Frage an Helmut Barthel von Mareen N. bezüglich Lobbyismus & Transparenz
Sehr geehrter Herr Barthel,
Wie begründen Sie die Maßnahmen? Die Kirchen (vom RKI als ‚Pandemietreiber’ beschrieben) bleiben uneingeschränkt offen, aber die Mama-Outdoor-Sportgruppe darf sich nicht im Freien treffen trotz gegebenen Abstand, ebenso der Rentner-Lauftreff. Die Risikogruppe Übergewicht darf keinen gelenkschonenden, gesundheitsfördernden Aquafitnesskurs besuchen, aber die Fußballer dürfen sich jubelnd umarmen? Würde man diese Gruppen also in Kirchen verlegen und als religiöse Veranstaltung deklarieren, dürften sie stattfinden.
Das Restaurant muss schließen, aber die Kantine bleibt offen?
Der Sportunterricht findet in den Schulen statt, aber der Vereinssport wird geschlossen?
Die Haare darf man sich schön machen, aber sich am Fuß kein Tattoo stechen lassen?
In den ÖPNV darf gedrängelt und dicht gestanden werden, aber im Kino darf man keine 2m auseinandersitzen?
Mit freundlichen Grüßen
M. Nagy
Sehr geehrte Frau Kretschmer-Nagy,
vielen Dank für Ihre Mail. Die SPD-Landtagsfraktion unterstützt die beschlossenen Maß-nahmen von Bund und Ländern zur Eindämmung des Corona-Virus. Sie dienen dem wichtigsten und übergeordneten Ziel, die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger zu schützen. Daher muss das Gesundheitssystem gestützt und entlastet werden. Der Blick geht zurück auf das Frühjahr 2020, auf die vielen besorgniserregenden Bilder und Zahlen in vielen Ländern der Welt, die wir in der Bundesrepublik weiterhin vermeiden wollen. Und auch bei einem aktuellen Blick auf die weltweiten und bundesdeutschen Infektionszahlen sind wir sehr besorgt und sehen die beschlossenen Maßnahmen von Bund und Ländern als gerecht-fertigt an.
Halten wir uns einen Monat mit allen Konsequenzen an diese Maßnahmen, kann das für die zweite Corona-Welle ein Wellenbrecher sein. Jede und jeder hat es in der Hand, diesen November zu einem gemeinsamen Erfolg zu machen, zu einem Wendepunkt in der Pandemie. Allen muss klar sein, das Virus bestraft Halbherzigkeit. Das Wachstum der Corona-Pandemie verläuft noch steiler als ursprünglich hochgerechnet.
So haben wir in Brandenburg in der letzten Woche die Marke von 500 Infizierten pro Tag überschritten, wie wir bundesweit nun auch kontinuierlich die Marke von 20.000 Neuinfizierten pro Tag überschreiten. Ohne eine Bremsfunktion wären wir an Weihnachten täglich im hunderttausender Bereich.
Wir müssen den Klinik-Kollaps verhindern. Die Zahl der wegen einer Covid-19-Infektion stationär behandelten Menschen hat sich in Brandenburg im Vergleich zu Anfang Oktober mehr als verzehnfacht. Schon jetzt, wo aufgrund der zweiten Corona-Welle jeder Intensiv- und Beatmungsplatz dringend benötigt wird, fallen in der Bundesrepublik Stationen und Notaufnahmen einiger Kliniken aus, weil das Pflegepersonal erkrankt ist. Mit den steigenden Fallzahlen kommen nun auch immer mehr die Gesundheitsämter an ihre Grenzen. Entsprechende Engpässe bei den Gesundheitsämtern dürfen nicht eintreten, dient doch deren voll-ständige Kontaktnachverfolgung als zentrales Element in der Pandemiebekämpfung.
Daher gilt es jetzt zu handeln, nicht zu warten, die Kontakte und Begegnungen zwischen den Menschen zu beschränken. Dabei wird den Menschen viel zugemutet. Lange wurde von Bund und Ländern abgewogen, ob es einen besseren und milderen Weg der Eindämmung gibt. Die nun beschlossenen Maßnahmen sind notwendig, geeignet und verhältnismäßig, um die Kontakte in der Gesellschaft zu reduzieren. Es geht nicht darum, jemanden zu bestrafen, weil eventuell von einer gewissen Gruppe oder Branche in den letzten Monaten Fehler gemacht wurden.
Wir alle verzichten nun auf vieles, was das Leben schöner und interessanter macht. Noch mehr muten wir der Gastronomie und den Kultureinrichtungen, den Künstlern und Sport- und Freizeiteinrichtungen zu. Wir alle kennen in unserem Umfeld betroffene Gastronomen, Künstler usw., erfahren somit hautnah, in welcher schwierigen Situation diese stecken.
Ein Großteil dieser Einrichtungen haben in den letzten Monaten in großer Verantwortung die Herausforderung angenommen, mit guten Hygienemaßnahmen in schwierigen Pandemiezeiten zu arbeiten. Diese Vorkehrungen können mit der Beendigung der Teil-Lockdown-Maßnahmen weiterhin sehr wertvoll sein. Aber im Augenblick, hinsichtlich der 75%igen nicht mehr möglichen Zuordnung der Infektionsketten und der absolut notwendigen Kontaktreduktion, können die Hygienemaßnahmen ihre positive Wirkung nicht mehr entfalten.
Darüber hinaus ist die weitgehende Schließung von Gastronomie und Hotellerie jetzt in ein Maßnahmen-Gesamtkonzept mit dem Ziel eingebettet, relevante Einrichtungen wie Schulen, Kitas und Betriebe nicht schließen zu müssen. Wir sind froh, dass die Bundesrepublik aktuell einen leichteren Lockdown als im Frühjahr beschlossen hat, somit weniger geschlossen ist, als in vielen Nachbarländern.
Alle, denen das Geschäft ab November 2020 untersagt ist, sollen Unterstützung bekommen. Niemand wird alleine gelassen. Profitieren sollen Unternehmen, Betriebe, Vereine und Ein-richtungen, die schließen müssen oder bereits schließen mussten. Auch Selbstständige sollen die Hilfe erhalten. Vor allem geht es also um die Restaurants, Cafés, Bars, Kneipen oder Clubs - aber auch um Schwimmbäder, Fitnessstudios, Theater, Kinos, Konzerthäuser, Freizeitparks, Spielhallen, Kosmetikstudios, Massagepraxen oder Tattoo-Läden. Sie alle leisten ein Opfer für uns alle!
Es gilt allen zu danken, auch jenen, die sich bisher an die Maßnahmen zur Kontaktbeschränkung gehalten haben. Ich möchte betonen, dass die große Mehrheit der Brandenburger Bevölkerung in den letzten Monaten sehr besonnen und umsichtig gehandelt hat. Hervorzuheben ist auch die gute und engagierte Arbeit der Bediensteten in den Krankenhäusern, Pflegeheimen, des ÖPNV, im Einzelhandel usw., aber auch das Handeln der Bundesregierung sowie die Arbeit der Brandenburger Landesregierung.
Wir müssen nun alle unsere Kontakte beschränken, uns weiterhin an die Abstands- und Hygieneregeln halten, im Besonderen solange es keinen Impfstoff und keine Medikamente gegen das Virus gibt. Wir hoffen alle, dass es diesbezüglich bald in den nächsten Monaten positive Nachrichten gibt, haben Vertrauen in die Wissenschaft und Forschung, die mit Hochdruck daran arbeiten.
Gleichzeitig begrüßen und unterstützen wir weiterhin das Handeln der Bundesregierung, wie auch die Umsichtigkeit der Brandenburger Landesregierung, die sich in den letzten Monaten nicht an dem gefährlichen Überbietungswettbewerb einiger Bundesländer im Punkt der Lockerungen beteiligt hat.
Wir alle wissen aktuell noch nicht, wie sich die nächsten Wochen entwickeln, ob die die Effekte des partiellen Lockdowns auf die Zahlen der Neuinfektionen Auswirkungen gezeigt haben. Wenn die Corona-Krise hoffentlich in naher Zukunft Geschichte sein wird, sollten wir uns alle daran erinnern, wie wir diese gemeinsam, in einem gesamtgesellschaftlichen Kraftakt, bewältigt haben.
Ich verbleibe mit freundlichen Grüßen
Helmut Barthel