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Frage von Dr. Frank B. •

Frage an Heinrich Kolb von Dr. Frank B. bezüglich Innere Sicherheit

Der ersehnte Abschalttermin von Biblis war so nahe.
Ich ahne es - in Biblis wird es zur Kernschmelze kommen - meine Kinder, die im
Plusenergiehaus aufwachsen werden mich fragen: müssen wir jetzt auch
sterben - wir nutzen doch die Sonnenenergie? -
Warum wollen Sie die Energiewende so weit hinausschieben? Es gibt
über www.100-GUTE-GRUENDE.de die AKWs schnell abzuschalten.
Bitte nennen sie mir Gründe für die Laufzeitverlängerung. Die Medien bringen keine
aktuell sinnvollen pro AKW-Argumente, sondern nur alte wiederlegte wie notwendige Brückentechnologie bezahlbarer Strompreis für den Endkunden.

Zusätzlich erhoffe ich mir Antwort auf die Frage, wie viel es das
deutsche Volk kosten wird, wenn es sich mit der Nachfolgeregierung wieder für eine Annullierung der Laufzeitverlängerung entscheiden wird.

Es würde mich sehr freuen, wenn sie auf meine Fragen eingehen würden.

PS: wussten Sie, dass Terroristen nicht mal ein Passagierflugzeug brauchen um in Biblis den Reaktor zu knacken, Ein Militärjet ja sogar eine panzerbrechende Waffe reicht schon aus.

Mit freundlichen Grüßen Frank Büchler

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Büchler,

vielen Dank für Ihre Fragen.

Ich respektiere Ihre Bedenken hinsichtlich der Verlängerung der Laufzeiten für Kernkraftwerke. Ich habe der Gesetzesvorlage zur Laufzeitverlängerung zugestimmt, weil wir die Atomkraft als Brückentechnologie in ein Zeitalter regenerativer Energien benötigen. Durch den von rot-grün verabschiedeten Atomausstieg wären wir nicht umhin gekommen, Atomstrom aus anderen Ländern zu importieren, da eine flächendeckende Versorgung durch Solar- oder Windenergie bis zu dem geplanten Ausstieg nicht ermöglicht werden konnte. Im Moment werden nur 16 Prozent unseres Energiebedarfs aus diesen Quellen gespeist. Bevor wir eine 100-prozentige Versorgung durch Solar- und Windenergie erreichen, benötigen wir eine verlässliche Stromversorgung. Mit dem jetzt verabschiedeten Konzept wollen wir bis 2050 einen Versorgungsgrad von etwa 80 Prozent erneuerbaren Strom erreichen und die CO2-Emissionen um 80 bis 95 Prozent senken. Dabei bleibt es auch im neuen Energiekonzept bei der Begrenzung der Laufzeiten.

Die längeren Laufzeiten werden nach dem Alter der Anlagen differenziert und anhand entsprechender Strommengen klar festgeschrieben. Die Laufzeit der Kraftwerke, die vor 1980 in Betrieb gingen, wird um 8 Jahre verlängert, die der jüngeren Anlagen um 14 Jahre. Zusätzlich werden die Anforderungen an die Sicherheit der deutschen Kernkraftwerke erweitert. Rot-Grün hatte in ihrem Atomvertrag noch höhere Sicherheitsanforderungen ausgeschlossen und den Stromkonzernen den Verzicht auf steuerliche Belastungen vertraglich zugesichert. Das war ein Deal gegen mehr Sicherheit, obwohl die Kraftwerke laut Rot-Grün noch mehr als zwanzig Jahre weiter laufen sollten. Wir erhöhen die Sicherheitsauflagen nun per Gesetz.

Die meisten Konzepte einer Energiewende ohne Kernenergie unterstellen schlicht, dass der Ausbau von Energiespeicher, Netzen und flexiblen Kraftwerken mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien Schritt hält. Dafür gibt es aber keinerlei Garantie. Es wird eine massive Zunahme der Abhängigkeit unserer Energieversorgung von z.B. russischem Kraftwerksgas in Kauf genommen, der Widerstand der Bevölkerung gegen den Leitungsausbau und Netzausbaus wird ignoriert. Die Gefahr, dass ein überehrgeiziger Fahrplan für den Umbau unseres Energiesystems Strom zum Luxusgut für die Bevölkerung werden lässt, wird fahrlässig verdrängt.

Wir haben deshalb die Laufzeiten der Kernkraftwerke um durchschnittlich 12 Jahre verlängert, weil

- ein Ausstieg aus Kernenergie (und Kohle) zu einem Einstieg in den Import von Atomstrom und Kohlestrom aus dem Ausland führen würde oder die Abhängigkeit unserer Stromversorgung von Gasimporten (z.B. aus Russland) massiv steigert,
- der Neubau von Kohlekraftwerken in Deutschland hinausgeschoben werden kann,
- unsere ehrgeizigen Klimaschutzziele zu geringeren Kosten für die Verbraucher und die Wirtschaft erreicht werden können,
- Kernkraftwerke bis zu 50 Prozent ihrer installierten Leistung ohne weiteres flexibel betrieben werden können und so die Produktion den Schwankungen der Erneuerbaren Energien in Zukunft angepasst werden kann,
- die Verlängerung der Kernenergienutzung wie eine Versicherung gegen eine Vielzahl unvorhergesehener Risiken im Umbau unseres Energiesystem wirkt, z.B. Verzögerungen im Netzausbau, technologische Probleme bei der Entwicklung von Speichern oder offshore Anlagen, Preissteigerungen bei Gas etc. können so aufgefangen werden.

Selbstverständlich kann es eine Laufzeitverlängerung nur für sichere Anlagen geben, die den strengen deutschen und internationalen Standards entsprechen. Das hohe Sicherheitsniveau deutscher Kernkraftwerke wird regelmäßig durch die auch im Internet veröffentlichten Berichte des Bundesamtes für Strahlenschutz über sog. meldepflichtige Ereignisse in Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen belegt (vgl. http://www.bfs.de/de/kerntechnik/ereignisse/berichte_meldepflichtige_ereignisse/quartalsberichte.html ).

An dieser Feststellung kamen auch die Bundesregierungen der vergangenen 10 Jahre nicht vorbei: In offiziellen Stellungnahmen an das Parlament und auch im rot-grünen Ausstiegsvertrag wurde ausdrücklich bestätigt, dass die Kernkraftwerke auf einem international hohen Sicherheitsniveau betrieben werden. Selbst unter dem Umweltminister der SPD, Sigmar Gabriel, kam das BMU in einem Bericht zum internationalen Übereinkommen für nukleare Sicherheit vom Oktober 2007 zu einem positiven Ergebnis. Für alle 17 in Betrieb befindlichen KKW wurden alle bekannten Sicherheitsanalysen durchgeführt. Das Ergebnis war eindeutig: die deutschen KKW erfüllen sämtliche international für notwendig gehaltenen Sicherheitsstandards und gehen vielfach darüber hinaus. Was die Sicherung der Anlagen gegen gewaltsame Einwirkungen von außen betrifft, gilt ebenfalls, dass die in Deutschland betriebenen Kernkraftwerke im internationalen Vergleich den höchsten Grundschutz aufweisen. Als Folge des 11. September 2001 wurden im übrigen mit den Betreibern deutscher Kernkraftwerke Schutzmaßnahmen gegen einen gezielten Flugzeugabsturz vereinbart und von diesen umgesetzt. Dazu gehören unter anderem besondere Tarnungsmaßnahmen (Vernebelungskonzepte). Außerdem wurde bundesweit ein Konzept mit Maßnahmen zur Erhöhung der Flugsicherheit umgesetzt. Kernkraftwerke verfügen über ein gestaffeltes System aus baulichen, technischen, administrativen und personellen Maßnahmen zur Gewährleistung des erforderlichen Schutzes.

Ich hoffe, ich konnte Ihre Fragen hinreichend beantworten und würde mich freuen, wenn Sie sich ganz unvoreingenommen mit meiner Antwort auseinandersetzten. Ihnen persönlich alles Gute!

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Heinrich L. Kolb