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Helge Lindh
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Frage von Daniel B. •

Frage an Helge Lindh von Daniel B. bezüglich Bundestag

Sehr geehrter Herr Lindh,
Am 29.01. 2020 wurde im Bundestag über die seit 2013 angesetzte Wahlrechtsreform diskutiert. Wie stehen Sie als Mitglied der Großen Koalition zum gemeinsamen Gesetzentwurf zur Wahlrechtsreform von GRÜNE/LINKE/FDP?
Viele Grüße,

D. B.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Buchenauer,

vielen Dank für ihre Nachricht. Eine Wahlrechtsreform ist dringend notwendig. Wichtig ist aber auch, dass wir einen möglichst breiten Konsens im Parlament herstellen. Wahlrechtsfragen berühren im Kern die Art und Weise, wie Repräsentation im Parlament dargestellt wird und ist natürlich auch verbunden mit Machtfragen. Leider sind bisher alle Vermittlungsvorschläge aus verschiedenen Gründen gescheitert. Zuletzt konnte die CDU/CSU-Fraktion sich intern einigen, aber noch keine abschließenden Verhandlungen mit uns als SPD und den Oppositionsfraktionen führen. Den Reformvorschlag von Grüne/Linke/FDP sehe ich kritisch, da er zu einseitig auf die Vergrößerung der Wahlkreise setzt. Ich bin sehr kritisch, ob eine Vergrößerung der Wahlkreise eine angemessene Form der Wahlkreisarbeit ermöglicht. Der direkte Kontakt zu den Bürgerinnen und Bürger und die direkte Legitimation des Direktmandats sind eine wichtige Ergänzung zur Listenwahl, stärkt sie doch die Verbindung der Abgeordneten zu ihrer Heimatregion und Wahlkreisen. Mit dieser Sorge stehe ich nicht allein, wie die jüngste Debatte ums Wahlrecht im Deutschen Bundestag gezeigt hat.

Das Problem ist bekannt. Die aktuelle Gesetzeslage sieht für den Bundestag eine Regelgröße von 598 Mandaten vor. Bei der nächsten Wahl könnten es nach dem aktuell geltenden Bundestagswahlrecht wegen Überhang- und Ausgleichsmandaten über 800 Mandate werden. Der Bundestag könnte dadurch an die Grenzen seiner Arbeits- und Handlungsfähigkeit stoßen.

Da in dieser Legislaturperiode die interfraktionelle Arbeitsgruppe zur Wahlrechtsreform und Verkleinerung des Bundestages unter Leitung von Bundestagspräsident Schäuble leider ohne Erfolg geblieben ist, haben wir als SPD-Bundestagsfraktion nun einen neuen Kompromissvorschlag entwickelt: Mit einem zweistufigen Brückenmodell wollen wir auf praktikable Weise einer weiteren Vergrößerung des Bundestages entgegenwirken und den Weg für eine nachhaltige Wahlrechtsreform bereiten.

Wir wollen in einem ersten Schritt mit Wirkung bereits zur Wahl 2021 eine Übergangsregelung mit einer absoluten Mandatsobergrenze von 690 Abgeordneten einführen und dies mit der Einführung einer Paritätsregelung zur gleichmäßigen Repräsentanz von Frauen und Männern im Bundestag verbinden. Überhang- und Ausgleichsmandate sollen bis zur Erreichung der Obergrenze unter Wahrung des Zweitstimmenproporzes zugeteilt werden, darüber hinausgehende Überhang- und Ausgleichsmandate nicht mehr. In einem zweiten Schritt schlagen wir vor, eine Reformkommission aus Abgeordneten, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie Bürgerinnen und Bürgern einzusetzen, die sich mit gegenwärtig diskutierten Reformalternativen für das personalisierte Verhältniswahlrecht auseinandersetzt und Empfehlungen für eine Wahlrechtsreform sowie zur Modernisierung der Parlaments- und Wahlkreisarbeit erarbeitet.

Weitere Einzelheiten und die konkrete mathematische Umsetzung unseres Vorschlags haben wir auf der Homepage der SPD-Bundestagsfraktion veröffentlicht:

https://www.spdfraktion.de/system/files/documents/beschluss-wahlrecht-spd-20200303.pdf

https://www.spdfraktion.de/system/files/documents/spd-brueckenmodell-zweibeispielrechnungen.pdf

Auf Basis dieses Vorschlages gehen nun die Verhandlungen mit allen Fraktionen weiter. Trotz oder gerade wegen der jüngsten Bewegungen bin ich weiter zuversichtlich, noch in dieser Legislaturperiode eine Wahlrechtsreform verabschieden zu können, die einen weiteren Aufwuchs der Bundestagsgröße verhindert und den Weg für eine langfristig tragbare Lösung bereitet.

Trotzdem – und mit dieser Meinung bin ich in der Minderheit in meiner Fraktion – sehe ich eine Reform, in der direkt gewählte Abgeordnete ggf. nicht in den Bundestag einziehen würden, aus demokratisch-republikanischer Perspektive sehr kritisch. Die Verantwortung der direktgewählten Abgeordneten gegenüber ihren Wahlkreisen könnte durch eine solche Reform Schaden nehmen. Das habe ich auch innerhalb meiner Fraktion angemerkt.

Ich hoffe, dass wir schon bald – nach der „Sommerpause“ – zu einer Lösung kommen. Für Nachfragen stehe ich natürlich gerne bereit.

Mit freundlichen Grüßen

Helge Lindh

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