Frage an Hellmut Königshaus von Karsten D. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Königshaus.
Hiermit fordere ich sie freundlichst dazu auf, mir gegenüber, einmal ihre persönliche Einstellung zur geplanten Gesetzesänderung des Telemediengesetz am 12 Februar 2009 zu erläutern! Insbesondere möchte ich Sie bitten, genauer auf die geplanten Änderungen der Paragraphen 2, 13 und 15 des TMG einzugehen.
Gerade in Hinblick auf die aktuellen Datenschutz-Skandale bei der Bahn, der Telekom und vieler weiterer Konzerne, bitte ich Sie, der geplanten Änderung NICHT zuzustimmen!
Die pauschale Aufzeichnung und Protokollierung von „personenbezogenen Nutzerdaten“, auch OHNE vorliegende Störungen der Telemedien, würde der „absoluten Erfassung von vielen millionen Nutzerdaten“ durch etwaige Internetdienstleister „Tür und Tor“ öffnen, und wäre dadurch skandalös und undemokratisch – und hat nichts mehr mit „mehr Sicherheit“ zu tun!
Personen, welche versuchen Kommunikationsmedien für „kriminelle Handlungen“ zu nutzen, werden sich auch weiterhin NICHT mit eigenen Nutzerdaten „anmelden“. Wenn sie nicht sogar ganz anonym aus dem Ausland „aggieren“?
Eine pauschale Datenerfassung, Protokollierung, „ohne Grund und Begründung“ ist nicht zu verantworten UND nach Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes auch VERFASSUNGSWIDRIG. Bitte setzen Sie sich für das Grundrecht auf „informelle Selbstbestimmung“ der Menschen dieses Landes ein und STIMMEN Sie GEGEN die Gesetzesänderung!!!
Vielen Dank für ihre Antwort im voraus,
mit freundlichem Grüßen
Karsten Dierwald
Sehr geehrter Herr Dierwald,
vielen Dank für Ihre interessante Frage. Ich sehe die Gesetzesänderung sehr kritisch.
Die geplanten Aufgabenerweiterungen für das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) erscheinen mir unverhältnismäßig. Die Bundesregierung geht weit über das erforderliche Maß hinaus, um die IT-Anlagen der Bundesbehörden vor Angriffen zu schützen. Sicherheit in der Informationstechnik ist gewiss notwendig, rechtfertigt aber nicht solche Regelungen. Wenn das BSI ermächtigt wird, jedwede Kommunikation zwischen Bürgerinnen und Bürgern wie auch Unternehmen und Behörden aufzuzeichnen und auszuwerten, so stellt dies faktisch alle diejenigen, die mit Behörden elektronisch Kontakt aufnehmen, unter Generalverdacht.
Umso schlimmer noch wird die generelle Überwachung aller Kommunikation mit Behörden dadurch, dass grundlegende rechtsstaatliche Sicherungen fehlen. So ist der Kernbereichsschutz vollkommen unzureichend ausgestattet, ein Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen fehlt gänzlich. Der Datenschutz kommt nicht zum Tragen, da Daten nicht anonymisiert erhoben, gespeichert und ausgewertet werden.
Die vorgesehene Datenweitergabe an die Sicherheitsbehörden ist ebenfalls unverhältnismäßig. Die im Gesetzentwurf genannte Voraussetzung für die Datenweitergabe an Polizei, Staatsanwaltschaften ebenso wie Nachrichtendienste soll nach den Vorstellungen der Bundesregierung das Vorliegen einer Straftat von erheblicher Bedeutung sein. Bei Straftaten, die mittels Telekommunikation begangen wurden, ist überhaupt keine Schwelle vorgesehen. Mit gerichtlicher Zustimmung dürfen Daten auch zu „sonstigen Zwecken“ an Polizei oder Verfassungsschutzbehörden weitergegeben werden zur Abwehr terroristischer Gefahren oder anderen Staatsschutzdelikten. Dies öffnet einer Totalüberwachung tendenziell Tür und Tor und stellt die Vertraulichkeit der gesamten Behördenkommunikation in Frage.
Besonders kritisch sehe ich die Regelung, dass das BSI zur „Unterstützung“ der Polizei, des Verfassungsschutzes und des BND tätig werden und hierfür Informationstechnik ausforschen soll. Auch hier wird in völlig unbestimmter Weise der Überwachung Tür und Tor geöffnet, insbesondere bei den Nachrichtendiensten.
Weil auch „Hinweise“ aufgenommen wurden, ist der Anwendungsbereich der Norm quasi uferlos, denn es kann damit auch jeder Rechner ins Visier geraten, der auch nur mit einem aktuellen Virus infiziert ist.
Ärgerlich ist auch die in dem Gesetzentwurf vorgesehene Änderung des Telemediengesetzes (TMG). Die Provider sollen danach die Möglichkeit erhalten, künftig nicht nur Telekommunikationsverbindungsdaten zu speichern, sondern auch Nutzungsdaten. Mithin dürfte künftig das Surfverhalten jedes Einzelnen gespeichert und ausgewertet werden. Damit wird die Vorratsdatenspeicherung um ein Vielfaches übertroffen, da nicht mehr nur das Ob der Telekommunikation erfasst wird, sondern auch das Wie und Wozu. Bislang durften Nutzungsdaten nur zu Abrechnungszwecken der jeweiligen Anbieter von Telemediendiensten gespeichert werden oder in dem Maße, wie dies zur Erbringung eines bestimmten Dienstes erforderlich war. Mit der Neuregelung rückt der „gläserne Bürger“ ein Stück weit näher.
Nicht nachvollziehbar ist zudem, dass Erkenntnisse, die das BSI über Sicherheitslücken herausfindet, nicht öffentlich gemacht werden müssen. Dies erweckt den Anschein von Geheimniskrämerei und widerspricht eklatant dem Sinn und Zweck des BSI, die Sicherheit der Informationstechnik zu fördern, denn nur durch Öffentlichkeit können Sicherheitslücken entschärft werden, insbesondere wenn die Hersteller Kenntnis von Sicherheitslücken erlangen, die dann entsprechende Patches herausgeben.
Das BSI-Gesetz wird in der vorgelegten Fassung von mir und der gesamten FDP-Bundestagsfraktion strikt abgelehnt. In den anstehenden Beratungen im Bundestag wird die FDP darauf drängen, dass substanzielle Änderungen erfolgen und die genannten Punkte gestrichen oder deutlich eingegrenzt werden.
Mit freundlichen Grüßen
Hellmut Königshaus