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Helge Lindh
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Frage von Otto Rainer F. •

Sehr geehrter Herr Lindh, wie stehen Sie zu der Tatsache, dass einige europäische Staaten Palästina als eigenständigen Staat anerkennen?

Und unterstützen Sie die Aussage, dass Deutschland dies hoffentlich nicht auch machen wird? Mit freundlichen Grüßen aus Ihrer Heimatstadt, Rainer F.

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Sehr geehrter Herr F.,

vielen Dank für Ihre Frage.

Die SPD-Bundestagsfraktion setzt sich seit langer Zeit für eine Zwei-Staaten-Lösung ein. Diese Position bleibt, trotz des schrecklichen Terrorangriffs der Hamas am 07. Oktober, unverändert. 

Die Anerkennung eines palästinensischen Staates durch einige europäische Staaten bringt uns dem Ziel einer Zwei-Staaten-Lösung aktuell nicht näher. Ganz im Gegenteil: Das Völkerrecht setzt zur Anerkennung eines Staates voraus, dass dieser über Staatsvolk, Staatsgebiet und Staatsgewalt verfügt. Die Anerkennung als Staat durch einen oder mehrere Drittstaaten ist nur deklaratorischer Natur und nicht konstitutiv für das Entstehen eines neuen Staates. Die Anerkennung darf allerdings erst erfolgen, wenn der neue Staat im vollen Besitz des Staatsgebietes, des Staatsvolkes und der Staatsgewalt ist. Das in den palästinensischen Gebieten – unter der Terrorherrschaft der Hamas im Gaza-Streifen und der unklaren Situation in anderen Regionen – nicht der Fall. Es gibt keine funktionierende Staatlichkeit. Hinzu kommt, dass selbst die Autonomiebehörde den Staat Israel nicht anerkennt. Das Ziel bleibt ein demokratischer Rechtsstaat für jeweils beide Parteien: Israelis und Palästinenser, die Frieden wollen, müssen eines Tages Seite an Seite und ohne Terror auf der Grundlage einer verhandelten Zwei-Staaten-Lösung leben können.

Zur aktuellen Situation gilt gleichzeitig: Die schrecklichen Ereignisse im Nahen Osten halten die Welt seit den Morgenstunden des 7. Oktober in Atem. Nie zuvor in seiner 75-jährigen Geschichte war Israel einer solchen Welle terroristischer Gewalt und Brutalität ausgesetzt. Wir verdammen die Gewalt der Terroristen in aller Schärfe. Ihr erklärtes Ziel war es Jüdinnen und Juden zu töten. Weder die Siedlungspolitik noch die schwindende Perspektive für eine Zwei-Staaten-Lösung rechtfertigt auch nur im Entferntesten diese Gewalt gegen unschuldige Frauen und Männer. In diesem Moment gibt es für Deutschland nur den Platz fest an der Seite Israels, das hat Bundeskanzler Olaf Scholz in seiner Regierungserklärung am 12. Oktober 2023 vor dem Deutschen Bundestag zurecht festgestellt. Die Sicherheit Israels als Heimstätte für das jüdische Volk ist deutsche Staatsräson.

Wir müssen auch auf die langfristige Perspektive des Nahen und Mittleren Ostens schauen. Die Bundesregierung wird mit diplomatischen Mitteln weiter um Lösungen für die zahlreichen Konflikte der Region ringen. Dazu gehört auch, sich Gedanken über die Zukunft Gazas nach dem Krieg zu machen. 

Ich weiß, dass dies auf Ihre Frage nur eine unzureichende Beantwortung sein kann. Die Lage ist komplex – wir müssen zwingen, genau hinzuschauen. Dafür müssen wir uns dem Desinformationskrieg auch in den sozialen Medien entschieden entgegenstellen und zu differenzierten Debatten beitragen. Die hohen zivilen Opferzahlen und die desolate humanitäre Lage in Gaza sind ein Nährboden für weiteren Terrorismus. Sie gefährden die Beziehungen zu Staaten in der Region, die Frieden und Sicherheit wollen. Diesem Dilemma versucht unsere uneingeschränkte Solidarität mit Israel bei gleichzeitiger humanitärer Unterstützung der palästinensischen Zivilbevölkerung gerecht zu werden. Alles mit dem Ziel, einer Zwei-Staaten-Lösung näher zu kommen.

Mit besten Grüßen

Ihr
Helge Lindh, MdB

 

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