Was ist ihre Meinung zu Erdogan sowie über den Umgang mit der Türkei? Sind Sie für oder gegen einen EU-Beitritt der Türkei? Sind Sie im Bergkarabach-Konflikt eher für Armenien oder Aserbaidschan?
Sehr geehrte Frau Sommer,
wie sehen Sie den Umgang der Bundesregierung mit Erdogan und der Türkei?
Sollte man Ihrer Meinung nach die Grauen Wölfe und die DITIB hier in Deutschland verbieten? Sollte man Sanktionen gegen die Türkei, oder zumindest gegen die Erdogan-Regierung ergreifen? Und, sollte die NATO-Mitgliedschaft der Türkei zumindest solange suspendieren, solange Erdogan das Sagen hat?
Sollte man Ihrer Meinung nach die Beitrittsverhandlungen für einen EU-Beitritt mit der Türkei aufs Eis legen, oder gar stoppen? Sollte man sämtliche Geldflüsse an die türkische Regierung kappen?
Und, sind Sie im Kaukasus-Konflikt eher für Armenien, oder für Aserbaidschan? Oder, sind Sie da eher neutral? Wie sehen Sie da die Rolle Russlands sowie der Türkei im Bergkarabach-Konflikt?
Auf Ihre Antworten würde ich mich sehr freuen!
Mit freundlichen Grüßen
E. g.
Sehr geehrter Herr G.
vielen Dank für Ihre vielen Fragen, die ich versuche zusammenzufassen.
1) Die Bundesregierung hat sich mit dem schändlichen EU-Flüchtlingsdeal mit der Türkei selbst an Erdogan ausgeliefert und Deutschland erpressbar gemacht. Deshalb gilt in ihrer Türkeipolitik das Prinzip der Leisetreterei auch dort, wo deutliche Kritik vonnöten wäre.
2) Ich bin grundsätzlich dafür, bei allen gewalttätigen Organisationen, die das friedliche Miteinander in Deutschland bedrohen, auch die Möglichkeiten von Organisations- bzw. Betätigungsverboten zu nutzen - egal, ob die betreffenden Organisationen inländischen oder ausländischen Ursprungs sind. Gleichzeitig muss aber auch immer den zugrunde liegenden Ursachen mit geeigneten Mitteln (z. B. Präventions- und Bildungsarbeit) entgegengewirkt werden, die solchen Organisationen erst Zulauf verschaffen. Diese werden mit bloßen Organisationsverboten nicht beseitigt.
3) Angesichts der konfrontativen und konfliktschürenden Politik der türkischen Regierung befürworte ich, den EU-Flüchtlingsdeal und die militärische Zusammenarbeit mit der Türkei zu beenden. Die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei habe ich lange Zeit unterstützt, weil damit Hoffnungen auf Demokratiefortschritte in dem Beitrittsland verbunden waren. Heute kann ich nicht mehr erkennen, dass die Türkei selbst überhaupt noch das Ziel des EU-Beitritts verfolgt, sodass sich die Fortführung der Verhandlungen praktisch erübrigt.
4) Als linke Friedenspolitikerin kämpfe ich grundsätzlich gegen den Krieg. Deshalb spreche ich mich stets für die friedliche Lösung von Konflikten durch politische Verhandlungen ohne die Androhung oder Anwendung von Gewalt aus. Das gilt für jeden Konflikt. Hierbei sehe ich Deutschland in der Verantwortung, mit einer aktiveren Konfliktdiplomatie und dem Verzicht von Waffen- und Rüstungsexporten ein positives Beispiel für andere zu setzen, um stärker zur friedlichen Lösung von Konflikten beizutragen.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Helin Evrim Sommer