Frage an Helga Kühn-Mengel von Wilfried M. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau Dipl. Psychol. Kühn-Mengel,
in „Angst und Methode in den Verhaltenswissenschaften“ hat DEVEREUX 1973 lt. MÖHRING "eine grundsätzliche Kritik an verhaltenswissenschaftlicher Methodologie formuliert. ... „Verhaltenswissenschaftliche Daten“ – ein Begriff, den Devereux sehr weit fasst -" könnten "durch Angst vor dem Gegenstand der Betrachtung verzerrt werden". " Er geht davon aus, dass sich jegliche Beobachtung am oder im Individuum abspielt und damit dem Regime der subjektiven Gegenübertragung und ihrer zugrundeliegenden verdrängten psychischen Inhalte unterworfen wird. Die Feststellung: “Und dieses nehme ich wahr“, läuft darauf hinaus, dass notwendigerweise auch dazugehört: „Dafür nehme ich jenes nicht wahr“."(1)
Angesprochen sind also Fehlermöglichkeiten bei der Erhebung von (verhaltenswissenschaftlichen) personenbezogenen Daten auf Seiten der Untersucher (z.B. bei Begutachtungen). Wie mir scheint, wurden solche Aspekte vom Rechtsausschuß in der Sitzung am 16. März d.J. gar nicht thematisiert. Meine Frage an Sie als Dipl.- Psychologin: Woran liegt das? Kann man DEVEREUXs -m.E- zentral wichtigen- Hinweise heute folgenlos übergehem, wenn es um Begutachtungen in Psychologie bzw. Psychiatrie geht? Da Sie im Gesundheitsausschß sitzen: Glauben Sie, daß Patienten im Maßregelvollzug richtig behandelt werden, wenn die zugrundegelegte Diagnose bzw. die entscheidungserheblichen Daten des Sachverständigenbeweises unrichtig ("verzerrt") sind und der Betroffene dies nicht nachweisen kann, weil keine Videoaufnahme (unter Einschluß des Untersucherverhaltens) vorliegt, welche evtl. Fehler aufdecken lassen könnte?
Mit freundlichen Grüßen
Dipl. med. Wilfried Meißner
Facharzt für Anatomie, Psychiatrie und Psychotherapie a.D.
1) so Dr. Peter Möhring, Psychoanalytiker und Lehranalytiker http://www.journal-ethnologie.de/Deutsch/Schwerpunktthemen/Schwerpunktthemen_2009/Devereux_und_die_Ethnopsychoanalyse/Angst_und_Methode_in_den_Verhaltenswissenschaften/index.phtml
Sehr geehrter Herr Meißner,
in der Zwischenzeit habe ich mich in Ihrer Angelegenheit an meine Kollegen im Rechtsausschuss des Bundestages gewandt, weil Sie in Ihrem Schreiben beklagen, dass der Rechtsausschuss in seiner Sitzung am 16.3.2016 nicht die von Ihnen genannten Aspekte berücksichtigt.
Nun konnte ich erfahren, dass es in der genannten Anhörung des Rechtsausschusses um die rein rechtliche Einordnung von Gutachten, die Erstellung in zeitlicher Hinsicht sowie das Setzen von Fristen und Androhen von Ordnungsgeldern ging. Ziel war auch eine Beschleunigung des gerichtlichen Verfahrens, wenn Gutachter beteiligt sind. Für meine Kollegen im Rechtsausschuss und hinsichtlich der Regelungen im Bürgerlichen Gesetzbuch war die rein medizinische / fachliche Begutachtung als Aufgabe des Gutachters, also auch Methodologie nur am Rande relevant. Dafür sind der Rechtsausschuss und das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz auch nicht zuständig und das war nicht Gegenstand der genannten Anhörung.
Mit freundlichen Grüßen
Helga Kühn-Mengel