Frage an Heinz-Michael Kittler von Jürgen F. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Halten Sie es für realisierbar, dass Arbeitgeber generell verpflichtet werden, JEDE freie Stelle an die Agentur für Arbeit zu melden und dass diese die Bewerbungen von Arbeit suchenden kopiert und an Interessenten verschickt?
Wie kann die Vermittlung weiter verbessert werden?
Sehr geehrter Herr Fürhoff
Der Arbeitsmarkt hat in erster Linie kein Vermittlungsproblem, sondern es fehlen Arbeitsplätze.
Die Bundesagentur für Arbeit hat als drittelparitätisch geführte (Arbeitgeber, Gewerkschaften, Öffentliche Hand) Körperschaft öffentlichen Rechts eine lange und erfolgreiche Tradition. Nach unsäglichen geschichtlichen Erfahrungen wurde sie in sozialer Partnerschaft 1927 nach historischem Kompromiss zwischen Carl Legien und Hugo Stinnes begründet. Sie war und ist eine der wichtigsten Säulen unserer sozialen Sicherungssysteme, und gleichzeitig die erste Rekrutierungsadresse am Arbeitsmarkt.
Als Mitte der 90er Jahre die Arbeitslosigkeit annähernd die 4 Mio. Grenze erreicht hatte, wurde sie für große Teile neoliberaler Ideologen uninteressant, warum? Während hohe Arbeitslosigkeit die Tendenz mit sich bringt, Arbeitnehmer zur ohnmächtigen Verfügungsmasse des Kapitals zu machen, wirkt Arbeitslosenversicherung, Vermittlung und Förderung als Sicherung dagegen. Sie erhöhen Warte- und Verhandlungsmacht zu Aufnahme einer neuen Beschäftigung.
Der Angriff auf die BA begann 1998 mit der Streichung des Vermittlungsmonopols. Fortan diffamierte die neoliberale Mafia die BA als bürokratischen Klotz und die Weiterbildungen als korrupte Arbeitslosenindustrie. Dann wurde eine Statistikinterpretation als Zählskandal aufgeblasen und (falsche) Köpfe rollten. Als willkommener Sündenbock für die Arbeitsplatzvernichter und Lohndrücker wird seitdem mit gigantischen Werbeetats getrommelt: Die BA löst keine Probleme am Arbeitsmarkt, vielmehr sei sie das Problem selbst. Und: viele glauben das.
Während professionell geführte Unternehmen die kompetente Dienstleistung der BA zur schnellen und passgenauen Stellenbesetzung gern nutzen, gibt es andere, die auf die neoliberale Propagandamaschinerie hereinfallen. Kaum jede 2. freie Stelle wird der BA zur Besetzung ausgeschrieben. Nach der gesetzlichen Lage ist das leider auch gewollt.
Unabhängig davon werden große Mittel eingesetzt, offene Stellen regelrecht zu akquirieren, und Betriebe bei der Personalentwicklungspolitik zu unterstützen und zu fördern. Darüber hinaus ist es nicht mehr üblich, gemeldete Stellen als Verfügbarkeitstest (Stempel holen) zu missbrauchen. Deshalb würden wir selbstverständlich verlangen dass (wirklich) freie Stellen der BA gemeldet werden müssen.
Ob die weitere Demontage der BA gelingt: 30 Mrd. € Versicherungsgeschäft herausbrechen und privatisieren, knappe Fachkräfte nur über private Vermittler, Weiterbildung streichen und Verfolgungsbetreuung durch regionale Leistungszentren, hängt davon ab, ob es wieder mehr Stellen zum Vermitteln gibt. Und es hängt davon ab welchen Einfluss wir im Parlament bekommen.
Mit freundlichen Grüßen
Heinz-Michael Kittler