Frage an Heinz Rolfes von Bernd K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Freizeitparlament
Lieber Herr Rolfes,
eine politische Gruppierung, die für den Landtag kandidiert, plädiert dafür, die Landtagsabgeordneten als Feierabendpolitiker arbeiten zu lassen.
Kann das in einem Flächenland wie Niedersachsen überhaupt funktionieren? Können die Abgeordneten dann noch ihrer Aufgabe gerecht werden? Könnte dann der Landtag seiner Kontrollfunktion noch gerecht werden?
Was sagen Sie, der Sie mehr als 200 km von der Landeshauptstadt entfernt wohnen, zu dieser Forderung?
Herzliche Grüße in die letzte Wahlkampfwoche hinein!
Sehr geehrter Herr Kloppe,
herzlichen Dank für die Frage.
Das Feierabendparlament wird regelmäßig von denen gefordert, die über die Arbeit im Landtag aus eigener Erfahrung nichts wissen.
In einer repräsentativen parlamentarischen Demokratie hat die grundsätzliche Möglichkeit einer Mandatsausübung für jeden Bürger, unabhängig ob Selbstständiger, Freiberufler, sogenannter abhängig Beschäftigter, Frauen und Männer aus allen Gesellschaftsschichten, auch für Menschen mit Handicaps, absoluten Vorrang, käme es doch sonst zu einer nicht hinnehmbaren Bevorzugung bestimmter Bevölkerungsgruppen. Um es mit einem Beispiel zu sagen: Es kann nicht sein, das pensionierte Ministerialbeamte mit guter Pension sich ein solches Mandat leisten können, ein Arbeitnehmer aber keiner Vollzeitbeschäftigung nachgehen könnte oder gar seinen Arbeitsplatz gefährdet.
Nun aber ein Wort zur praktischen Umsetzung. Wir haben in der letzten Wahlperiode das Schulgesetz verabschiedet, ein neues Polizeigesetz verabschiedet, die Bezirksregierungen abgeschafft, ein Hochschuloptimierungskonzept verabschiedet, fünf Haushaltsgesetze in eine äusserst schwierigen Situation für das Land verabschiedet. Es gab keine Plenarwoche wo man sich überwiegend mit vermeintlich überflüssigen Anträgen beschäftigt hat. Die Gesetzgebung stand sowohl in den Ausschüssen als auch im Landtag im Mittelpunkt. Nun wird der oberflächliche Populist sagen, weniger Gesetze seien mehr. Generell mag dies richtig sein, aber um bei der Entbürokratisierung weiter zu kommen musste ein Modellkommunengesetz verabschiedet werden. Gerade ein solches Gesetz erfordert einen erheblichen Beratungsbedarf, zum Beispiel auch mit den Kommunalen Spitzenverbänden. Gleiches gilt für die Verfassungsänderung in der festgelegt wurde, dass bei Leistungsgesetzen die bei den Kommunen Kosten auslösen in vollem Umfang vom Land die Erstattung dieser Kosten zu erfolgen hat. (Konnexität) Wenn man jetzt noch bedenkt, dass der Wähler im Wahlkreis auch noch einen Anspruch darauf hat, von den Abgeordneten informiert zu werden und Abgeordnete regelmäßig daran gemessen werden, was sie denn wohl an gute Taten für den Wahlkreis vollbringen, ist ein Freizeitparlament weder wünschenswert noch praktisch möglich.
Ich nehme im Verlauf einer Wahlperiode immer mal Praktikanten mit. Diese ´begleiten mich dann über eine Woche und können dann an Ausschußsitzungen und Plenarsítzungen teilnehmen. Sie nehmen immer vielfältige Eindrücke mit, der Eindruck dass ein Abgeordneter zu wenig arbeitet ist dabei noch nicht aufgekommen.
Mit freundlichen Grüßen
Heinz Rolfes