Portrait von Helene Hammelrath
Helene Hammelrath
SPD
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Helene Hammelrath zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Engelbert Manfred M. •

Frage an Helene Hammelrath von Engelbert Manfred M. bezüglich Bildung und Erziehung

Sehr geehrte Frau Hammelrath,

die SPD propagiert in NRW einen Schultyp, der sich Gemeinschaftsschule nennt. Dazu habe ich zwei Fragen:

1. Wieso benutzen Sie einen Begriff, der schon in einer anderen Bedeutung existiert, nämlich einfach als konfessionsfreie Schule? Das kann nur Verwirrung stiften.

2. Wie soll sich der von Ihnen propagierte Schultyp von der schon existierenden und in der Vergangenheit und teilweise auch in der Gegenwart von der SPD geförderten
Gesamtschule unterscheiden? Wollen Sie die Gesamtschule zugunsten dieser ominösen Gemeinschaftsschule abschaffen oder beschneiden?

Mit freundlichen Grüßen,
Manfred Müller

Portrait von Helene Hammelrath
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Müller,

danke für Ihre Eingabe auf meinem Profil bei "abgeordnetenwatch". Gerne beantworte ich Ihnen hiermit Ihre beiden Fragen:

Zu Frage 1.:
Zwar existiert der Begriff "Gemeinschaftsschule" als Benennung für konfessionsfreie Schulen bereits in NRW. Da es sich bei den bisher als "Gemeinschaftsschule" bezeichneten Schulen allerdings ausschließlich um Grundschulen handelt, wird es, was den "neuen Begriff" der Gemeinschaftsschule angeht, sicher weniger zu Definitionsproblemen kommen. Unabhängig davon besteht kein Widerspruch zwischen der bereits existierenden und der neuen Begriffsdefinition, denn in beiden Fällen geht es darum, dass alle Kinder - ohne Ausschlusskriterium - diese Schule besuchen können. Das von der SPD in NRW vorgelegte neue Schulmodell der Gemeinschaftsschule bezieht sich auf die Schullaufbahn für unsere Kinder ab der Sekundarstufe I bis zum Schulabschluss. In einer solchen Gemeinschaftsschule sollen letztendlich alle Bildungsgänge - vom Hauptschulabschluss bis zum Abitur - unter einem Dach angeboten werden. Das bedeutet zunächst, dass alle Kinder nach der Grundschule in Klasse 5 und 6 der Gemeinschaftsschule weiter gemeinsam lernen. Frühestens ab Klasse 7 werden die Schülerinnen und Schüler in Haupt-, Real- oder Gymnasialklassen getrennt unterrichtet. Eltern. Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler und Kommunen können dann gemeinsam entscheiden, ob alle Kinder und Jugendlichen an der jeweiligen Gemeinschaftsschule auch nach Klasse 6 weiterhin bis Klasse 10 gemeinsamen Unterricht erhalten.

Zu Frage 2.:
Gesamtschulen sind nach einem jeweils feststehenden Modell organisiert - entweder als kooperative (KGS) oder als integrierte Gesamtschulen (IGS). Die KGS weist eine schulformbezogene Gliederung auf, die IGS verzichtet generell auf Schulformen. In NRW sind alle Gesamtschulen integrierte Gesamtschulen, während es vor allem in Hessen und Niedersachsen, vereinzelt auch in Schleswig-Holstein und Hamburg, beide Gesamtschul-Varianten gibt. Für Gemeinschaftsschulen gibt es keine solche starre Vorgabe: Sie können sich eher kooperativ oder eher integriert organisieren, aber auch Zwischenformen darstellen. Die Art der Differenzierung ist abhängig von der Entscheidung der Schule und des Schulträgers, bei kleinen Systemen aber auch vom Schüleraufkommen. Insofern ist die Gemeinschaftsschule kein Standardmodell. Unser Konzept der Gemeinschaftsschule setzt auf die Selbstständigkeit der Einzelschule und die Freiheit des Schulträgers. Schule und Schulträger entscheiden - unter Einbeziehung der Eltern - wie die jeweilige Organisationsform aussehen soll. Für Gesamtschulen in NRW wird bei deren Gründung bisher immer festgelegt, dass sie integriert arbeiten sollen. Bei dieser einmal gefällten Entscheidung bleibt es dann. Eine Gemeinschaftsschule könnte aber beispielsweise auch mit getrennten Bildungsgängen nach der Orientierungsstufe beginnen und im Rahmen der eigenen Entwicklung zunehmend integriert arbeiten. Die Gründung einer Gemeinschaftsschule orientiert sich bewusst an den jeweiligen Gegebenheiten am Ort und baut auf den vorhandenen Strukturen auf. Das schafft mehr Flexibilität für die Schulträger und hilft vor allem den kleinen Kommunen, die sonst ihre Schulen schließen müssten. Das Konzept der Gemeinschaftsschule berücksichtigt die demografische Entwicklung. Es ist mit der Absicht entwickelt worden, trotz sinkender Schülerzahlen ein wohnortnahes umfassendes Bildungsangebot zu erhalten. Eine Gemeinschaftsschule steht im Regelfall nicht in Konkurrenz zu anderen Schulen. Diese gehen vielmehr in der Gemeinschaftsschule auf. Die Gründung einer Gemeinschaftsschule erfordert also nicht zwingend die Schließung anderer Schulen, sondern deren Weiterführung in einer gemeinsamen Schule. Ein Problem der Gesamtschule war und ist, dass sie als ergänzende Schulen neben dem gegliederten System steht. Das entspricht nicht dem ursprünglichen Konzept der Gesamtschule als ersetzender Schulform, wie sie im Ausland üblich ist. Die Folge ist eine Konkurrenzsituation zwischen verschiedenen Schulen, die sich nachteilig für alle weiterführenden Schulen auswirkt, insbesondere für Gesamtschulen, aber auch für Hauptschulen und zunehmend auch für Realschulen. Dieses Konkurrenz-Problem wird mit Gemeinschaftsschulen zumindest stark verringert. Welche Form der internen Leistungsdifferenzierung auch gewählt wird: Eine Gemeinschaftsschule beendet die traditionelle Verzettelung der Bildungsangebote nach Schulformen und Schulstandorten, sie ist in jedem Fall als "Schule für alle" konzipiert. Überdies ist ein gemeinsamer Unterricht in den Jahrgangsstufen 5 und 6 verbindlich, wodurch die weltweit ziemlich einzigartige Frühauslese aufgehoben wird, eine seriösere Empfehlung für den Besuch der anschließenden Bildungsgänge ausgesprochen werden kann und Fehlentscheidungen innerhalb der eigenen Schule leicht korrigierbar sind.

Mit freundlichen Grüßen
Helene Hammelrath