist. Deshalb weisen sowohl hinsichtlich der Folgen für die Natur - man nehme beispielhaft nur den immensen Flächen- und Waldverbrauch - sowie die zu befürchtenden avifauvinistischen Folgen der LEP und der naturschutzfachliche Erlass des Hessischen Umweltministeriums auf die Regelungen des Naturschutzgesetzes hin. Dabei ist insbesondere drauf hinzuweisen, dass Naturschutzgebiete sowie Naturdenkmäler absolute Ausschlussgebiete sind. Darüber hinaus sollen Natura 2000-Gebiete nur insofern als Vorranggebiete herangezogen werden, als die Windenergienutzung mit den Erhaltungszielen der Natura 2000-Gebiete vereinbar ist oder die Voraussetzungen für eine FFH-rechtliche Ausnahme vorliegen. Mit alldem wollen wir gewährleisten, dass sich die Planung auf wenige, dafür jedoch besonders windhöffige, wirtschaftlich lohnende Standorte konzentriert und dabei die Beeinträchtigungen für Mensch, Natur und das Landschaftsbild möglichst gering gehalten werden.
Mit Blick auf die genannten Kriterien und Ziele hat die Regionalversammlung Nordhessen, die als Gremium für die Ausweisung der Vorrangflächen zuständig ist, einstimmig den Regionalplan aufgestellt. Dies geschah in dem Bewusstsein, dass die Kammlagen der hessischen Mittelgebirge aus Sicht der Windhöffigkeit und damit der Wirtschaftlichkeit besonders geeignet für Windkraftanlagen sind, und eine Nutzung dieses Umstandes auch Ausdruck von Solidarität unter den sehr unterschiedlichen hessischen Landesteilen ist. Auf der anderen Seite teile ich Ihre Bedenken bezüglich der Wirkungen für das Landschaftsbild und den Tourismus. Deshalb werden wir ganz besonders darauf achten, dass kein unkontrollierter, rein ideologisch motivierter Zubau nach dem Motto „viel hilft viel“, wie es SPD und Grüne propagieren, erfolgt. Insbesondere die Grünen gehen viel weiter und fordern, die Mindestabstände zu Siedlungen auf 750 Meter zu reduzieren oder im Einzelfall sogar darunter zu gehen, mehr Vorranggebiete auszuweisen, neben den Vorranggebieten noch Eignungsflächen als Planungskategorie aufzunehmen und damit die Ausschlusswirkung zu umgehen sowie die Mindestgeschwindigkeit auf 5,5 m/s abzusenken. Eine Energiewende ohne die genannten Beeinträchtigungen „zum Nulltarif“ wird es nicht geben. Wir werden als FDP jedoch daran arbeiten, sie mit dem größtmöglichen Schutz für Menschen und unter Schonung der Natur zu ermöglichen.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen unsere Position umfassend darlegen und stehe Ihnen gerne auch weiterhin zum Meinungsaustausch zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Helmut von Zech
FDP-Fraktion im Hessischen Landtag