Frage an Helin Evrim Sommer von Paul B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sie schreiben auf Ihrer Website, dass eines der zentralen Themen ihrer Arbeit der Antifaschismus ist? Wie soll man das verstehen? Geht in Berlin nicht eher die Gefahr von Linksextemisten aus?
MfG
Behrens
Sehr geehrter Herr Behrens,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage, die ich hiermit gerne beantworten möchte. Ich denke, dass die Gefahr von rechts heute mehr denn je unterschätzt wird. Seit 1990 wurden zirka 140 Menschen bei Übergriffen von Nazis getötet. Die Rechten versuchen durch die offene Etablierung von Strukturen, wie Kneipen oder Läden, in Berlin Fuß zu fassen. In Schöneweide öffnete unlängst ein Laden, der den Namen des Wehrmachtssprengstoffs „Hexogen“ trägt. Auch nehmen Gewalttaten von Nazis, bei denen Menschenleben in Kauf genommen werden, zu. So etwa versuchten rechte Gewalttäter in der Nacht zum 27. Juni fünf alternative Projekte in Brand zu setzen. Es werden von ihnen „schwarze Listen“ mit Namen von Antifaschisten im Internet veröffentlicht. Immer wieder werden Büros von Parteien, wie etwa der Partei DIE LINKE, sowie sozialer Projekte beschädigt.
Konservative Politiker versuchen immer wieder, rechte Gewalt zu verharmlosen und sie mit vermeintlich linker Gewalt gleichzusetzen. Die Bundesfamilienministerin lässt nun mittlerweile Projekte gegen Nazis eine Erklärung unterschreiben, dass sie nicht mit „Extremisten“ zusammenarbeiten. Das ist nicht hinnehmbar, weil es eine unerhörte Unterstellung von kriminellen Handlungen ist, die Arbeit von zivilgesellschaftlichen Gruppen gegen Rassismus und Antisemitismus behindert und außerdem Überwachungsmechanismen a la Stasi einführt.
Aktuell gibt es in Berlin wieder Autobrände. Dabei wird insbesondere von konservativen Politikern versucht, die Täter dem linken Spektrum zuzuordnen. Dafür gibt es jedoch keinerlei Beweise. Sowohl der Berliner Innensenator, als auch die amtierende Polizeipräsidentin sind sich dabei einig. Vor einigen Tagen erst las ich ein Interview mit Christian Pfeiffer, dem Chef-Kriminologe in Niedersachsen. Darin sagt er, die Wahl der Orte und die Autotypen sprechen nicht mehr dafür, dass linksradikale Täter hinter den Brandstiftungen steckten. Auch sei eine politische Zielrichtung meist nicht erkennbar. Bekennerschreiben gibt es schon länger nicht mehr. Angenommen wird, dass es „ganz normale Brandstifter“ sind. Das Anzünden von Autos ist zu einer Art Mutprobe geworden oder die Tat von Jugendbanden. Auch ist die Fernwirkung der Ausschreitungen in London nicht von der Hand zu weisen.
Ich denke, es ist deutlich sichtbar, von welcher Seite die Gefahr gegen die demokratische Gesellschaftsordnung ausgeht. Sie kommt von rechts und dem müssen wir zivilgesellschaftlich entschieden entgegentreten. Zum Schutz unserer demokratischen Werte ist antifaschistisches Handeln eine Bürgerpflicht. Darüber hinaus muss endlich auch die NPD verboten werden.
Mit freundlichen Grüßen,
Evrim Baba-Sommer, MdA