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Helin Evrim Sommer
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Frage von Dogan A. •

Frage an Helin Evrim Sommer von Dogan A. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Liebe Frau Baba

Meine Frage zu Integration
Wie soll Integration gelingen, wenn selbst Kandidaten mit dem Migrationshintergrund sich nur um MIgrantenangelegenheiten kümmern und sich selber reduzieren?

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Antwort von
DIE LINKE

Die Einschätzung, dass sich Menschen mit Migrationshintergrund in Parteien oder Fraktionen ausschließlich mit dem Thema Migration/Integration beschäftigen, teile ich überhaupt nicht. So wie ich selbst mich insbesondere in den Bereichen Frauenpolitik, Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik sowie beim Kampf gegen Rechtsextremismus engagiere, kenne ich viele Kolleginnen und Kollegen aus unterschiedlichen politischen Richtungen, die sich ebenfalls nicht auf „Migrationsangelegenheiten“ reduziert haben bzw. reduziert haben lassen. Richtig ist, dass in allen Parteien, leider auch in der Linkspartei.PDS, ein gewisser Trend besteht, Personen mit Migrationshintergrund auf dieses Politikfeld festzulegen. Obwohl es genau genommen weder eine gemeinsame, d.h. übereinstimmende, noch eine einzige Migrationserfahrung und -geschichte innerhalb einer ethnischen Gruppe gibt, wird davon ausgegangen, dass ein Kernbestand an grundlegenden gleichen Erfahrungen existiert, wodurch sie sich von anderen sozialen Gruppen unterscheiden. Bei dieser Fremdethnisierung werden geschlechtsspezifische, kulturelle, soziale, politische, religiöse, sexuelle, generationsbedingte und auch individuelle Differenzen unzulässigerweise einfach weitgehend ausgeblendet. Niemand käme ernsthaft auf die Idee, dass nur Flüchtlinge tatsächlich in der Lage sind, Flüchtlingspolitik zu betreiben.

Zugegebenermaßen ist es aber auch so, dass manche MigrantInnen, die bspw. in politischen Gremien wirken wollen, sich selbst als einzig wirklich befähigt sehen, die Interessen von MigrantInnen zu vertreten, da sie im Gegensatz zu anderen sozialen Gruppen auf Erfahrungen mit der staatlichen Ausländerpolitik, rassistischen Stereotypen und folkloristischen bzw. kulturalistischen Diskursen verweisen können. Wir haben es also mit einem komplizierten Prozess der Fremd- und Selbstethnisierung zu tun. Beide gleichzusetzen ist aber unzulässig, würde dies doch bedeuten, die unterschiedlichen Positionen im machtbesetzten Gesellschaftsdiskurs zu nivellieren und die Selbstethnisierung nicht vordergründig als Reaktion auf die Ausgrenzung und Diskriminierung zu sehen. Eine Gleichsetzung würde bedeuten, die relative Differenz zwischen Privilegierten und Unterprivilegierten, TäterInnen und Opfern aufzuheben.

Integration heißt für mich vor allem diejenigen zu unterstützen, die daran gehindert werden, sich wie alle anderen Gesellschaftsmitglieder auch nach sozialen, politischen und ökonomischen Interessen zu differenzieren und sich an der pluralen Kompromissbildung von Interessengegensätzen wirkungsvoll zu beteiligen. Dabei spielt es nur eine untergeordnete Rolle, welche ethnische, soziale oder anders definierte Herkunft, diese Betroffenen für sich selbst in Anspruch nehmen oder ihnen durch andere zugewiesen wird. Gleiches betrifft aber auch jene Personen, die sich für diese Menschen mit mir gemeinsam einsetzen bzw. eintreten wollen. In unserer Fraktion der Linkspartei.PDS sind dies bezogen auf das Politikfeld Migration/Integration übrigens auch und vor allem Karin Hopfmann und Udo Wolf.